Betrugsverdacht im Tennis:Noch eine russische Spur

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Neue Indizien für Wettbetrug im Tennis: Dem Franzosen Arnaud Clément soll in Moskau Geld für eine Niederlage angeboten worden sein.

Josef Kelnberger

Die Schockwellen, die das Thema Wettbetrug rund um die Tenniswelt schickt, haben jetzt Frankreich erreicht. Wie schon bei den US Open im vergangenen August in New York praktiziert, wie zuletzt für die Australian Open im Januar in Melbourne angekündigt, so gehen auch die Veranstalter des Masters-Turniers diese Woche in Paris-Bercy rabiat vor. Spieler werden ermahnt, mit Sperre bedroht und überwacht. Die nationale Glücksspielagentur Française des Jeux fahndet im Internet nach verdächtigen Wettmustern, diese werden abgeglichen mit den Aufzeichnungen der jeweiligen Matches. Jeder Verdacht, dass Matches manipuliert wurden, soll der Polizei zur Anzeige gebracht werden. "Nur die Polizei kann eine bestimmte Art von Untersuchungen vornehmen", sagt Christian Bîmes, Präsident des französischen Tennisverbandes, der Parallelen zur Dopingseuche zieht. Wenn Funktionäre von sich aus staatliche Unterstützung anfordern, muss das Vertrauen in die Athleten schwer erschüttert sein.

Die Spekulationen nehmen inzwischen dramatische Züge an. Mehrere Spieler haben berichtet, ihnen sei Geld geboten worden, wenn sie Matches verlieren oder Informationen aus der Kabine liefern. Vom Hörensagen kennt das Thema jeder. Allerdings gibt es noch keinen offiziellen Beweis, dass ein Match manipuliert worden ist. Ein Wettanbieter hat den zuständigen Gremien - Weltverband ITF, Grand-Slam-Komitee, Männer-Tour ATP, Frauentour WTA - ein Dossier mit 140 verdächtigen Spielen übergeben, aber konkrete Untersuchungen sind nur im Fall Nikolai Dawidenko bekannt. Der Weltranglisten-Vierte gab, begleitet von massiven Wett-Aktivitäten, im August in Sopot/Polen ein Match gegen den argentinischen Außenseiter Martin Vassallo Arguello verloren. Auf ihn und eine angebliche russische Wettmafia konzentrieren sich die Spekulationen.

Dawidenko kann keinen Ball mehr schagen, ohne beäugt zu werden

Unter kuriosen Umständen verlor Dawidenko vergangene Woche in St. Petersburg auch gegen den Kroaten Marin Cilic. Der Schiedsrichter verwarnte ihn mit der Begründung, er sei offensichtlich dabei, das Match zu verschenken; die ATP schickte ihm einen Strafbescheid über 2000 Dollar hinterher. In Paris, beim letzten Masters-Turnier des Jahres, tritt Dawidenko als Titelverteidiger an; er wird keinen Ball schlagen können, ohne kritisch beäugt zu werden. Passend zu dem Thema erklärte am Montagabend in Paris der französische Spitzenspieler Arnaud Clément, auch ihm sei schon Geld für eine Niederlage angeboten worden. Er wollte weder Ort noch Zeit nennen, doch nach einer Meldung der Zeitung L'Équipe handelt es sich um das Turnier in Moskau vor zwei Jahren. Wieder also die russische Spur, nachdem andere französische Profis vor kurzem in der Zeitung Journal du Midi den Verdacht Richtung Italien gelenkt hatten.

So geht das immer weiter mit den Verdächtigungen. In Australien wurde bekannt, dass die heimischen Heroen Lleyton Hewitt und Wayne Arthurs auf der Liste der 140 Matches auftauchen, allerdings nicht als Beschuldigte. Arthurs hatte 2005 in Wimbledon den Italiener Volandri bezwungen, ohne dass dieser nennenswerte Gegenwehr geleistet hätte, und Hewitt wundert sich nun öffentlich, warum der Serbe Tipsarevic Anfang dieses Jahres in Adelaide ohne erkennbaren Grund gegen ihn aufgegeben hat. Von dubiosen Angeboten berichteten zuletzt der Amerikaner Paul Goldstein, der Belgier Gilles Elseneer und der Russe Dimitri Tursunow - wie nun Arnaud Clément mit der Versicherung, sie hätten empört abgelehnt. Aber angesichts der Vielzahl der Indizien wäre es ein Wunder, sollte nicht manipuliert worden sein.

ATP-Chef Etienne de Villiers hat, aufgeschreckt von den Schlagzeilen, die Gründung eine Integrity Unit angestoßen, die mit Hilfe britischer Wettbetrugs-Experten das Problem angehen soll. Außerdem versicherte sich de Villiers der Unterstützung von Spitzenspielern wie Roger Federer und Novak Djokovic, die erklärten, sie seien sicher, unter den Topspielern sei Wettbetrug kein Thema. Doch der Verdacht, das Profitennis sei flächendeckend verseucht, lässt sich so leicht nicht eindämmen. Arnaud Clément sagte in Paris: "Es kann jedem Spieler einmal passieren, dass er die Lust an einem Match verliert. Aber ich habe schon Spieler gesehen, die gute Punkte einfach wegwarfen."

© SZ vom 31.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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