Bremen vor Valencia-Spiel:Nichts als Sorgen bei Werder

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Werder-Coach Schaaf überlegt ernsthaft, gegen den FC Valencia drei Spitzen stürmen zu lassen. Der deutsche Meister ist in der Champions-League-Partie wahrscheinlich auch dazu verdammt, viele Tore zu schießen. Denn die Abwehr der Bremer ist eine einzige große Notlösung zu nennen.

Von Jörg Marwedel

Die Champions League kam schon am Sonntagabend in die Stadt. Zwei Lkw mit vier Mitarbeitern der Signage Group aus Brüssel nahmen Kurs auf das Weserstadion, im Gepäck jede Menge Werbebanden und Embleme, die Symbole der europäischen Königsklasse und ihrer vier Hauptsponsoren.

Wie ein amerikanischer Motivationsguru: Werder-Trainer Schaaf (Foto: Foto: AP)

Seitdem überwachen die Herrschaften im Auftrag der Schweizer Marketingagentur Team penibel, wie der sonstige Hausherr Werder Bremen die Arena freiräumt von störenden Botschaften anderer Unternehmen, die Bremens populärste Bühne sonst zur Imagepflege nutzen.

Jeder einzelne Schriftzug muss überklebt werden, auf jedem Automat und jeder Würstchenbude. 1,5 Kilometer Werbebande sind zu verhüllen. Selbst das Beck's Bier, ein Wahrzeichen der Stadt, darf nur als No-name-Produkt ausgeschenkt werden, damit allein die Partner des Veranstalters Uefa am Mittwochabend dort leuchten, wenn der Deutsche Meister Werder Bremen gegen den spanischen Titelträger FC Valencia antritt.

3,7 Millionen Euro Antrittsgage pro Spiel erhält jeder Klub für die Abtretung des Hausrechts, der Sieger kassiert weitere 330.000 Euro.

Als Super-Mario aus Bremen eine Millionenstadt machte

Was in München beim FC Bayern und selbst in Leverkusen längst Routine ist, bedeutet in Bremen noch den Ausnahmezustand. Elf Jahre ist es her, dass Werder zum bislang einzigen Mal in der damals gerade aus der Taufe gehobenen Champions League mitspielte.

Klaus Allofs, der heutige Sportdirektor, hatte gerade seine Spielerkarriere beendet, Mario Basler betrat schüchtern das internationale Parkett und begeisterte die Hörer von Radio Bremen mit der ernstgemeinten Vermutung, Bremen habe drei Millionen Einwohner.

Als Torschützen beim 5:2-Sieg über Dynamo Minsk in der ersten Runde (erst nach zwei K.o-Runden folgte eine Gruppenphase) vermerkte die Chronik Bernd Hobsch (drei) und Wynton Rufer (zwei). Das Aus kam in den Gruppenspielen gegen den AC Mailand, FC Porto und RSC Anderlecht. Und nun hat man vor dem großen Spiel, dem ganz Bremen entgegenfiebert, nichts als Sorgen.

"Die Indianer sammeln"

Abwehrchef Valérien Ismael ist nach der Roten Karte beim 0:2 bei Inter Mailand gesperrt, die Defensivkräfte Petri Pasanen, Gustavo Nery, Ümit Davala und Daniel Jensen fallen verletzt aus, schließlich brach am Dienstag Kapitän Frank Baumann, der Ismael am besten könnte, das Training ab und wird heute ebenfalls fehlen; der Nationalspieler leidet unter der in Mailand erlittenen Dehnung des Syndesmosebandes.

Die Lage ist so angespannt, dass selbst der 21-jährige Christian Schulz, der nach langer Verletzungspause erst wenig Spielpraxis bei den Amateuren sammeln konnte, Aussicht auf einen Platz in der Startelf hat.

"Es geht darum, die Indianer zu sammeln, dann müssen wir gucken, welche Aufstellung wir daraus basteln", sagt Trainer Thomas Schaaf. Doch Schaaf wäre nicht Schaaf, versuchte er nicht gleichzeitig, sein Rumpfteam stark zu reden.

Wie ein amerikanischer Motivationsguru predigt er gegen realistische Zweifler wie Fabian Ernst an, der jede Aufstellungsvariante eine "Notlösung" nennt.

Ständig wiederholt der Trainer die Sätze, die sich in den Köpfen seiner Profis einnisten sollen: "Ich glaube an meine Mannschaft. Ich weiß, dass wir gut sind. Die ganze Mannschaft weiß das."

Glauben könnten ihm dies vor allem seine Stürmer. Valdez, Klasnic und Klose, dreimaliger Torschütze beim 4:1 in Bochum, sind in derart guter Form, dass Schaaf ernsthaft erwägt, statt eines Duos ein Angriffs-Trio zu bringen.

Den Gegner unter massiven Druck zu setzen wäre wohl die beste Strategie, um die provisorische Abwehr mit Schulz, Fahrenhorst, Magnin und Stalteri zu entlasten. "Es ist eine Variante", sagt Schaaf. Vielleicht ist es sogar die einzige.

© SZ vom 29.09.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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