Benjamin Lauth:Suche nach dem richtigen Biss

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Nach Stationen in München, beim HSV und in Stuttgart soll sich das Talent des Benjamin Lauth jetzt bei Hannover 96 entfalten.

Jörg Marwedel

Benjamin Lauth ist ein begeisterter Videospieler. Und natürlich mag er besonders die Fußballsimulationen, in denen die Spieler "sehr lebensnah" abgebildet werden. "Auf dem Schirm", sagt er lachend, "bin ich manchmal überrascht, wie gut ich wirklich Fußball spielen kann." Das findet beispielsweise auch Christian Hochstätter, der Manager von Hannover 96. "Rattenschnell" sei der 26-jährige Bayer, sagt er. Er besteche durch seine "Tempodribblings und eine sehr gute Technik", und auch im Kopfball habe er "alle Anlagen". Genau deshalb habe 96 ihn gekauft.

Und doch läuft auch in Hannover gerade jene Diskussion an, die schon auf seinen letzten Stationen beim HamburgerSV und beim VfB Stuttgart dazugehörten wie seine Einwechslungen, denn zur Startelf gehörte der veranlagte Fußballer Lauth nur ziemlich selten. Auch im Spiel am Samstag beim FC Bayern ist noch nicht klar, ob er von Beginn an spielen darf. Und während sich die Fans im Forum darüber auslassen, ob der Stürmer nun "eher der Note fünf" entsprach beim jüngsten 2:1 der 96er in Karlsruhe, wie einige Zeitungen ihn sahen, oder "eher der Note drei", wie ein hannoversches Boulevardblatt ihn klassierte, sagt Hochstätter, er sei nicht einverstanden mit den schlechten Beurteilungen. Lauth habe in Karlsruhe "drei, vier richtig interessante Aktionen" gehabt, "wenn er dann den richtigen Pass zurück erhalten hätte, wäre es ein Tor gewesen".

Diese Debatten sagen ziemlich viel über den Werdegang des Stürmers aus, bei dem auch nach Hochstätters Eindruck "psychisch in den letzten Jahren viel kaputtgegangen" ist. Damals, als Lauth noch für 1860 München spielte, wurde er "Benny-Bomber" genannt und als kommender Nationalspieler gesehen. Immerhin fünfmal hat er dann auch im DFB-Trikot gespielt, zum Beispiel 2003 mit dem gerade beeindruckend stürmenden Kevin Kuranyi. Viele wollten den blondgelockten Jüngling zum Idol aufbauen, die Werbung (Nutella) riss sich um ihn, und die "Sportfreunde Stiller" widmeten ihm sogar ein eigenes Lied: "Lauth anhören". Doch vermutlich sind es nicht nur zwei schwere Verletzungen gewesen, die ihn ein Jahr so außer Gefecht setzten, dass es nicht weiter nach oben gegangen ist mit der Karriere. Vermutlich will Lauth gar kein Idol sein.

Immer wieder wurde dem zurückhaltenden Mann nicht nur vom damaligen HSV-Trainer Thomas Doll "der Biss" abgesprochen, den man brauche, um auf einer der höchsten Stufen anzukommen. Und der heutige HSV-Coach Huub Stevens sagte zuletzt, er sei ,,froh, dass Benny jetzt in Hannover ist'', was ja in diesem Zusammenhang auch kein Kompliment ist. Vor allem wegen des Bisses ist diese einst extrem hoffungsvolle Karriere auf halbem Wege ins Stocken geraten.

Und als Lauth, im Frühjahr vom HSV an den VfB Stuttgart ausgeliehen, im künftigen Meisterteam mitspielen durfte, da hat er auch dieses Super-Rehaprogramm in einer phantastisch funktionierenden Mannschaft nicht wirklich genutzt. Manchmal erinnerte er mit seinen Dribblings an eine schlechtere Kopie des einst so furiosen Lauth. Aber bald musste auch VfB-Trainer Armin Veh einsehen, dass der brav mitspielende Profi keine echten Fortschritte gemacht hatte. Und obwohl Lauth gerne geblieben wäre (,,Es war einfach überragend''), trauten sie ihm beim VfB am Schluss nicht zu, künftig ein echter Meisterspieler zu sein.

Natürlich hat Veh, der einst mit Hochstätter bei Borussia Mönchengladbach spielte, dem einstigen Kollegen den Stürmer empfohlen. Für Hannover 96 sei er ein Gewinn, sagte er. Und weil der eigentliche Arbeitgeber, der HSV, Lauth loswerden wollte und für 1,5 Millionen Euro abgab, sagte sich Hochstätter: ,,Das Risiko ist überschaubar. Und ich glaube daran, dass Lauth noch einmal einen Sprung macht.'' Vor allem setzt der Manager dabei auf 96-Trainer Dieter Hecking, der ja schon bei Alemannia Aachen ,,ein Händchen'' dafür gehabt habe, ,,Spieler, die Probleme hatten, nach vorn zu bringen''. Bei Lauth hat sich Hecking offenbar für die Lob-Variante entschieden. Kaum ein Profi, sagen Beobachter, bekomme derart viel Applaus vom Coach wie eben Benjamin Lauth.

Andererseits muss sich der schnelle Offensivspieler jetzt auf eine Position einlassen, die er noch nie gespielt hat. Weil Hecking mit nur einer Spitze spielt - das ist der für 4,5 Millionen Euro vom VfL Wolfsburg erworbene Mike Hanke - gibt es für Lauth derzeit nur die rechte Außenbahn. Doch weil dort auch das große 96-Talent Jan Rosenthal seine Heimat hat, denkt Hochstätter schon an eine weitere Variante. Lauth könne womöglich auch in der Mitte hinter der Spitze spielen, also dort, wo derzeit Arnold Bruggink gesetzt ist. Ob Lauth diesen Zweikampf annimmt?

Immerhin hat er Hannover inzwischen als Zuhause angenommen. Ob er nach dem Bayern-Spiel noch in München bleibe? ,,Nein'', sagt er, ,,es geht schnell wieder nach Hause.'' Dorthin, wo er es schaffen will, vielleicht doch noch einmal so gut zu spielen wie auf der lebensnahen Video-Konsole.

© SZ vom 25.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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