Ttitelverteidiger Abraham bei Box-WM in Berlin:Ziemlich zäh für einen König

Arthur Abraham v Paul Smith -  WBO Super Middleweight World Championship

Pflichtaufgabe bewältigt: Arthur Abraham (rechts) bezwingt den Engländer Paul Smith einstimmig nach Punkten.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Arthur Abraham und der neue Boxsender Sat 1 haben nicht weniger als eine Ära ausgerufen. Doch gegen Paul Smith braucht Abraham zwölf Runden, um seinen Weltmeister-Titel zu sichern. Wieder entscheiden die Punktrichter.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Vor dem Kampf

Jede große Vision braucht einen, der sie ausspricht. Zum Beispiel Kalle Sauerland. Eine neue Ära des Boxsports hat der Promoter ausgerufen, nun, wo erstmals Sat 1 die Kämpfe des Boxstalls überträgt und der Sport in Deutschland quasi neu erfunden werden soll, dank der vielen Konzepte, die in den Köpfen der Sauerländer brüten. Ein bisschen so, als würde jemand ankündigen, einen Oscarfilm zu produzieren, noch bevor die ersten Szenen im Kasten sind.

Das ist mutig und mag Züge von Größenwahn tragen, so ist das bei Visionen. Womit man auch schnell bei Arthur Abraham angelangt. Das Material zum Auftakt dieser neuen Ära sieht nämlich so aus: Ein Abraham, der zuletzt recht erfolgreich durch den Ring pendelte, dabei aber mehr verhalten als spektakulär boxte, kämpft gegen den Engländer Paul Smith, den er vor fünf Monaten schon einmal besiegt hatte, einstimmig nach Punkten. Sportliche Brisanz? Überschaubar.

Aber auch damit lässt sich etwas anfangen, im neuen Sat-1-Sauerstall-Konzept heißt das dann: "Tag der Abrechnung". Denn mit dem Urteil im September waren Smith und sein Team gar nicht einverstanden, witterten sogar unanständige Vorgänge - prominenter Unterstützer dieser Theorie war Smith-Freund Wayne Rooney. Deshalb nun ein Rückkampf, der eigentlich allen ganz gelegen kommt. Außer: Abraham verliert den Titelkampf und muss den Gürtel der WBO ablegen.

Gegenüberstellung der Boxer

Unter den Fittichen von Ulli Wegner ist schon jeder zum faulen Schuljungen degradiert worden, egal wie wuchtig die Fausthiebe, egal wie prall der Bizeps. "Er ist ein Diktator", sagte einst Sven Ottke. 90 Kilogramm soll Abraham zu Beginn der Vorbereitung laut Wegner auf die Wage gebracht haben. Die letzten Wochen vor dem Kampf triezte ihn Wegner in einem Trainingslager außerhalb von Berlin, weil Abraham "bei seiner Familie zu sehr abgelenkt" werde. Abraham präsentierte sich später in Stacheldraht gewickelt, um Wegners Quälereien zu verdeutlichen. Beim Wiegen vor dem Kampf lag Abraham nun mit 76,1 Kilogramm 100 Gramm unter dem erlaubten Gewicht - Punktlandung. Wegners Fazit nach dem Abspecken: "Er hat sich gut geführt." Klang wieder nach Stacheldraht.

Wolken, Blitz und Brusthaar - auf dem offiziellen Werbeplakat des Kampfes präsentiert Arthur Abraham mit seinem Duckface seine ganze Lust am Posieren, während Smith eher nach Magenkrämpfen ausschaut. Auch sportlich hat Abraham in seiner Karriere die besseren Eindrücke hinterlassen als Smith: 2005 wurde er zum ersten Mal Weltmeister, seitdem immer mal wieder mit 41 Siegen aus 45 Kämpfen, 28 davon per K.o.. Smith ist mit 1,80 Meter fünf Zentimeter größer als Abraham, konnte den Vorteil aber im ersten Kampf nicht nutzen. 35 Siege hat er sich bisher erboxt, 20 mal per K.o., vier Niederlagen musste er einstecken. Abrahams und Smith teilen beide das gleiche Ziel an diesem Abend in Berlin: Den anderen definitiv umhauen. Über zwölf Runden soll es dieses Mal nicht wieder gehen.

Neben dem Ring

Mama Abraham saß tatsächlich am Ring, obwohl sie sonst nicht einmal am Fernseher zuschauen kann, wie ihr Arthur boxt. Und sie hörte dabei vor allem eines: Englische Gesänge. 3000 Anhänger von Smith sollten es werden, am Kampfabend hörte man sie vor allem eifrig singen. Ansonsten war natürlich auch die neue Sat-1-Sauerstall-Familie versammelt, also Robert Stieglitz und Felix Sturm etwa. Der, um den sich die meisten Spekulationen gedreht hatten, gab nur per Twitter von sich zu hören: Smith-Fan Wayne Rooney hatte immerhin vor dem Kampf noch Motivationssprüche parat. Die Aufmerksamkeit teilten Ben Becker und Felix Magath dann unter sich auf.

Einmarsch der Boxer

Dem alten und neuen Herausforderer Paul Smith gebürt die Ehre, als Erster in die Halle zu marschieren, er tut das unter stadionfähiger Popmusik, nickt eifrig und kampfesbereit mit dem Kopf auf und ab. Smith stellt sich an eine Ringecke und grüßt die vielen Fans aus der Heimat - mit einem theatralischen Klopfen auf die Brust. Er dreht ein paar Runden im Ring, schließlich fehlt ja noch einer: Sein Gegner. Abraham lässt die Heavy-Metal-Band Beyond the Black für ihn musizieren. Es kracht am Schlagzeug, es schrammelt am Bass - und dann kommt Abraham im schwarzen Samtsakko mit Fliege und weißem Hemd hinter der Glitzerwand hervor. Oben Anzug, unten Boxershorts - ideenlos ist Abraham nicht. Er küsst seine Boxhandschuhe und grüßt die Fans, da legt auch schon David Whitley los und darf "God save the Queen" schmettern. Drei Blöcke Briten fühlen sich auf einmal verdammt viel an. Für die deutsche Nationalhymne hat Sat 1 natürlich auch jemanden parat: The-Voice-Siegerin Charley-Ann Schmutzler tritt auf, Ulli Wegner spricht mit. Abraham blickt fokussiert und hoppelt von einem Bein aufs andere.

Der Kampf in Runden

Runde 1

Ein langes Beschnuppern soll es heute nicht geben, schließlich kennen sich die beiden auch schon. Smith legt gleich los und stupst Abraham mit seiner Führhand an, er treibt ihn aktiver durch den Ring - doch Abrahams Deckung ist seit dem letzten Mal nicht abhande gekommen. Zum Ende der Runde versucht es auch Abraham mit Attacken, setzt zwei Seitwärtshaken links und rechts an den Kopf von Smith. Aber nach Wirkungstreffern sieht hier noch nichts aus.

Runde 2

Der Anzug ist der neue Boxermantel, der Körper der neue Kopf: Beide gehen sich gegenseitig an die Körpermitte, Abraham zunächst aggressiver. Zum Ende hin verlagert sich alles wieder nach oben, doch ohne den entscheidenden Wumms. Da Abraham nicht zu faul ist, sich zu ducken, schlägt der Engländer auch immer wieder mal ins Leere.

Runde 3

Wenn er mal zwischen seinen Fäusten hervorlugt, lächelt Abraham verschmitzt - er lässt Smith munter auf seine Deckung schlagen. Der Brite versucht, ihn mit Treffern auf den Körper aus der Reserve zu locken, doch Abraham macht das nichts aus. Er teilt ein paar Rects-Links-Kombinationen aus, allerdings ohne die nötige Power.

Runde 4

Abraham drängt Smith in die Seile - und zwar immer wieder an der gleichen Stelle. Es setzt Treffer an den Kopf, Smith kann sich befreien, wieder die gleiche Ecke und das gleiche Spiel von vorne. Abraham ist nun eindeutig aktiver und kriegt Smith nun auch in eine Ringecke, malträtiert ihn in Kopfhöhe. Doch Smith wirkt nicht gerade benommen.

Runde 5

Es gab ja Zeiten, in denen sich Abraham als Schlumpfboxer inszeniert hat, die Metamorphose zum König Arthur ist längst vollzogen. Jener manövriert Smith nun wieder an die Lieblingsstelle, es fliegen die Fäuste von allen Seiten, doch die Wirkung ist verhalten. Ein bisschen spielt der König mit seinem Gegner: Abraham nimmt die Arme runter, grinst kurz, dann gehört ihm auch der erste richtige Punch. Smith marschiert trotzdem weiter.

Runde 6

Eigentlich sollte der Kampf hier schon vorbei sein, das hatte sich Abraham vorher so vorgestellt. Mit ihm als Sieger natürlich. Doch Smith ist noch ziemlich lebendig, beide beackern sich viel, aber nicht sonderlich kräftig. Smith lässt seinen Jab nach vorne huschen, der Abraham aber keine Probleme bereitet. Nun ist Abraham häufiger Richtung Seile gedrängt, er wirkt müde. Braucht der König ein Schläfchen?

Runde 7

Ein Powernap in der Rundenpause und schon funktioniert Abraham wieder: Er bearbeitet Smith munter in den Seilen, muss sich aber auch selbst gegen Attacken wehren. Das Problem: Der Engländer kommt nach jedem härteren Schlag doppelt aggressiv zurück. Problem für den Briten: Er schlägt dabei mitunter ins Leere oder erwischt nur Abrahams Handschuhe.

Runde 8

Hätte Abraham die letzte Konsequenz, wäre der Kampf wohl wirklich schon beendet. Er bringt Smith in die deutlich bedrohlicheren Lagen, doch der Engländer kann sich immer durch einen einfachen Schritt zur Seite befreien. Und er wirkt trotz Treffern noch lauffreudiger als Abraham.

Runde 9

Nun läuft ihm Smith schon von alleine in seine Faust, doch Abraham genügt das nicht. Stattdessen spielt er mit harmlosen Jabs rum, die nicht wirklich dazu gedacht sein können, hier etwas zu bewegen. Der Abend nimmt die Qualität von Billig- Steak an. Es wird extrem zäh.

Runde 10

Viel Zeit für ein vorzeitiges Ende bleibt hier nicht mehr. Smith hoppelt immer noch munter durch den Ring, muss aber viele Schläge einstecken. Abraham hat ihn wieder in den Seilen und feuert Faust-Salven ab, doch Smith harrt aus. Und macht einen Schritt zur Seite. Das genügt ja hier schon.

Runde 11

Für Bewegung sorgt eindeutig der Engländer. Um einen Boxkampf zu gewinnen, reicht das nur nicht. Smith könnte Abraham höchstens ins Koma laufen, aber das das wird es hier nicht mehr zu sehen geben. Wieder ist es Smith, der die Seile im Rücken hat und einige Seitwärtshaken einstecken muss. Kennt er ja schon.

Runde 12

Also doch wieder zwölf Runden. Mit einer Unterbrechung zum Ring-Wischen, so viel wurde hier schon geschwitzt. Abraham jabbt sich durch die Gegend, lässt auch mal seine Rechte nachkommen und setzt damit wertvolle Treffer. Nur zum Umfallen bringt das Smith nicht. Der darf sich noch ein bisschen an der Deckung Abrahams abarbeiten, findet sich dann wieder in den Seilen wieder, wo Abraham auf ihn eindrischt. Noch ein bisschen Getänzel, dann klingt die Glocke.

Nach dem Kampf

Beide Boxer reißen den rechten Arm nach oben - es müssen wieder die Punktrichter entscheiden. Als die Entscheidung übermittelt ist, schnellen beide Arme von Abraham nach oben: Er hat hier wieder seinen Titel verteidigt (116:112, 117:111, 117:111). Smith fällt der Kopf nach unten, dann steigt er in eine Ringecke und winkt seinen Fans zu. Abraham darf derweil erste Worte ins Hallenmikrofon sprechen: "Es war ein harter Kampf, er war tapfer und hat bis zum Schluss gekämpft. Er hat auch schlimme Treffer kassiert". Da ist Smith schon aus dem Ring verschwunden. Die Stimmung in der Halle? Ziemlich still für eine neue Boxära.

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