Bundesliga:Borussias neuer Liebling

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Trainer Dick Advocaat, im Sommer bei der Europameisterschaft in Portugal noch im Dauerclinch mit den Medien, soll in Mönchengladbach ein Zeichen setzen.

Christoph Biermann

Nur an seinen Händen konnte man erkennen, dass Dick Advocaat doch unter Spannung stand. Fest aneinander gepresst waren sie, ansonsten aber war Advocaat bei seiner Vorstellung als Trainer von Borussia Mönchengladbach im Vergleich zur Europameisterschaft in Portugal nicht wiederzuerkennen.

Dort hatte er als Bondscoach der niederländischen Nationalmannschaft nur aus der Defensive heraus agiert, gestern hingegen wirkte er fast schon locker.

Der "kleine General"

Dass etwa die Dotierung seines Vertrags bis 2007 bei der Entscheidung für den Tabellenvierzehnten der Bundesliga eine Rolle gespielt hätte, bestritt Advocaat auf so humorvolle wie direkte Weise. "Geld war nicht so wichtig, ich habe genug", sagte er.

Einen Spaßvogel werden die Spieler von Borussia Mönchengladbach jedoch nicht zu erwarten haben. "Ich bin ein Disziplinmann", bekannte Advocaat, und Disziplin dürfte er spätestens in seinen drei Jahren als Assistent des früheren Nationaltrainer Rinus Michels gelernt haben.

Den "General" nannte man Michels, "Kleiner General" wird Advocaat seitdem genannt, und er empfindet das nach wie vor als Ehrbezeichnung. So besteht er darauf, mit seinen Spielern zwar nicht wie mit Kadetten umzugehen, aber "wie man mit Kindern spricht".

Doch es war nicht so sehr der Disziplinmann Advocaat, der auf Platz eins der Wunschliste von Borussia Mönchengladbach landete. "Am wichtigsten war uns, einen erfahrenen Trainer zu bekommen", sagte Sportdirektor Christian Hochstätter, und Erfahrung hat Advocaat zweifellos.

Zweimal war der 57-Jährige bereits Trainer der holländischen Nationalmannschaft, bei der WM 1994 erreichte er das Viertelfinale und bei der EM in diesem Sommer das Halbfinale. Seine erste Periode im Nationalteam endete 1994, als ihn der PSV Eindhoven für eine Ablösesumme von umgerechnet 150 000 Mark vom holländischen Verband loseiste.

Nach vier Jahren mit einem Meistertitel und einem Pokalsieg wechselte er 1998 zu den Glasgow Rangers. Advocaat internationalisierte den schottischen Rekordmeister, indem er fast 50 Millionen Euro für ausländische Spieler investierte und die meisten schottischen Profis verkaufte.

Auf diese Weise gewann er 1999 und 2000 die Meisterschaft, schaffte mit den Rangers auch international den Anschluss, aber nicht den Durchbruch.

"Aufgrund seiner Vita ist der Erfolg garantiert", sagte Hochstätter euphorisch und glaubt mit der Verpflichtung des renommierten Trainers "ein Signal zu setzen".

Advocaat sei der erste und einzige Coach gewesen, den die Borussia nach der Entlassung von Holger Fach angesprochen hatte, erklärte der Sportdirektor.

Schon nach dem ersten Gespräch am vergangenen Freitag sei ihm klar gewesen, "dass er der Trainer ist, den wir wollen". Es müssen erstaunliche Verhandlungen gewesen sein. "Ich gehe nur zu einem Klub mit Aussichten", erklärte Advocaat, und diese Aussichten muss ihm die kleine Mönchengladbacher Delegation am vergangenen Freitag auf interessante Weise nahe gebracht haben.

Hochstätter brachte Advocaat ausgerechnet die Videokassette des schlechtesten Saisonspiels mit, die Heimniederlage gegen Hannover 96, und Geschäftsführer Stephan Schippers zeigte ihm das neue Gladbacher Stadion im Internet.

"Mönchengladbach hat im richtigen Moment angerufen", sagte Advocaat, "und die beiden waren sehr enthusiastisch." Hochstätter und Schippers trafen dabei wohl auf einen Trainer, der sich nach den Schrecken von Portugal erholt hatte.

Dort war er von der Presse gequält worden wie kein Bondscoach zuvor, weil Advocaat und sein Team nicht den Glamour verbreiteten, den die Presse erwartete. Daran änderte auch das Erreichen des Halbfinales nichts.

Besonders die Auswechselung von Arjen Robben im Gruppenspiel gegen Tschechien und die anschließende Niederlage wurden ihm massiv vorgeworfen. "Der Wechsel war sehr gut, nur der Spieler war vielleicht nicht richtig", sagte Advocaat gestern. Doch als er damit erstmals seit seinem Rücktritt als Bondscoach über diese Situation sprach, spürte man, dass der Fall noch nicht erledigt ist.

Vier Decoder und ein Souvenir

Die Vergangenheitsbewältigung wird jetzt aber hintan gestellt, denn Advocaat muss sich nicht nur in sein eigenes Team einarbeiten, von dem er gerade ein halbes Dutzend Spieler bereits kennt. Auch die Bundesliga muss er sich erst einmal erarbeiten.

Zuhause hat der bekennende Fußball-Maniac ("Das ist ein bisschen das Problem, deshalb sitze ich hier") zwar vier Decoder aus unterschiedlichen Ländern, aber den Sieg von Gladbach gegen Bayern am Samstag konnte er dennoch nicht sehen.

"Es wurde Dortmund gegen Leverkusen gezeigt", sagte Advocaat. Das Videoband dieses Spiels "hat Horst Köppel mitgenommen". Wahrscheinlich wird es der Wieder-Amateurtrainer auch behalten dürfen - als Souvenir.

© SZ vom 04.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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