Berlin schlägt München:Das Gen der Alten

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Nach dem Erfolg in Spiel eins der Halbfinal-Serie gegen den EHC München nimmt der Siegeszug der Eisbären Berlin in den Playoffs langsam mysteriöse Formen an. Die Erklärung liegt in der Vergangenheit.

Von Christian Bernhard, München

Keine Frage, der Mann, der am späten Freitagabend alleine auf dem Eis der Münchner Olympia-Eishalle stand, war André Rankel: Im Fanblock der Eisbären Berlin sangen die Menschen laut und deutlich seinen Namen. Doch er hatte zuvor so gespielt, dass man ihn kaum wiedererkannt hatte. Er hatte mit seinem zweiten Treffer des Abends zum 3:2 die Verlängerung nach 85 Minuten beendet. Berlin hatte den Meister im ersten Halbfinalspiel geschlagen. Und damit ein Rätsel aufgegeben.

Der gebürtige Berliner Rankel, 31, ist seit 2003 ein Eisbär, er hat mit den Berlinern sieben Meistertitel gewonnen. Von diesem Glanz war in den letzten drei Jahren allerdings nichts mehr zu sehen, er hat mit seinen Teamkollegen einige Enttäuschungen erlebt. Und die größte aller Enttäuschungen schien lange Zeit die laufende Saison zu werden: In der Hauptrunde rutschten die Eisbären phasenweise wie eine schlechte Kopie ihrer selbst über das Eis, mit Ach und Krach schleppten sie sich als Achter in die Pre-Playoffs. Dort aber nahmen sie gegen Straubing Schwung auf, schalteten im Viertelfinale den Hauptrunden-Zweiten Mannheim aus und knöpften nun dem Hauptrunden-Ersten schon im ersten Halbfinalspiel den Heimvorteil ab. "Wir sind als Mannschaft gewachsen", sagt Verteidiger Constantin Braun, "für uns ist alles möglich."

Die Eisbären so stark wie schon seit Jahren nicht mehr. Hier bejubeln Berlins Darin Olver (l.) und Nicholas Petersen (r.) über den Treffer zum 2:1. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Ein 0:2-Rückstand beim Meister? Halb so wild. Beim Stand von 2:2 einen Penalty gegen sich, zweieinhalb Minuten vor Ende der regulären Spielzeit? Kein Problem, im Tor steht ja Petri Vehanen, ein 39 Jahre alter Finne, der gerade so gut spielt, als wäre er noch mal 29.

Es gibt auch logische Erklärungen: Zugänge, auskurierte Verletzungen

Es gibt durchaus logische Erklärungen dafür, dass die Berliner jetzt wie ausgewechselt auftreten. Dass sie eine "andere Eisbären-Mannschaft sind als die, die wir in der Hauptrunde gesehen haben", wie der Münchner Mads Christensen sagte. Da wäre zum einen die Rückkehr der lange Zeit verletzten Schlüsselspieler wie Hördler und Marcel Noebels oder die gelungenen Nachverpflichtungen von Charles Linglet und Louis-Marc Aubry, die die Qualität im Kader angehoben haben. Die Psyche spielt natürlich auch eine Rolle. "Wir haben wieder Selbstvertrauen und spielen mit vier Reihen, das gibt uns Energie", sagt Rankel. Doch reicht das alleine aus, um diesen beeindruckenden Wandel zu erklären?

Wer die nahezu mysteriöse Stärke der Eisbären verstehen will, muss mit Sven Felski sprechen. Der langjährige Berliner Stürmer ist inzwischen Nachwuchs-Geschäftsführer, er kennt die Eisbären wie kaum ein zweiter. Der 42 -Jährige, der in Berlin nur Bürgermeister genannt wird, hat 20 Jahre lang das Eisbären-Trikot getragen und darin sechs Meistertitel gewonnen.

Mit den Playoffs, sagt Felski, sei eine "neue Zeitrechnung" gestartet. "Und wenn du als Mannschaft über die Jahre so einen Prozess miterlebt und Erfahrung gesammelt hast, dann bist du in der Lage, enge Spiele und Serien für dich zu entscheiden." Entscheidend sei dabei die Erfahrung der Eisbären. Die Berliner Spieler "wissen genau, wie sie wo was machen müssen", sagt er. Und zwar, nach Siegen in den Playoffs nicht zu euphorisch, genauso wie nach Niederlagen nicht zu niedergeschlagen zu sein. "Viele sprechen davon, können es aber nicht umsetzen. Das musst du lernen", sagt Felski. "Sagen und machen sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich glaube, du schaffst es eher, wenn du es oft erlebt hast. Das kommt nicht von heute auf morgen, das lernt man über die Jahre." Und das haben die Berliner.

Die erfahrenen Spieler standen oft in der Kritik

Es sind noch einige Spieler im Kader, die bei der letzten Meisterschaft 2013 noch dabei waren. Spieler wie Frank Hördler, Florian Busch, Jens Baxmann, alle 32 Jahre alt, und Rankel. Sie standen besonders in der Kritik, wenn es schlecht lief. Es brauche einen Umbruch im Kader, hieß es dann nicht selten. Doch jetzt scheint aus dem Alter die große Stärke zu wachsen. Die Erfahrenen ziehen die Mannschaft mit. Und das Eisbären-Gen, das die Berliner vor drei, vier Jahren zum DEL-Rekordmeister gemacht hat, ist wiederbelebt. "Wir sind im Playoff-Modus, das macht am meisten Spaß", sagt Busch.

Hat mit Berlin bereits sieben Meisterschaften gewonnen: André Rankel (rechts) im Kampf um das Spielgerät. (Foto: dpa)

Doch es gehört ja zu diesem Gen, einen Erfolg nicht überzubewerten. Bevor sich Rankel in München in die Kabine verabschiedete, bevor die Fans ihm applaudierten und er einen Daumen nach oben reckte, sagte er noch mit Blick auf Spiel zwei der Best-of-seven-Serie, das am Sonntag um 16.45 Uhr in Berlin beginnt: "Wir wollen uns auf unsere Stärken konzentrieren und mit unseren Fans im Rücken natürlich nachlegen." Spätestens seit Freitagabend klingt das nicht mehr wie eine der üblichen Phrasen. Es klingt, als würden es die Berliner ziemlich ernst meinen.

© SZ vom 26.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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