Basketballer des FC Bayern:Der Mitreißer

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Anlass zum Staunen: Nihad Djedovic fühlte sich nach eigenen Angaben, als sei er nie verletzt gewesen. (Foto: Eibner/imago)

Nach seiner Ellbogenverletzung glänzt Nihad Djedovic bei seiner Rückkehr mit 21 Punkten auf Anhieb wieder als bester Werfer. Der 25-Jährige ist der vielleicht vielseitigste Spieler seines Teams.

Von Matthias Schmid

Zwei Sekunden vor der Schlusssirene passte Nihad Djedovic den Ball lässig zum Schiedsrichter. "Garbage Time", Resteverwertung, nennen die Basketballer die letzten Momente eines bereits entschiedenen Spiels etwas abschätzig. Sie lassen die Uhr einfach herunterticken, die Spieler stehen sich friedfertig gegenüber. Dass Djedovic beim 87:76 (46:39)-Sieg des FC Bayern in Ulm am Ostersonntag den Ball als Letzter in den Händen hielt, war allerdings auch als besondere Geste zu verstehen.

So unerschrocken, wie er redet, spielte Djedovic beim Tabellenvierten auch

Der 25-jährige Flügelspieler hatte einen bemerkenswerten Nachmittag erlebt. Acht Wochen hatte ihn eine komplizierte Ellbogenverletzung samt Operation vom Sport befreit, umso erstaunlicher fiel seine Rückkehr in Dienstkleidung beim zweiten Bundesligasieg nacheinander aus, mit dem die Münchner den dritten Tabellenplatz hinter Bamberg und Berlin festigten. Der Bosnier sammelte mit 21 Punkten gleich am meisten Zähler und spielte so, als habe er in den vergangenen Wochen nur eine einzige Übungseinheit und nicht zwölf Partien verpasst. "Ich habe mich gleich nach dem ersten Training mit dem Team gefühlt, als sei ich nie verletzt gewesen", meinte Djedovic hinterher.

Diese wundersame Genesung war auch Svetislav Pesic nicht entgangen, denn der Münchner Cheftrainer schickte den bosnischen Nationalspieler trotz der langen Absenz sogleich als Startspieler aufs Parkett. Im Eurocupspiel Anfang Februar in Dijon war Djedovic so unglücklich auf den Ellbogen seines linken Arms gefallen, dass die Ärzte das Gelenk auf dem Operationstisch wieder zusammenflicken mussten. Dass er kein Spieler ist, der eine lange Eingewöhnungszeit braucht, zeigte er mit seinem Sprungwurf zum 4:4. "Nur ein Spieler ohne Selbstvertrauen sucht seinen Rhythmus", sagte er hinterher, "ich bin ein Profi mit viel Selbstvertrauen." Dazu schob Djedovic nach: "Wenn der Trainer einem vertraut, ist es leichter, schnell wieder auf sein Niveau zu kommen." So unerschrocken, wie er redet, spielte Djedovic beim Tabellenvierten in Ulm auch. Pesic hatte die Rückkehr seines besten Werfers in dieser Saison fünf Spieltage vor Ende der Hauptrunde herbeigesehnt, die Niederlagen in der Bundesliga gegen Braunschweig und in Göttingen hatten deutlich gemacht, dass der Mannschaft in den kritischen Momenten ein Akteur fehlt, der sich nicht viele Gedanken macht, der auch dann noch mutig weiter wirft, wenn die Bälle nicht durch den Korb fallen wollen. "Nihad ist ein Spieler, der Verantwortung übernimmt und eine Mannschaft mitreißen kann", sagt Bayern-Sportdirektor Marko Pesic. Vor allem in Hinblick auf die Anfang Mai beginnenden Playoffs sind diese Eigenschaften bedeutend.

Djedovic hatte in Ulm einen erheblichen Anteil daran, dass sich die Münchner nach einer ausgeglichenen Anfangsphase schnell einen Vorsprung herausspielen konnten und nach dem ersten Viertel 28:15 führten. Neun Punkte hatte allein Djedovic erzielt - und dabei sehr gut den Blick in sein reichhaltiges Repertoire geöffnet.

"Meine Qualitäten kommen von ganz alleine raus, wenn man in solch einer guten Truppe spielt."

Er ist vielleicht der vielseitigste Spieler im Kader des FC Bayern, er kann nicht nur von außen werfen und in Höchstgeschwindigkeit zum Korb ziehen, er kann auch seine Mitspieler mit einem raffinierten und überraschenden Pass so freispielen, dass sie zu leichten Punkten kommen. Auf 16 Zähler (32:16) hatten die Bayern ihren Vorsprung vergrößert, als Djedovic auf der Bank verschnaufen durfte. Es lag nicht nur an seiner Abwesenheit, dass die Ulmer nun Punkt um Punkt aufholten. Die Bayern-Verteidigung tat sich zunehmend schwerer gegen den wuchtigen Nationalspieler Tim Ohlbrecht, der unterm Korb seine Geschmeidigkeit ausspielte. Drei Minuten vor der Pause war das Spiel wieder ausgeglichen, als Per Günther zwei Freiwürfe zum 35:35 verwandelte. Dass die Münchner dennoch mit sieben Punkten vor dem Seitenwechsel führten, lag an ihrer robusten Abwehrarbeit und ihrem schnellem Umschaltspiel in der Offensive.

Djedovic sorgte anschließend mit gelungenen Aktionen dafür, dass der Vorsprung des Titelverteidigers konstant blieb und die Gäste am Ende 87:76 gewannen. Svetislav Pesic hob weniger die verblüffende Rückkehr von Djedovic hervor als vielmehr die "sehr gute Defensive meiner Mannschaft", wie er sagte. Der Serbe behält Urteile über einzelne Spieler lieber für sich. Auch Djedovic lobte das Zusammenspiel der Mannschaft, "meine individuellen Qualitäten kommen da von ganz alleine raus, wenn man in solch einer guten Truppe spielt", sagte er.

Der 25-Jährige will auch gar nicht mehr so viele Worte über seine Leidenszeit verlieren. Viel lieber spricht er über die nächsten Wochen, über die anstehenden Playoffs. "Da habe ich ja einiges nachzuholen", sagte er. Denn in der vergangenen Saison hatte er im Viertelfinale gegen Ludwigsburg seine Mittelhand gebrochen und kein weiteres Spiel mehr bestreiten können. Nihad Djedovic findet: "Ich will jetzt mal die deutsche Meisterschaft auf dem Feld erleben."

© SZ vom 07.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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