Bayern schont sich in Berlin:Warmlaufen für Gala und Kür

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Bayern gewinnt 2:0 bei Hertha BSC und kann nächsten Samstag Meister werden. Vorher steht das Hinspiel bei Atlético Madrid an, für das Guardiola in Berlin etliche Stammkräfte schonte.

Von Klaus Hoeltzenbein, Berlin

Es wäre dann wohl doch ein weiteres irritierendes Signal an die Liga gewesen: Der FC Bayern wird deutscher Meister - und der Kapitän liegt zu Hause auf dem Sofa. Nicht verletzt, nicht erschöpft, nur um sich ein bisschen zu erholen. Philipp Lahm ist inzwischen 32, er wird noch gebraucht in den wegweisenden Spielen, aber die wegweisenden Spiele des FC Bayern finden schon lange nicht mehr in der Liga statt. Lahm muss am Mittwoch in der Champions League bei Atlético Madrid ran, Trainer Pep Guardiola hatte ihm für den Tag, an dem die Bayern den Titelgewinn bereits hätten besiegeln können, frei gegeben. Ein Luxus, wie ihn sich nur die Münchner leisten können, denn der vierte Meistertitel in Serie ist eine Tatsache, die trotz des 2:0 (0:0) bei Hertha BSC noch nicht vollzogen ist. Dies soll bei weiterhin sieben Punkten Vorsprung auf Dortmund am kommenden Samstag in einem Heimspiel nachgeholt werden. Wer wird schon gerne auswärts Meister?

Die Münchner hätten ihren 26. Meistertitel nur dann in Berlin verbuchen können, wenn die Dortmunder im Parallelspiel verloren hätten. Früh aber signalisierte die Anzeigetafel im Olympiastadion, dass sich zumindest die Borussia der Allmacht des FC Bayern nicht kampflos ergeben wird: Das 1:0, 2:0 und 3:0, das aus Stuttgart eingeblendet wurde, war die Botschaft der Borussia aus der Ferne: Wir sind noch da! Und wir sehen uns noch einmal - am 21. Mai zum Showdown im DFB-Pokal-Endspiel der Bayern gegen Dortmund. Am Ort des Finales begnügten sich die Münchner in der Liga am Samstag mit einer eher wilden Pflichtspiel-Nummer, deren erste Halbzeit Guardiola zu einer kurzen Generalkritik nötigte: "Alle Bälle verloren, alle!" Versöhnt haben den Trainer später zwei atemberaubende Distanztore: War der Fernschuss von Arturo Vidal noch abgefälscht, ehe er ins Netz rauschte (48.), so konnte Douglas Costa den Ball exakt im Torwinkel platzieren (79.). Zwei Treffer, die es in jeden Saisonrückblick schaffen können - mehr von diesem Duell mit den Hauptstadtfußballern allerdings nicht.

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(Foto: Thomas Eisenhuth/dpa)

Traumhafter Flug: Douglas Costa (2.v.l.) lässt den Ball quer durch den Strafraum ins Berliner Tor segeln.

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(Foto: Odd Andersen/AFP)

Der Treffer des Brasilianers markiert das Endergebnis eines glanzlosen 2:0-Arbeitssieges des FC Bayern. Freude kommt bei den Münchnern trotzdem auf.

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(Foto: Michael Sohn/AP)

Eine Halbzeit lang fällt kein Tor, weil die Hertha mutig spielt: In der 48. Minute bricht Arturo Vidal (Mitte, hinten) dann den Bann und trifft zum 1:0.

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(Foto: Michael Sohn/AP)

Aufreger bis dahin: Berlins Towart Thomas Kraft (gelb) wagt sich immer wieder ins Feld - hier rettet er beherzt gegen Thiago.

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(Foto: Hannibal Hanschke/Reuters)

Pep Guardiola macht währenddessen an der Seitenlinie vor, wie es geht: Fuß hoch, einschieben. Zweimal hören die Spieler auf ihn, und so...

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(Foto: Stuart Franklin/Getty)

...feiern sie später ein 2:0 in der Fankurve: Sicher ist die Meisterschaft den Bayern noch nicht - dass es anders kommt, glaubt allerdings keiner mehr.

Wie stets in den drei Guardiola-Jahren sind jene Tage, in denen ehemals ein packendes Saisonfinale um den Titel das Publikum elektrisierte, nur noch Brücken-Spieltage - eingeklinkt zwischen DFB-Pokal und Champions League. Vorigen Dienstag bezwang der FC Bayern im nationalen Halbfinale Werder Bremen, am Mittwoch soll in Madrid im Halbfinal-Hinspiel im Estadio Vicente Calderon bestanden werden. Wem Guardiola deshalb Schonung zukommen lassen wollte, war an der Aufstellung abzulesen. Die ist meist ein offenes Pep-Buch, und neben Lahm, dem Sofa-Kapitän, fehlten in der Startreihe auch die Champions-League-Stammkräfte Martínez, Ribéry, Alonso sowie Alaba.

Von der Bank aus sah dieses Quartett zunächst - nichts. Und dann, als sich der Nebel lichtete, den die Pyromanen unter den Bayern-Fans vor Anpfiff aus ihrer Kurve in den Stadionbauch geschickt hatten, entdeckten sie etwas Neues. Denn aus all den Variablen, die einem Trainer zur Verfügung stehen, hatte Guardiola auch am 31. Spieltag noch eine zuvor nie gesehene Abwehrkette kombinieren können: Kimmich (rechts), Benatia, Tasci, Rafinha (links). An dieser Kette allerdings lag es nicht allein, mehr am Gesamtkonstrukt, dass die Bayern ihre wohl schwächste, jedenfalls unsouveränste erste Halbzeit der gesamten Saison vorführten.

Aus dem hektischen Treiben war bis zur Pause in der Offensive nur ein vereinzelter Fernschuss von Douglas Costa erwähnenswert, den Hertha-Torwart Thomas Kraft parierte (8.). Kurz darauf gab es zwei Mal helle Aufregung, weil Serdar Tasci den Ball im Strafraum mit der Hand berührte - jedoch, und da lag Schiedsrichter Fritz richtig, ohne jede Absicht. Damit griff Tasci allerdings schon energischer ins Spiel ein als hinter ihm Torwart Manuel Neuer, der Ersatz-Kapitän, der den Turbulenzen beschäftigungsarm zusah. Neuer sah auch, dass die Offensivabteilung um Müller, Lewandowski oder Götze lange eine seriöse Haltung zu diesem Berliner Nachmittag suchte. An dessen Ende stand dann ein weiterer Fakt für die Vereinschronik: Auch Tasci darf fortan als vollwertiger Meisterspieler gelten. Nachdem er im Februar als Nottransfer aus Moskau geholt wurde, bestritt der einstige deutsche Nationalverteidiger erstmals ein Spiel für die Bayern über 90 Minuten. Zuvor standen nur 53 Minuten gegen Darmstadt zu Buche.

Die Treffer von Vidal und Costa gaben Guardiola Gelegenheit, in Ruhe seine Bank zu räumen. Alaba kam für Rafinha, Ribéry für Müller, Martínez für Lewandowski - es wurde also doch noch ein kollektives Warmlaufen für die Gala in Madrid. Der Trainer hatte ja bereits am Freitag prophezeit, dass es in Berlin keine Feier geben werde ("Wir werden dort nicht Meister!"). Aufgeschoben aber ist nicht aufgehoben, die Party steigt dann wohl am kommenden Samstag, ab 15.30 Uhr in der Münchner Arena. Zur Kür hat sich der Rekordmeister die Borussia aus Mönchengladbach eingeladen. Und die hat seit Oktober auswärts nicht mehr gewonnen.

© SZ vom 24.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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