Basketball der Frauen:Hype in der Hermann-Keßler-Halle

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Strecken sich derzeit äußerst erfolgreich: Nördlingens Basketballerinnen um die 17-Jährige Luisa Geiselsöder, die als beste deutsche Spielerin ihres Jahrgangs gilt. (Foto: imago/Revierfoto)

Nördlingen ist das Überraschungsteam der Bundesliga: Als bisher einziges Team konnte es gegen Abonnementmeister Wasserburg gewinnen.

Von Matthias Schmid

Patrick Bär lacht plötzlich laut auf, als er auf seine Freizeitaktivitäten zu sprechen kommt. Denn Zeit ist für den Trainer der TH Wohnbau Angels aus Nördlingen eigentlich ein rares Gut. "Ich kann nicht sagen", erzählt er, "was das Fernsehprogramm am Abend so alles zu bieten hat." Er guckt da zwar öfters auf den Bildschirm, aber immerzu flimmern dort Spiele der deutschen Frauen-Bundesliga. Er sucht dann nach Stärken und Schwächen des nächsten Gegners.

Der 37-Jährige ist ein gutes Beispiel dafür, dass man im deutschen Frauen-Basketball nach wie vor nicht von, sondern vor allem für den Sport lebt. Denn neben seiner Tätigkeit als Trainer der Nördlingerinnen, arbeitet er als kaufmännischer Angestellter. Inzwischen halbtags. Alles andere lässt sich mit dem beträchtlichen Zeitaufwand nicht mehr vereinbaren. Der Job als Basketballlehrer erfordert fast seine ganze Aufmerksamkeit. Dass sich die Plackerei lohnt, lässt sich nicht nur am Tabellenstand ablesen. Nördlingen liegt da momentan auf Rang drei, hinter den beiden dominierenden Mannschaften aus Wasserburg und Keltern. Bärs Mannschaft fügte dabei den Wasserburgerinnen deren bisher einzige Saisonniederlage zu. "Den deutschen Meister schlägt man nicht alle Tage", findet Bär.

Dass seine Mannschaft nun damit in den engeren Favoritenkreis für die Meisterschaft aufgestiegen ist, halten viele in und um Nördlingen für möglich. Die Euphorie ist riesig, es ist gerade ziemlich chic zu den Spielen der Basketballerinnen in dem schwäbischen Städtchen zu gehen, das bisher vor allem dafür bekannt war, dass der wunderbare Gerd Müller hier geboren worden ist. Auch am vergangenen Sonntag beim 80:75-Sieg gegen TK Hannover füllten 1000 Zuschauer die Hermann-Keßler-Halle am Sportpark. So viele Besucher sind selten im Frauen-Basketball. In der zehnten Bundesligaspielzeit "erleben wir gerade einen richtigen Hype", sagt Kurt Wittmann. Der Sportliche Leiter hat deshalb ein ambitioniertes Ziel ausgegeben. Es geht dabei nicht um Titel oder große Siege, sondern um eine ausverkaufte Halle. Mehr als 2000 Menschen dürfen nicht rein. "Wenn wir es schaffen, die Halle in dieser Saison mal vollständig auszulasten", sagt Wittmann, "wäre das ein Knaller."

Bär und seine Spielerinnen tun sportlich alles dafür, damit Wittmanns Wunsch Realität wird. Nördlingen spielt einen schnellen, attraktiven Basketball. Mit viel Tempo und Raffinesse. Sie profitieren davon, dass sie ihren Kader bis auf zwei Spielerinnen zusammenhalten konnten. Sie haben es in dieser Spielzeit mit Weitsicht und Glück geschafft, die Hire-and-Fire-Mentalität im Basketball auszuhebeln. "Da haben wir gegenüber den anderen Teams im Moment noch einen Vorteil", sagt Wittmann. Hinzu kommt, dass die beiden neuen Spielerinnen Samantha Hill (Kanada) und Anni Mäkitalo (Finnland) das Niveau noch mal angehoben haben. "Die Mädchen passen sehr gut zusammen", hat Bär festgestellt und lobt die Teamchemie, die im Frauenbasketball einen noch größeren Einfluss auf den Erfolg hat als bei den Männern.

Der Sieg gegen Wasserburg hat den Spielerinnen zudem gezeigt, dass sie nah dran sind an den Besten. Ein Platz unter den besten Vier nach der Hauptrunde dürfe es schon sein, sagt der Trainer und fügt hinzu: "Wir müssen nur noch konstant über die volle Spielzeit hinweg spielen." Der größte Unterschied zu Wasserburg oder Keltern äußert sich beim Blick auf die Ersatzbank. "Da haben wir nicht deren Tiefe", hebt Bär hervor. Seine Mannschaft unterliegt deshalb noch größeren Schwankungen, auch weil er nicht nur deutsche Spielerinnen auf die Bank setzt, sondern sie auch einsetzt. Wie zum Beispiel die erst 17-Jährige Luisa Geiselsöder, sie ist hochbegabt und gilt als der derzeit beste deutsche Spielerin ihres Jahrgangs.

Auch wegen der exzellenten Nachwuchsförderung zog es Patrick Bär vor drei Jahren wieder zurück nach Nördlingen. Zwei Jahre verbrachte er zuvor beim Ligakonkurrenten in Halle, nachdem er die Schwaben bereits 2008 in die erste Liga geführt hatte. Einen notwendigen Wechsel nennt Bär ihn im Nachhinein. Er wollte unter anderem seinen Marktwert testen. Aber er hat schnell festgestellt, gibt er zu, dass es noch wichtigere Dinge gibt als Geld. Bär sagt: "Wenn man weg ist, merkt man erst, was man aneinander hat." Er hat viel Freude gerade und hofft, dass seine Spielerinnen die großen Klubs in dieser Saison auch dann noch ärgern können, wenn die Titel vergeben werden.

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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