Bremen verliert 3:5:Otto grüßt von der Tafel

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Zwei mutige junge Trainer, einer mit dem großen europäischen Geschäft im Blick: Bremens Alexander Nouri und Hoffenheims Julian Nagelsmann. (Foto: Jörg Sarbach/AFP)

Champions-League-Aspirant Hoffenheim erteilt dem Europa-League-Kandidaten Werder Bremen beim 5:3-Erfolg eine bittere Lehrstunde.

Von Peter Burghardt, Bremen

Ist das wirklich schon 25 Jahre her? 6. Mai 1992, Stadion des Lichts in Lissabon. Werder Bremen bezwang AS Monaco und gewann den Europacup der Pokalsieger mit Profis wie Klaus Allofs, Wynton Rufer, Marco Bode und Thomas Schaaf auf dem Platz, an der Bank dirigierte Otto Rehhagel. Am Samstag im Weserstadion waren Bode und Schaaf zum Jubiläum geladen; König Otto, 78 Jahre alt inzwischen, grüßte fidel von der Anzeigetafel. Der Hommage abträglich war allerdings die Tatsache, dass es da zur Halbzeit gegen die TSG Hoffenheim 0:3 stand, kurz nach Wiederanpfiff dann 0:5 und am Ende 3:5. Europäisch ging beim letzten Heimspiel dieser Saison einiges durcheinander.

Das neue Werder müsste am kommenden Wochenende jetzt bei Borussia Dortmund gewinnen, um es noch in die Europa League oder zumindest die Qualifikation für diesen internationalen Wettbewerb zu schaffen. Allein diese Möglichkeit ist zwar bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass der grün-weiße Klub noch vor Wochen mit dem Hamburger SV gegen den Abstieg kämpfte. Die größte Heiterkeit verschaffen den Fans wie gehabt Gegentore des HSV - Feindschaften und Schadenfreude wollen gepflegt werden. Aber ein Bremer Sieg beim BVB gilt nach diesem Auftritt als eher unwahrscheinlich. Auch wenn das Erfolgserlebnis derart im Sinne der Hoffenheimer wäre, dass deren Trainer Julian Nagelsmann seinem Kollegen Alexander Nouri für diesen Fall einen gemeinsamen Urlaub versprach. Denn Nagelsmanns Hoffenheim, das dann den FC Augsburg zu Gast hat, kämpft mit den punktgleichen Dortmundern um den direkten Einzug in die Champions League.

Julian Nagelsmann aus Landsberg am Lech war vier, als Werder vor einem Vierteljahrhundert in Portugal die Trophäe stemmte. Und die TSG Hoffenheim stieg gerade von der Bezirks- in die Landesliga auf. An Nagelsmann und seiner Mannschaft kann man immer wieder schön erkennen, wie sich der Fußball und die Bundesliga verändert haben. Nun ist er 29, in dem Alter pflügte der Verteidiger Rehhagel noch für den 1. FC Kaiserslautern die Grasnarben. In solch jungen Jahren hat Hoffenheims Stratege ein begnadetes Selbstbewusstsein entwickelt und auch ein System, dem seine Nagelsmänner auf dem Rasen so wunderbar folgen, dass Gegner wie Werder mitunter nur staunen können. Am Spielfeldrand sieht er mit seinem blauen Polohemd mit den Initialen JN manchmal aus, als spiele er mit.

Nachher referierte JN dann lässig über hohes Anlaufen, Umschalten und diagonale Räume. Adam Szalai, zweimal Andrej Kramaric, Steven Zuber und Ermin Bicakcic trafen binnen 59 Minuten nach Belieben. Die Bremer Abwehrkette war ein löchriges Experiment, wobei deren Mitglied Robert Bauer anschließend auf die Verhältnisse hinwies: "Man muss ganz realistisch sein und schauen, gegen wen wir gespielt haben. Hoffenheim hat sich gut bewegt. Die stehen nicht umsonst da oben." Aus solchen Spielen könne man lernen. Eine Hoffenheimer Lehrstunde im Weserstadion: So ändern sich die Zeiten.

Immerhin schien der Nachhilfeunterricht dazu beizutragen, dass die Gastgeber durch Theodor Gebre Selassie, Philipp Bargfrede und Robert Bauer dann selbst noch drei Tore schossen und ihr ohnehin geduldiges Publikum versöhnten. Das wiederum zeigte dem anspruchsvollen Nagelsmann, dass da Richtung Europa noch einiges zu tun ist. Umso mehr, als Sebastian Rudy und Niklas Süle ja bald bei den Bayern spielen. "Weiter auf dem Gas bleiben" sollte sein Team in Bremen, hatte er sich zur Pause gewünscht. Das gelang, bis es sein Kollektiv versäumte, weiter nachzulegen und Fehler machte, die dem Torverhältnis schaden. Dortmund plus 31, Hoffenheim plus 27. Es wird knapp.

So oder so dürfte es eine Attraktion werden, wenn sich die TSG 1899 Hoffenheim mit dem Logo eines heimischen Weltkonzerns auf der Brust um einen Platz in der Champions League bewirbt oder gleich dort einzieht. Ein Ort, seit 1972 Teil der Stadt Sinsheim, 35 000 Einwohner. Lehrling Werder kann, wie gesagt, helfen und sich dabei in die Europa League schmuggeln. Bremens Trainer Nouri: "Julian, dir alles Gute in Europa." Nagelsmann: "Du weißt, was du zu tun hast." Nouri: "Wir versuchen, dir den Weg zu bereiten." Klappt es, dann will ihm Nagelsmann Ferien spendieren. Wo? "Wenn er gewinnt, kann er sich's aussuchen." Lissabon zum Beispiel ist sehr schön

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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