Biathlon-WM in Östersund:Das Biotop ist bedroht

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Der Biathlonsport will bei der morgen beginnenden Weltmeisterschaft seine Helden feiern, doch die Diskussion um die Dopingbekämpfung reißt nicht ab.

Volker Kreisl

Aufwärts ging es, 20 Jahre lang, immer weiter, und die Bilder der nächsten neun Tage werden den Eindruck bestätigen: dieser Aufschwung kriegt keine Delle. Östersund liegt nahe bei Norwegen, und von dort wurden zur Biathlon-WM Massen von Sporttouristen angekündigt. Zu den roten norwegischen Fahnen kommen die bekannten Schwarzrotgoldenen hinzu, dazu werden die relevanten Zielgruppenidole jubeln, und dann werden wohl wieder herausragende Zuschauer-, Einschalt-, und Einnahmenzahlen vermeldet. Die dunkleren Themen dahinter sind auf den ersten Blick ja nicht zu erkennen.

Unter Beobachtung: Bei der Biathlon-WM in Östersund läuft der Doping-Verdacht ständig mit. (Foto: Foto: dpa)

Aus Sicht des Deutschen Skiverbandes (DSV) ist die sportliche Lage vor den Sprints am Samstag zudem prächtig. 14 Teilnehmer hat der DSV nach Mittelschweden beordert, die Hälfte hat hervorragende Chancen auf eine Medaille, Kati Wilhelm, die Titelverteidigerinnen Andrea Henkel, Magdalena Neuner und Michael Greis zudem auf Gold. Die Männer fühlen sich gestärkt durch die wiedererlangte Treffsicherheit des Olympiasiegers Greis. Die Frauen brauchen keine Stärkung, sie beherrschen seit Saisonbeginn die Siegerlisten.

Darüberhinaus ist man sich beim DSV sicher, jeglichen Doping-Verdacht los zu sein. Darüber, wieviele Wintersportler welcher Nation Blutaustauschdienste in Wien genossen haben, gibt es noch keine Fakten. Die deutschen Biathleten reagierten aber nochmal mit der eidestattlichen Versicherung, nie mit der Wiener Blutbank zu tun gehabt zu haben. Das ist vielleicht das Mindeste, was sie tun können, auch wenn Doping-Fahnder solche Versicherungen als läppisch einstufen: Der Radsport hat gezeigt, wer mal im Dopingsystem steckt, dem geht so eine Unterschrift leicht von der Hand.

Andererseits geht es vor der WM nicht nur um die Deutschen. Ein DSV-Dopingfall wäre wegen der Beliebtheit seiner Biathleten eine Nachrichtenbombe, zersetzend wirkt allerdings auch schon das, was in dieser Saison in anderen Verbänden passiert ist. Die Finnin Kaisa Varis wurde im Januar positiv auf den Blutbeschleuniger Epo getestet, wie 2003 als Langläuferin.

Die russische Mannschaft, die sich wegen ihres Aufstandes gegen den selbstherrlichen Verbandschef Alexander Tichonow Sympathien verdient hat, macht sich im Gegenzug verdächtig: Iwan Tscheressow, Siebter im Gesamtweltcup, wurde im Dezember wegen eines Hämoglobinwertes von 18,2 g/dl Blut zwischenzeitlich gesperrt, ein geradezu unglaublicher Wert. Sein Kollege Dimitri Iaroschenko erfuhr im vergangenen Jahr eine Leistungssteigerung, die er sich selber nicht recht erklären kann.

Beim Weltcup in Oberhof wurden russische Läufer wegen Krankheiten kurzfristig abgemeldet, was nichts heißen muss, andererseits schwingt seit Tscheressows 18,2-Wert ein spezieller Verdacht mit. Denn danach hatten die russischen Betreuer zugegeben, das Blut ihrer Biathleten vor jedem Rennen auf zu viel Hämoglobin zu überprüfen - routinemäßig. Nebenbei arbeitet Olga Pylewa, der vor zwei Jahren das Stimulans Carphedon in hoher Konzentration nachgewiesen wurde, an einem Comeback.

Noch wird von Einzelfällen gesprochen, aber es häufen sich Stimmen, die sich um den Erhalt des heilen Gesamtbiotops sorgen: "Es ist absolut kein Vertrauen mehr im Sport", sagt Greis, "es muss noch viel mehr Geld investiert werden, damit man alle Betrüger erwischt." Der Weltverband IBU verweist auf sein Blutkontrollsystem, an dem die medizinische Kommission unter dem italienischen Arzt Fabio Manfredini seit zehn Jahren forscht.

Daten von 200 Biathleten seien gespeichert, sagt Manfredini, mit denen irgendwann besonders wirksame Zielkontrollen möglich werden könnten: "Tscheressows Suspendierung war klar, wir aber wollen auch die finden, die nicht so leicht zu erkennen sind." Manfredini sagt, es sei noch viel zu arbeiten an seinem Programm, mit dessen Wirksamkeit wird aber jetzt schon geworben - Kaisa Varis sei ja in eine Zielkontrolle gegangen. Fraglich ist nur, ob man eine computergestützte Rasterfahndung braucht, um die einschlägig vorbestrafte Finnin als verdächtig einzustufen.

Seit 20 Jahren ist es das Bestreben der IBU, Biathlon weltweit zu verbreiten, was auch deshalb zunächst gelang, weil man glaubte, im Biathlon werde nicht manipuliert. Das ist nun widerlegt, vor der nächsten Großveranstaltung stellt sich eine andere Frage: Meinen es die Biathleten mit der Bekämpfung ihrer Doper ernst? Wenn ja, dann überzeugt das vielleicht die Geldgeber des finnischen Verbandes, die gerade ihr Engagement überprüfen für ihre junge plötzlich erfolgreiche Mannschaft.

© SZ vom 8.2.2008/aum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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