Bundesliga-Spitzenspiel:Comeback durch die Beine

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Die lange dominierten Münchner schaffen in typischer Manier trotz eines 0:2-Rückstandes ein 2:2 in Schalke.

Dezente Pfiffe gingen nach dem Abpfiff durch die ausverkaufte Schalker Arena, die Zuschauer werteten das 2:2 (2:1) gegen den FC Bayern zurecht als kleine Enttäuschung. Denn nach einer zum Teil begeisternden ersten Hälfte und zwischenzeitlicher 2:0-Führung hatte ihre Mannschaft einen möglichen Erfolg über den sehr spät erwachten Meister verschenkt.

Lohn einer begünstigten Aufholjagd: Schalke wurde zunehmend müde, Roy Makaay trifft zum 2:2. (Foto: Foto: ddp)

Die Bayern waren am Ende jedenfalls gut bedient mit dem Remis, deshalb bilanzierte Trainer Felix Magath nach dem Abpfiff halbwegs zufrieden: "Die erste halbe Stunde war etwas ärgerlich, aber nach der erfreulichen Steigerung haben wir den Punkt verdient mitgenommen."

Neuer im Tor statt Rost

Nach 20 Minuten hatte Oliver Kahn seine Hände auf den Oberschenkeln abgestützt, er atmete rhythmisch ein und verzog keine Miene.

Eigentlich hätte man in diesen Sekunden wüste Flüche und Gesten von ihm erwartet, denn in seinem Rücken lärmten wie verrückt die Schalker Fans; 2:0 führte ihr Team nach einer vorzüglichen Startphase und Toren von Lövenkrands und Kobiaschwili - Kahns Vorderleute waren regelrecht überrannt worden von aufgedrehten Schalkern. "Wir hatten am Anfang einige, die nicht mitgemacht haben", klagte Magath.

Die Münchner hätten sich jedenfalls nicht beschweren können, wenn sie drei oder vier Treffer kassiert hätten. Chancen für ein Schützenfest gegen den in der Champions League noch ohne Gegentor notierten Rekordmeister boten sich Schalke reichlich, vor allem Kuranyi, gestern Lövenkrands Partner im Angriff, hätte seine dünne Quote aufbessern können.

Doch nach Sagnols Querschläger lieferte der Nationalstürmer aus kurzer Distanz nur eine ungelenke Ablage (2.), und das möglich 3:0 - erneut im Anschluss an eine unzureichende Abwehraktion des Franzosen im Bayern-Dress - verhinderte Kahn mit einem Reflex (29.).

Mehr oder weniger chancenlos war der Münchner Keeper dagegen bei den Gegentreffern, mit denen sich die Schalker früh für ihr aggressives Zweikampfverhalten belohnten. Wie schon in Bremen (1:3) verstörten die Bayern ihren Anhang mit einer seltsamen Lethargie zu Beginn eines Topspiels. Eingeschüchtert schauten sie zu, wie die Schalker sie bei Ballbesitz bedrängten und mit hoher Laufbereitschaft unter Druck setzten.

Vor allem die linke Flanke mit Verteidiger Lahm und Vordermann Schweinsteiger offenbarte Lücken, in die Varela nach Herzenslust stieß. Der Uruguayer war es auch, der nach 13 Minuten Lahm aussteigen ließ und mit seiner scharfen Hereingabe Schalkes dänischen Zugang Lövenkrands erreichte. Van Buyten hatte noch grätschend aushelfen wollen, doch der belgische Verteidiger hob damit nur Lövenkrands Abseitsposition auf. Auch am 2:0 war der Torschütze beteiligt, ein Anspiel von Krstajic leitete er flugs zu Lewan Kobiaschwili weiter, der Kahn mit einem wunderbaren Linksschuss überraschte (20.).

Von den Münchnern war nichts zu sehen in der Offensive. Die Innenverteidiger spielten die Bälle nur hoch und weit hinaus, und auch im Mittelfeld produzierten Ottl, Schweinsteiger oder van Bommel bestenfalls Sicherheitspässe, um die Unruhe zu vertreiben. Den ersten Torschuss gab Schweinsteiger nach 24 Minuten ab - der lauwarme Versuch verkümmerte als Hoppler zwei Meter neben dem Schalker Tor, das überraschenderweise nicht der keineswegs verletzte Kapitän Rost, 33, hütete - sondern der 20-jährige Reservist Manuel Neuer.

"Bruch nach dem 1:2"

Mausetot schienen die Bayern also vor der Pause, doch genau dann, das lehrt die Erfahrung, schlagen sie entscheidend zu. So auch gestern, als sich Sagnol nochmals den Ball zum Freistoß aus halbrechter Position zurecht legte. Neuer verließ die Linie und faustete die Kugel zentral und unzureichend aus dem Brennpunkt: Ottl stoppte den Ball und brachte ihn mit der Pieke zurück aufs Tor - durch Neuers Beine hindurch bahnte er sich den Weg zum völlig schmeichelhaften 1:2 (45.).

Verdient hatte sich Bayern den Anschluss allenfalls wegen des angeblichen Abseitstores von Makaay, das Referee Kircher fälschlicherweise nicht anerkannte (34.). Dennoch: Ein glückliches Tor nach einer Standardsituation, erzielt wenige Sekunden vor dem Halbzeitpfiff - typischer hätten sich die Bayern nicht zurück ins Spiel bringen können.

Von diesem Malheur erholten sich die Schalker nicht mehr richtig. Verschwunden war nach Wiederbeginn ihr Selbstvertrauen und damit auch jenes imponierende Forechecking, das den Bayern lange so viele Probleme bereitet hatte.

Die Blauen zogen sich in die Deckung zurück und erlaubten den Münchnern plötzlich eine ähnliche Dominanz wie diese zuvor den Gastgebern. Als andächtige Zuschauer erlebten die Schalker auch den Ausgleich: Die Bayern schoben sich die Kugel vor dem Strafraum unbehelligt über die Stationen Schweinsteiger und Ottl zu, ehe sich Makaay nach einer hochwertigen Ballannahme erbarmte - und in aller Ruhe einschoss (52.).

Die lange einseitige Partie war furios gedreht - nach dem Comeback spielte Bayern phasenweise auf ein Tor. Erinnerungswürdige Gelegenheiten kreierten sie jedoch nicht mehr - stattdessen nahmen sie zunehmend das Tempo heraus. Erst in der Schlussphase drängten sie noch einmal auf den möglichen Sieg gegen einen auch kräftemäßig gezeichneten Gegner.

In Gefahr geriet jedoch nur noch einmal Oliver Kahn beim Konter über Lövenkrands in der 70. Minute. Somit blieb es beim Remis, das auch Schalke-Coach Mirko Slomka abschließend als "gerecht" bezeichnen musste. "Denn nach dem 1:2 war ein Bruch drin in der Mannschaft", sagte Slomka, "das war ein Rückfall."

© SZ vom 6.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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