Basketball-EM:Aus Team Nowitzki wird eine Mannschaft

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Deutschlands Basketballer qualifizieren sich mit einem furiosen 79:49 gegen die Türkei vorzeitig für die Zwischenrunde der EM.

Andreas Burkert

Mittags waren sie ja schon wieder in Mallorcas Palma Arena, für ein paar Dribblings und recht viele Freiwürfe. Die Freiwürfe, sie waren ein kleines Thema nach dem glücklichen 83:78 am Abend zuvor gegen Außenseiter Tschechien.

Novitzki hatte gut jubeln (Foto: Foto: Reuters)

Ansonsten standen die deutschen Basketballer am Dienstagmittag konzentriert beisammen, sie hörten Dirk Bauermann zu. Der Bundestrainer redete viel, manchmal machte er für sie den Hampelmann. So müsst ihr heute gegen die Türken verteidigen, das wolle er ihnen zeigen.

Und neun Stunden später ist die Halle dann wirklich in deutscher Hand, die vielen Landsleute unter den rund 4500 Zuschauern feiern "Superdeutschland!" nach dem 79:49 (40:27) über die Türkei. Denn sie haben eine enorme Steigerung ihres Teams erlebt.

Damit ist Bauermanns Team der Sprung in Zwischenrunde von Madrid (ab Samstag) bereits sicher und vieles von dem nicht mehr erwähnenswert, was beim enttäuschenden Start missraten war. Im Falle einer gestrigen Niederlage hätten ja dem deutschen Basketball viel zu früh wieder jene unangenehmen Grundsatzdebatten bevorgestanden, die er so gar nicht schätzt.

Wundersam verwandelte Mannschaft

Doch noch kann diese Mannschaft über die Dauer ihres Fortbestands selbst bestimmen. Denn gegen den WM-Sechsten gerieten die bisweilen betrüblichen Impressionen der Auftaktpartie flugs in Vergessenheit - es präsentierte sich eine wundersam verwandelte Mannschaft, die wohl beim EM-Debüt tatsächlich die Angst vor der großen Blamage "gelähmt" hatte, wie es Bauermann vermutete.

Sie bewegte diesmal von Beginn an den Ball viel dynamisch und variabel und suchte stets den Weg zum Korb; die türkische Deckung wurde beschäftigt, was ihr gar nicht behagte. Wie es gehen könnte, demonstrierte der mit 24 Punkten (9 von19) erneut herausragende Würzburger NBA-Profi Dirk Nowitzki gleich selbst, als er nach wenigen Sekunden mit Siebenmeilenstiefeln in die Zone eindrang - und den Ball dann heraus passte zu Ademola Okulaja (13 Punkte); der verwandelte sicher den ersten Dreier.

Auch Steffen Hamann, der Guard von Meister Bamberg, ignorierte seinen orientierungslosen Vortrag vom Montag und organisierte jetzt viel zupackender den Angriff. Das trug seinem Team ein frühes 7:2 (5.) ein. Nicht einmal Bauermanns erstaunlich vielen Wechsel im ersten Viertel brachten einen Bruch. Ganz im Gegenteil, sogar Center Stephen Arigbabu, der erst am Freitag zur Mannschaft gestoßen war, brachte seinen ersten Turnierwurf ohne Ringberührung unter zum 16:11 nach zehn Minuten. Und obwohl beispielsweise Johannes Herber viel zu selten seine eigene Chance suchte und den Meister bediente, so präsentierte sich hier nicht wieder Team Nowitzki. Sondern eine deutsche Mannschaft.

Gesänge in den deutschen Fan-Reihen

Demond Greene war es beispielsweise, dessen mutiger Dreier zum 32:23 (17.) erstmals eine ordentliche Distanz schuf. Aber ohne den Allstar aus Dallas geht es selbstverständlich auch nicht, und vor der Pause ließ sich Nowitzki nicht lange bitten für eine Demonstration. Acht Punkte in Serie schenkte er ein, darunter zwei Dreier aus knapp acht Metern, die mit Ablauf der Schussuhr im Ring einschlugen. Plötzlich stand es 37:23 (19.), und die deutschen Fans huldigten ihm erstmals mit "MVP"-Gesängen. Diesen erstaunlichen Rückstand hatten sich die Türken allerdings auch mit selbst eingebrockt: Bei schauerlichen 36 Prozent stand zu diesem Zeitpunkt ihre Freiwurfquote, ihr Wert aus dem Feld sollte sich am Ende bei kläglichen 30 Prozent einpendeln .

Nach der Pause dauerte es deshalb nur noch vier Minuten, bis das türkische Team in seine Einzelteile zerbröselte. Die kapriziösen NBA-Werfer Türkoglu (Orlando Magic/15) und vor allem Okur (Utah Jazz/5) vermochten ihr Team zu keiner Zeit zu führen. Über 43:27 (23.) und 48:27 (25.) eilten ihre jetzt furios aufspielenden Gegner davon. Und nachdem Nowitzki vor dem letzten Viertel sogar einmal unter dem Jubel der Halle auf der Bank Platz nehmen konnte - warf eben Center Jan Jagla aus acht Metern. Auch er traf (58:35/28.). Ohne Ringberührung.

Ein Platz unter den ersten Sieben, der immerhin zum Qualifikationsturnier für Peking 2008 im nächsten Juli berechtigte - mindestens daran werden die Deutschen jetzt ganz fest glauben. Ob sie doch zu mehr imstande sind, sollte sich heute im abschließenden Gruppenduell mit Litauen (18 Uhr/DSF) andeuten. Bauermanns Trainerstab hat ja am Montagabend auf der Tribüne den litauischen Erfolg gegen die da noch kämpferischen Türken (86:69) verfolgt, er müsste beeindruckt gewesen sein.

Gestern dominierte der EM-Champion von 2003 mit Wucht und Eleganz die Tschechen (95:75). Die baltischen Muskelprotze haben diesmal ja wieder ihren Spielgestalter Jasikevicius (Golden State) dabei, auch Kleiza (Denver) und Songaila (Washington) sind Kollegen von Nowitzki in der NBA. Dieser Gegner, so viel steht fest, wird nicht zerbröseln.

© SZ vom 05.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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