Bayern besiegt Darmstadt 3:1:Müllers Kunstwerk

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Darmstadt bereitet dem FC Bayern einen ungemütlichen Nachmittag. Dann erzielt Thomas Müller zwei dieser Tore, die nur er erzielen kann - ohne sich dabei sämtliche Knochen zu brechen.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Zu den außergewöhnlichsten Erscheinungen des Weltfußballs zählt das sogenannte Thomas-Müller-Tor. Das Thomas-Müller-Tor zeichnet sich dadurch aus, dass es zu einem Zeitpunkt kommt, der das Spiel sofort entscheidet. Meistens ist das Thomas-Müller-Tor ein kleines Kunstwerk, weil es mit eigentlich unmöglichen Winkeln und Bewegungen erzielt wird, Winkel und Bewegungen sind das, bei denen sich jeder Normalsterbliche alle Knochen brechen würde. Die wichtigste Eigenschaft des Thomas-Müller-Tores ist es deshalb, dass es allein von Thomas Müller erzielt werden kann.

Am Samstagnachmittag hat Thomas Müller zwei dieser Thomas-Müller-Tore erzielt, das erste gab dem Spiel sofort eine entscheidende Drehung, das zweite erzielte er mit einer Drehung des Körpers, die ungelenk aussah, letztlich aber elegant war. Mit diesen Thomas-Müller-Toren leitete er an diesem ungemütlichen, anstrengenden Nachmittag den 3:1 (0:1)-Heimsieg des FC Bayern gegen Darmstadt 98 ein, der nur im Endergebnis gemütlich und unangestrengt aussieht.

Darmstadt, der Außenseiter, der auf fünf gelbgesperrte Stammspieler verzichten musste, war 90 Minuten lang ein unangenehmer Gegner, der jeden Zentimeter des Rasens zudeckte, und der zudem im Tor einen Mann stehen hatte, der lange an jeden Schuss noch eine Hand oder einen Fuß bekam, manchmal mit Bewegungen, bei denen sich sonst nur Thomas Müller nicht alle Knochen brechen würde. So effektiv war diese defensive Taktik der Gäste, dass die Darmstädter die Partie bis zur 71. Minute offen hielten. Dann traf Müller zum zweiten Mal.

Als Innenverteidiger spielen der Innenverteidiger Tasci - und der Mittelfeldspieler Kimmich

Vor dem Champions-League-Achtelfinale des FC Bayern am Dienstag bei Juventus Turin gönnte Trainer Pep Guardiola einigen Spielern eine Pause; Kapitän Philipp Lahm stand nicht einmal im Kader, Xabi Alonso und Thiago saßen auf der Bank, dort immerhin neben den zuletzt verletzten Mario Götze und - zum ersten Mal seit elf Monaten bei einem Heimspiel - Franck Ribéry. In der Startelf stand erstmals der Ende Januar verpflichtete Serdar Tasci, der zurzeit einzige fitte Innenverteidiger im Kader; als zweiter Innenverteidiger spielte Joshua Kimmich. Vorne vertraute Guardiola auf all seine Dribbelkünstler, auf Douglas Costa, auf Kingsley Coman, auf Arjen Robben, dazu auf Thomas Müller mit seinen unergründlichen Laufwegen, die eine weitere außergewöhnliche Erscheinung des Weltfußballs sind. "Gegen Darmstadt hast du keinen Raum in den Zwischenlinien", sagte Guardiola, "also haben alle Eins-gegen-eins-Spieler gespielt."

Es kam dann genau so, wie Guardiola es erwartet hatte. Darmstadt stellte sich mit einer Abwehrkette vor das eigene Tor, die mal eine Viererkette, mal eine Fünferkette, meistens eine Sechserkette war. Und der FC Bayern versuchte sich durch Dribblings in eine gute Position zu bringen. Nicht zu Guardiolas Plan gehörte es, dass diese Überlegenheit lange wirkungslos blieb. Ein abgefälschter Schuss von Arturo Vidal knallte an die Latte (10.), Rafinha traf das Außennetz (13.), Darmstadts Torwart Christian Mathenia rettete nach einem Fußsohlenstubser von Robert Lewandowski (14.), Lewandowski rutschte am Ball vorbei (15.). Dann schoss Robben, statt auf Müller zu passen, Mathenia parierte (25.), und auf einmal konterte Darmstadt. Und auf einmal führte der Außenseiter.

Sandro Wagner, der seine Profikarriere beim FC Bayern eingeleitet hatte, verpasste erst nach einer Flanke den Ball, er blieb aber nicht lange liegen, stand schnell wieder. Genau rechtzeitig, um die Flanke des Bundesliga-Debütanten Sandro Sirigu mit dem Kopf ins Tor zu drücken (26.). Nicht aufgepasst hatte sein Gegenspieler, der letzte verbliebene Innenverteidiger Serdar Tasci. "Wir wollten uns nicht nur hinten einzementieren, sondern auch nach vorne Nadelstiche setzen", sagte Darmstadts Trainer Dirk Schuster, "das ist uns gut gelungen."

Der FC Bayern hatte zwar umgehend wieder eine gute Chance, doch Costa traf die Latte (28.). Anschließend spielte das Team fahrig, mit vielen Fehlpässen. Dann kam die Halbzeitpause. Auf sie folgte das erste Thomas-Müller-Tor.

"Ich musste den Ball irgendwie in Richtung Tor bugsieren, also habe ich das so gemacht", sagt Müller

Rafinha flankte, Müller legte sich den Ball mit der Brust vor, grätschte ihn ins Tor (48.). Fünf Minuten später veränderte Guardiola die Taktik, er wechselte Tasci und Coman aus, es kamen Juan Bernat und Ribéry. Hinten verteidigte nun eine Dreierkette mit dem Abwehrchef Kimmich, dem gelernten Mittelfeldspieler. Vorne lauerten zwischen Darmstadts Sechserkette vier Münchner Angreifer, Robben und Ribéry dribbelten auf der linken Seite, Costa auf der rechten. Bis die Umstellungen wirkten, dauerte es ein paar Minuten. Auf sie folgte das zweite Thomas-Müller-Tor.

Vidal spielte einen hohen Pass, Müller legte sich den Ball mit der Brust vor, im Fallen schoss er ihn mit einem Rückzieher über sich und seinen Gegenspieler Júnior Diaz hinweg ins Tor (71.). Winkel und Bewegungen: unnachahmlich. "Das hat sich gut angefühlt. Ich musste den Ball irgendwie in Richtung Tor bugsieren, also habe ich das so gemacht", sagte Müller. "Du brauchst Traumtore, um gegen Darmstadt zu gewinnen", sagte Guardiola; im Dezember im Pokal hatte der FC Bayern nur dank eines Fernschusses von Xabi Alonso gewonnen.

Der Gastgeber spielte nun etwas befreiter und gewitzter, vor allem durch den eifrigen Ribéry, der Franzose bereitete mit einer Flanke den Endstand durch Lewandowski vor (84.). "Ich denke, wir sind in einem guten Moment", sagte Guardiola vor der nun anstehenden Reise nach Turin. Und auch Schuster war zufrieden, er lobte, dass er eine "starke Leistung" seiner Mannschaft gesehen habe. Und nicht einer seiner Spieler hatte eine gelbe Karte erhalten.

© SZ vom 21.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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