Borussia Dortmund in Freiburg:Chancenloses Bullerbü

Lesezeit: 3 min

War da mal eine Krise? Beim 3:0 der Dortmunder in Freiburg glänzt Torjäger Aubameyang vor allem im Zusammenspiel mit Vorbereiter Marco Reus.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Als Schiedsrichter Daniel Siebert die Partie in Freiburg abpfiff, schien es, als atme mancher Freiburger Spieler erleichtert auf. Zu gut wusste man beim Aufsteiger, dass diese Begegnung gegen Borussia Dortmund auch leicht mit einem ziemlich demütigenden Ergebnis hätte zu Ende gehen können - wenn die hoch begabte Offensive der Borussen nur ein klein wenig konsequenter gewesen wären. Am Ende blieb es bei einem 0:3, einer ehrenhaften Niederlage also, alles in allem.

Missachtung mit Vorgeschichte: Die Trainer Streich und Tuchel ignorieren sich konsequent

"Wir haben 90 Minuten nach vorne gespielt, nicht nachgelassen und deshalb verdient gewonnen", freute sich Dortmunds Keeper Roman Bürki, der noch "ein großes Kompliment für die Begrüßung" an die Freiburger Fans loswerden wollte. Als Bürki, der vor seinem Wechsel nach Dortmund mal ein Jahr in Baden gespielt hat, zum Aufwärmen aufs Spielfeld kam, war er von der Nordtribüne mit freundlichem Applaus begrüßt worden, einige SC-Fans hatten sogar seinen Namen skandiert.

Es war also wieder mal ein klischeekompatibel-harmonischer Nachmittag in einer Stadt, in der Oberbürgermeister Dieter Salomon zuletzt Korrekturen am Image angemahnt hat. Freiburg, so Salomon, sei "nicht Bullerbü". Und tatsächlich gab es am Spieltag dann auch einen klitzekleinen Misston im vermeintlichen Bollenhut-Ökotopia. Während es ansonsten Sitte ist, dass sich SC-Coach Christian Streich und der jeweilige Gästetrainer zum Abschied umarmen oder zumindest die Hand reichen, ignorierten sich Thomas Tuchel und Streich konsequent. Die beiden haben ein durchaus schwieriges Verhältnis seit den Zeiten, in denen beide noch A-Jugend-Trainer im Südwesten waren. Fachlich schätzen sie sich ja durchaus. Aber so etwas bringen auch Juristen oder Lehrer nicht mit Umarmungen zum Ausdruck. Zumindest dann nicht, wenn sie sich ansonsten nicht wirklich ausstehen können.

Tuchel wird es gut verkraftet haben. Der Mann hatte zuletzt ja ganz andere Sorgen in einer Spielzeit, in der es zumindest in der Liga immer mal knirschte. Allein auswärts verlor die Borussia schon viermal, zuletzt beim desaströsen Auftritt in Darmstadt. Da tat es natürlich gut, in Freiburg einen Auftritt hinzulegen, nach dem sich auch unter den manchmal erstaunlich bissfreudigen Tuchel-Skeptikern keiner finden dürfte, der an der Champions-League-Tauglichkeit dieser Mannschaft und ihres Trainers zweifeln würde. Schon nach 13 Minuten köpfelte Abwehrspieler Sokratis das erste Tor, und dass die beiden anderen Treffer von Pierre-Emerick Aubameyang (55./70.) beigesteuert wurden, passte zu einem aus Dortmunder Sicht perfekten Nachmittag. Mehr als fünf Spiele lang hatte der Gabuner schließlich nicht mehr getroffen. Und auch wenn es im Grunde albern ist, so etwas bei jemandem zu thematisieren, der vorher 17 Tore geschossen hatte: Es hatte tatsächlich viele "Auba in der Krise"-Storys zu lesen gegeben.

Am Rande

1 / 1
(Foto: dpa)

Bank-Lektüre: Dortmunds Ersatztorwart Roman Weidenfeller holt vor der Partie beim SC Freiburg letzte Infos über den Gegner ein. Oder prüft er, ob die Breisgauer zufällig einen Torwart suchen? Weidenfellers Vertrag läuft nach der Saison jedenfalls aus, wie es mit dem 36-Jährigen beim BVB weitergeht, ist unklar. Foto: Patrick Seeger/dpa

"Man hatte heute einfach immer das Gefühl, zwei Gegenspieler gegen sich zu haben."

Seit diesem Spieltag haben nun wieder andere Geschichten Konjunktur. Sie handeln von Kölns Anthony Modeste (17 Tore) und vom Duell zwischen Aubameyang und Robert Lewandowski. Beide zeichnen ja derzeit für 19 Liga-Treffer verantwortlich, drei davon erzielte der Münchener am Wochenende gegen den HSV, das relativiert so einiges. Und um der Wahrheit die Ehre zu erweisen: Die beiden Tore, die Aubameyang in Freiburg gelangen, hätte manch anderer mit Sicherheit auch geschossen. Der Gabuner musste nach großartigen Vorlagen von Marco Reus und Erik Durm eigentlich nur nicht wegknicken, um den Ball über die Linie zu bugsieren. Dass er insgesamt aber nur der zweitbeste Spieler auf dem Platz war, lag am Zusammenspiel mit dem besten: mit Marco Reus.

Der zeigte von Anpfiff an eine brillante Leistung, war immer da, wo kurz darauf Gefahr entstand und spielte seine ganze Schnelligkeit, Technik und Spielfreude aus. Und das alles offenbar umso lieber im Zusammenspiel mit Aubameyang - ein Zusammenspiel, das in Freiburg so hinreißend und gleichzeitig zwingend aussah, wie das nur Ausnahmespieler hinbekommen. Für die Freiburger Defensive, die vier Wochen zuvor gegen den FC Bayern noch so sattelfest gewirkt hatte, war das alles viel, viel zu viel: "Man hatte heute einfach immer das Gefühl, zwei Gegenspieler gegen sich zu haben", ächzte Freiburgs Verteidiger Christian Günter und sprach damit für die gesamte Viererkette.

Folgt man Günters Rechnung, ging das Duell vier gegen zwei also 8:4 für Aubameyang und Reus aus. Dementsprechend zufrieden war auch deren Trainer: "Wir waren hellwach, in unseren Aktionen sauber und haben mit der nötigen Schärfe und Ernsthaftigkeit gespielt", sagte Thomas Tuchel. Wer braucht schon herzliche Umarmungen, wenn er am Ende solch ein Fazit ziehen kann.

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: