Boxen:Goldjunge aus Havanna

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Der aus Kuba geflüchtete Boxer Odlanier Solis will im Eiltempo die Schwergewichtsklasse bei den Profis aufmischen - er hat gute Chancen.

Bertram Job

Odlanier Solis Fonté hat ein inniges Verhältnis zu Gold. Das kostbare Geschmeide blitzt von so manchen Stellen am massigen Körper, sobald der 27-jährige die erste Trainingsschicht in dem weitläufigen Gym in Hamburg-Niendorf hinter sich hat. All diese Ringe und Ketten stehen ihm gut, auch wenn sie in der Summe etwas mächtig wirken. Und man liegt vielleicht gar nicht so falsch, wenn man dabei unwillkürlich an seine vielen Erfolge aus der Amateurzeit denkt. Als Vorzeigeathlet der kubanischen Box-Staffel ist Solis zwischen 2001 und 2005 bei drei Weltmeisterschaften sowie beim olympischen Turnier 2004 in Athen jeweils Erster geworden. Also hat man ihn schon früh mit jenem Edelmetall behängt, an das sich chronische Sieger einfach gewöhnen müssen.

Der gebürtige Kubaner Odlanier Solis Fonté will in Europa erfolgreich boxen. (Foto: Foto: dpa)

Inzwischen aber kämpft das Schwergewicht aus Havanna nicht mehr unter der Flagge der sozialistischen Inselrepublik, sondern als designiertes Zugpferd eines neueren deutschen Profiboxstalls. Vor einem Jahr war Solis zusammen mit zwei Teamkameraden dem Lockruf von Ahmet Öner, Chef der Arena Box-Promotion, an die Elbe gefolgt. Damit ging eine Odyssee zu Ende, die Ende 2006 mit der Flucht von einem Turnier in Venezuela begonnen hatte. Seither geht das Siegen für Solis ohne Trikot und Kopfschutz, aber zu ungleich luxuriöseren Bedingungen weiter und weiter - als seien die Triumphe im Ring die einzig wahre Konstante in einem ansonsten völlig umgekrempelten Leben. Schon jetzt munkeln manche, dass Solis sehr bald die um hohe Qualität verlegene Weltspitze in seinem Limit durcheinander wirbeln könnte.

Wenn es lange dauert, wird er brachial

Nach sieben einseitigen Aufbaukämpfen kann der schlagstarke Normalausleger eine makellose Profibilanz vorweisen. Und es ist nicht davon auszugehen, dass diese Serie ausgerechnet beim Boxabend am Freitag in der Münchner Kulturhalle Zenith abreißt. Im Windschatten von Hauptkämpfer Markus Beyer, 36, der nach gut anderthalbjähriger Abstinenz ein Comeback im Supermittelgewicht startet, bekommt Solis den in den USA trainierten Cisse Salif (22 Siege in 33 Kämpfen) aus Mali vorgesetzt. Das ist ein kompakter, bis zu 120Kilo schwerer Haublock, den man kaum auf die Bretter befördern kann - und genau so hat sich das Cheftrainer Karsten Röwer auch gewünscht.

"Das wird nicht so einfach, gegen den Wirkungstreffer zu erzielen", fürchtet Röwer. Eventuell wird sein Schützling über die gesamte Distanz von acht Runden gehen müssen, was zum jetzigen Zeitpunkt das Beste ist, was ihm passieren kann. Bis jetzt hat der Goldjunge noch stark von dem "riesigen Potential" (Röwer) gezehrt, das er von der kubanischen Boxschule mitbrachte. Meist kam er zu schnellen Abbrucherfolgen, die das Publikum zwischen Miami und Halle/Saale beeindruckten. Dem Trainer wie einigen Beobachtern ist jedoch nicht entgangen, wie sehr Solis dabei schon ins Schwitzen geriet - und wie er gelegentlich brachial wurde statt taktisch kreativ.

Mit karibischer Sorglosigkeit

"Einige überschüssige Pfunde" sollen schon noch abgebaut bzw. in Muskelmasse umgesetzt werden, sagt Röwer, "irgendwann wollen wir ja mal über zwölf Runden gehen. Da müssen wir im Bereich Kondition noch zulegen". Außerdem will der Übungsleiter künftig auch den Einsatz der Schlaghand und die Balance im Ring verbessern: "Er steht manchmal gekreuzt und hat dann keinen sicheren Stand. Aber das weiß er selber." Da geht ein leichtes Grinsen über das Boxergesicht, das angelernte Deutsch reicht zum Mithören inzwischen bequem aus. Gleich darauf lässt Odlanier Solis übersetzen, dass er, Balance hin oder her, grundsätzlich vor jedem Kampf von seinem Sieg ausgehe - "und wenn es schnell geht, ist es doch für alle um so besser".

Noch ist die karibische Sorglosigkeit charmanter Ausdruck einer schier unerschütterlichen Selbstgewissheit. Schon mit 19 hat Solis die kubanische Legende Felix Savon bezwungen, ohne dass er dafür das Ticket zum Turnier in Sydney erhielt. Und vor ein paar Tagen hat er nun verlauten lassen, dass er sich nicht groß mit den derzeitigen Weltmeistern und Anwärtern bei den Profis beschäftige - sobald sie ihm vor die Fäuste gerieten, werde er das Problem schon rechtzeitig erledigen. Die Kämpfe von Klitschko oder Tschagajew sieht er sich nicht einmal an.

In nicht mehr ferner Zeit aber, wenn auch auf Solis die engeren Duelle zukommen, werden Talent und Seelenruhe allein nicht mehr ausreichen. Auf diese zweite Phase in seiner Profikarriere möchte Karsten Röwer seinen Schützling umfassend vorbereiten, doch allzu viel Zeit bleibt dafür wohl nicht. Arena-Boss Ahmet Öner drängt ja mit aller Macht auf den globalen TV-Markt, gerade erst hat er eine Allianz mit einem amerikanischen Promoter geschmiedet. Und fragt man Solis selbst, wann der Moment für einen Titelkampf heranrücken könnte, lächelt er wieder: "Manana!" Solch goldigen Humor können sich in diesen Zeiten tatsächlich nur ganz wenige leisten.

© SZ vom 14.03.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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