Bremens Heimniederlage gegen Leverkusen:Kaltes Liga-Wasser

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Demütigen mit viel Gefühl: Julian Brandt besorgt per Freistoß eines von drei Leverkusener Toren. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Werder lässt sich von Bayer übertölpeln. Die geringe Substanz des Bremer Kaders könnte noch zum Problem werden. Vier fehlende Stammkräfte kann Trainer Skripniks Team nicht verkraften.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Freunde der deutschen Sprache haben zuweilen viel Spaß, wenn der Trainer Viktor Skripnik die Aufs und Abs des SV Werder Bremen in Worte fasst. Nach dem 0:3 gegen Bayer Leverkusen hatte der bremische Ukrainer wieder ein paar wunderbare Formulierungen auf Lager nach der "Katastrophe", wie er sagte. Er wolle "kein weißes Handtuch schmeißen", betonte er. Angesprochen auf die womöglich nicht ausreichende Qualität seines ersatzgeschwächten Teams murmelte er etwas vom "kalten Wasser Bundesliga". Das sollte wohl heißen, man müsse schon sehr gut und leidenschaftlich schwimmen, um nicht unterzugehen. Dann kündigte er "nach dem schlechtesten Spiel, seit ich hier bin", eine Krisensitzung an, auf der es durchaus lauter werden könne.

Selten einmal hat man die Bremer Verantwortlichen so wütend gesehen wie nach der zweiten Halbzeit gegen Leverkusen. Geschäftsführer Thomas Eichin hatte die Profis nach dem "kollektiven Versagen" zunächst in die Kabine beordert. Er wollte ihnen mitteilen, wie grausam ihre Vorstellung aussah, bevor sie sich öffentlich äußerten. Während die Werder-Spieler danach bis auf Kapitän Clemens Fritz ("Sind hinterher gelaufen") und dessen Stellvertreter Zlatko Junuzovic ("Es hätte noch höher ausfallen können") lieber schwiegen, gerieten einige Leverkusener fast in Plauderstimmung. Kevin Kampl zum Beispiel, der in der 65. Minute mit einem Schlenzerball aus 18 Metern das 0:3 besorgte, nachdem Admir Mehmedi (31.) und der gebürtige Bremer Julian Brandt per Freistoß (58.) den klaren Sieg vorbereitet hatten.

Der Einsatz von Lukiymia und das Debüt von Zander und Hilßner schwächten das Werder-Team

Kevin Kampl hatte nicht nur den Ball stibitzt nach seinem ersten Bundesliga-Tor überhaupt, er beschrieb später auch noch einmal, wie er überlegte, ob er die Kugel mit Kraft oder Gefühl schießen sollte; er habe sich dann "für das Gefühl" entschieden. Und zwar, weil ihm Trainer Roger Schmidt geraten habe, es mal mit weniger Kraft zu versuchen.

Von der anstehenden Champions-League-Partie am Dienstag in Barcelona erzählte er noch mehr als von seinem Tor. Einen Auftritt im Camp Nou hätten er und Kumpel Christoph Kramer sich schon zu Solinger Jugendtagen erträumt, sagte er.

Doch zurück zum ungleichen Aufeinandertreffen in Bremen. Schmidt hatte wegen des Champions-League-Spiels das Team auf fünf Positionen verändert, er verzichtete zunächst auf Calhanoglu, Chicharito und auch Kampl. Werder musste auf die gesperrten Bargfrede und Bartels sowie die Verletzten Johannsson und Ulisses Garcia unfreiwillig verzichten. Und während man beim zuletzt etwas schlingernden Spitzenteam aus Leverkusen kaum einen Verlust der Spielkultur feststellen konnte, war bei den Bremern der Verlust von vier Stammspielern so gravierend, als habe man Skripnik einen Rucksack mit wichtigen Unterlagen entwendet. Und bei Claudio Pizarros erstem Einsatz von Beginn stellte sich heraus, dass ihm die Kraft für 90 Minuten fehlt. Nach ordentlicher erster Hälfte ging der 37-Jährige mit den anderen Profis und den in der 55. Minute eingewechselten 20-Jährigen Luca Zander und Marcel Hilßner unter. Das Doppel-Debüt von Zander und Hilßner schwächte das Team enorm, beide sahen den Ball meist nur aus der Ferne. Doch das mit den jungen Spielern sei nun mal "unser Weg, das muss ich akzeptieren", sagte Skripnik.

Es gab aber noch jemanden, der besonders zum Misserfolg beitrug, Innenverteidiger Assani Lukiymia. Gegen Ingolstadt hatte er einen Elfmeter verschuldet, der zur 0:1-Niederlage führte. Bei der dritten Schlappe nacheinander war er nun an gleich zwei Gegentoren beteiligt. Mehmedis Schuss fälschte er mit dem Knie so ab, dass Torwart Felix Wiedwald keine Chance blieb. Auch den Freistoß von Brandt verursachte er. "Luki war die ärmste Sau", befand Eichin ungewohnt mitfühlend.

Am kommenden Samstag muss Werder nun im Nord-Duell bei Hannover 96 bestehen. Geht es wieder schief, könnte Skripniks Krisensitzung auch noch ein Krisenstab folgen. An diesem Wochenende wollte der Manager ihn noch nicht einrichten.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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