Basketball-Finalserie:Mit Leidenschaft ins Risiko

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Ulms Identifikationsfigur: Per Günther (li.) kämpft gegen Darius Miller. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Es schien erst wie ein aussichtsloser Kampf. Doch trotz geringer Mittel bieten Ulms Basketballer den Favoriten aus Bamberg Paroli. Der Titelverteidiger aber bleibt auf Kurs.

Von Ralf Tögel, Ulm

Thorsten Leibenath presste die Lippen fest aufeinander. Der Trainer der Ulmer Basketballer wusste genau, dass diese Frage gefährlich war: Ob er die Leistung seiner Mannschaft als Blaupause sehe, wie man gegen eine Übermacht bestehen kann? Ein Muster für den vermeintlich aussichtslosen Kampf, der Weg zur Überraschung gegen einen klar besser besetzten Kontrahenten? So wie sein Häuflein der Aufrechten Widerstand geleistet hatte am Mittwochabend gegen eine Basketball-Macht, die bis in dieses zweite Finalspiel um den Meistertitel geradezu spaziert war. Also überlegte Leibenath, er wollte sich nach dieser starken Leistung der Seinen nicht von Gefühlen zu einer spontanen Aussage treiben lassen, zu einem Satz, der, einmal in die Welt geschickt, nur schwer wieder einzufangen ist. Er sagte: "Wir haben gezeigt, dass es einem Underdog mit etwa dem Drittel des Etats durchaus möglich ist, diese Mannschaft zu schlagen." Einmal, so Leibenath weiter, zweimal, vielleicht sogar dreimal. Aber: "Jetzt den Anspruch zu erheben, künftig auf diesem Niveau mitzuhalten, würde unrealistische Erwartungen wecken. So weit sind wir nicht, das ist nicht unser Anspruch."

Der 41-Jährige trifft die Realität damit sehr genau. Denn obwohl die Mannschaft von ratiopharm Ulm - auch dank der frenetischen 6200 Zuschauer - über sich hinausgewachsen war, hatte es gegen die Brose Baskets Bamberg nicht gereicht. Zwar zwangen die Ulmer den Titelverteidiger in die Verlängerung, doch der gewann letztlich doch mit 92:90 Punkten und kann nun am Sonntag (15 Uhr) die Entscheidung in dieser Best-of-five-Serie herbeiführen.

Es war eine intensive, spannende Partie, für die die letzten Sekunden der regulären Spielzeit beispielhaft waren: Beim 79:79 erkämpfen sich die Ulmer mit unglaublichem Einsatz gegen die bekannt starke Bamberger Defensive mehrmals im Nachfassen am Brett den Ball, ehe Pierria Henry in arger Zeitnot und Bedrängnis einen wilden Dreier wirft - und trifft. Der Gegenzug, nun ist der Meister unter Druck. Mit Präzision und Geschwindigkeit wandert der Ball von Spieler zu Spieler, bis er endlich einen völlig freien Werfer gefunden hat: Und Brad Wanamaker trifft zum Ausgleich, natürlich.

Es war der Vergleich von einem leidenschaftlichen, von unbändigem Kampfwillen getragenen Team und einer stimmig komponierten Auswahl von Ausnahmekönnern. Wobei die Ulmer durchaus auch talentierte Basketballer verpflichtet haben. Wie den Power Forward Raymar Morgan, der, pikant, in Bamberg durch den Medizincheck gefallen war und dann für zwei Jahre bei den Schwaben unterschrieb. "Wir müssen viel größere Risiken eingehen", erklärt Geschäftsführer Thomas Stoll, der bei Ulm das Ressort Sport verantwortet, den Unterschied zu finanziell potenteren Mitbewerbern. Bei Morgan ging das Risiko auf, beim noch höher eingeschätzten Carlon Brown, der bei Bamberg wegen einer Knieverletzung nach einer Saison ausgemustert worden war, nicht. Brown kam in Ulm nur auf elf Einsätze, wurde am Mittwoch am Knie operiert und hat eine ungewisse Zukunft vor sich.

Klubs wie Ulm, die im Gegensatz zu Bamberg keinen großen Sponsor hinter sich haben oder wie der FC Bayern München auf einer Weltmarke fußen, müssen andere Wege gehen. "Wir müssen eigene Spieler entwickeln", sagt Stoll; Grundlage soll der Ausbau einer traditionell erfolgreichen Jugendarbeit sein. Die Ulmer planen ein in Deutschland bisher einzigartiges Nachwuchsleistungszentrum, den Orange Campus. Im Herbst, so hofft Stoll, sollen die Bagger anrollen.

Vorerst ist der Abstand zum Titelverteidiger nur punktuell zu verkürzen, die Bamberger um den neuerlich herausragenden Wanamaker (23 Punkte) haben sich zu "einem europäischen Top-Ten-Team" entwickelt, findet Leibenath. Und das bleibt fast komplett zusammen, dürfte sogar noch verstärkt werden. Ulm denkt in kleineren Dimensionen, hat gerade die Verträge mit den beiden wichtigsten Sponsoren langfristig verlängert. Immerhin steht das Gros der Spieler um die Identifikationsfigur Per Günther, der erneut Topscorer (20) war, noch unter Vertrag. Nicht nur Bamberg blickt in eine vielversprechende Zukunft.

Kleiner wird die Lücke zur derzeitigen Übermannschaft kaum, die Leistung der Ulmer kann aber sicher eines geben: Hoffnung auf Überraschungen.

© SZ vom 10.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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