Basketball-Bundesliga:Berserker mit Manieren

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„It’s Basketball, man!“ Zugang Dorell Wright (l.) hat sich in Bamberg unter Trainer Andrea Trinchieri schnell integriert. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Dorell Wright hat 2006 mit den Miami Heat den NBA- Titel gewonnen. Nach einem Intermezzo in Südosteuropa hilft der treffsichere Werfer nun in Bamberg aus.

Von Matthias Schmid

Dass das Leben tatsächlich die wunderlichsten Geschichten schreibt, hat Dorell Wright im Sommer dieses Jahres erst wieder erfahren. Er saß in einem Barbershop von Los Angeles, in einem dieser typischen amerikanischen Herrenfriseurläden, in denen die Haare oder der Bart noch klassisch mit der Hand, Schaum und scharfer Klinge gekürzt werden. "Ohne neumodisches Zeug", wie der Basketballer hervorhebt. Wright, 31, saß also bequem auf dem Stuhl, als plötzlich ein Typ reinkam, den er zu kennen glaubte, aber sich darüber nicht ganz sicher war, weil ihre letzte Begegnung lange zurücklag. Wie lange genau, kann er gar nicht sagen. "Wir müssen 17 Jahre alt gewesen sein", erinnert sich Wright, sie lagen damals zusammen in einem Zimmer, als einige begabte Basketballer aus Los Angeles sich für eine nationale Auswahl empfehlen wollten. Es stellte sich dann schnell heraus, dass dieser Typ Bryce Taylor war, langjähriger Profi beim FC Bayern. Er hatte gerade einen Vertrag beim deutschen Meister Brose Bamberg unterschrieben, als sich die alten Freunde nach langer Zeit wiedertrafen. "Das ist alles wirklich ziemlich verrückt", gibt Wright zu. Denn der NBA-Champion von 2006 (mit Miami Heat) und Taylor sind sich ein paar Monate später wieder begegnet: in einer Trainingshalle im Bamberger Vorort Strullendorf.

Wright unterzeichnete vor nicht einmal zwei Wochen bei den Oberfranken einen Vertrag bis zum Saisonende. "Das war 100 Prozent richtig", sagt er nach dem ersten Kennenlernen. Nicht nur wegen Taylor, den er zuvor natürlich angerufen hatte, um "Insiderwissen aus dem Klub" zu erfahren, wie Wright es ausdrückt. Er wollte alles über den Verein wissen, den Trainer, die Mitspieler, die Stadt. Und wie die ersten Spiele gezeigt haben: Wright tut Bamberg gut, und Bamberg tut Wright gut.

Wright macht das Bamberger Spiel unberechenbarer

Seit der Amerikaner zum Kader gehört, hat die zuvor schwächelnde Mannschaft von Cheftrainer Andrea Trinchieri vier ihrer fünf Spiele gewonnen, zwei Partien davon in der hochwertigen Euroleague. "Dass ich so schnell integriert wurde, ist nicht selbstverständlich", sagt Wright zunächst vorsichtig, um dann nach ein, zwei Sekunden des Nachdenkens selbstbewusst hinzufügen: "It's Basketball, man!"

Er will damit sagen, so groß ist der Unterschied zwischen amerikanischem und europäischem Basketball nun auch wieder nicht. Und er hat den europäischen Stil schon ein paar Wochen früher kennen lernen dürfen. Nachdem er im Sommer nach elf Jahren in der NBA und einem Abenteuer in China in der stärksten Liga des Planeten keinen Vertrag mehr erhalten hatte, siedelte er nach Europa um, wo er für den bosnischen Meister KK Igokea auflief. Wright wusste, dass das nach 549 Spielen in der NBA nur eine kurze Episode sein konnte. Er hatte andere Ziele: Er wollte in der Euroleague spielen, "auf dem höchsten Niveau in Europa", wie er findet. Die Unterschiede seien nicht besonders groß, hat er nun festgestellt. Physischer gehe es hier zur Sache, "mit mehr Körperkontakt unterm Korb", wie der Flügelspieler sagt. Daran müsse er sich gewöhnen, wie auch an das Tempo der großen Spieler, "die schneller sind als in der NBA".

Dorell Wright, 2,06 Meter groß, scheint aber keine große Eingewöhnungszeit zu benötigen, schon in den ersten Spielen war er einer der auffälligsten Spieler im Team, in der Bundesliga sammelte er gegen Alba Berlin und in Braunschweig sogar die meisten Punkte. Vor allem seine Dreipunktwürfe und sein Drang zum Korb haben das Bamberger Spiel nach einer Phase der Orientierungslosigkeit wieder stabiler und unberechenbarer gemacht. "Er ist ein exzellenter Werfer mit großem Basketball-IQ", lobt Trinchieri. In der NBA hatte er in einer Saison sogar die beste Quote bei den Distanzwürfen. "Ich arbeite jeden Tag hart daran", erzählt Wright, mit unzähligen Wiederholungen, noch vor Trainingsbeginn kommt er in die Halle, um zu üben. "Das muss alles automatisch ablaufen", findet er. Seinen Fleiß, seine Ernsthaftigkeit schätzen sie in Bamberg genauso wie seine zurückhaltende, höfliche Art. Obwohl er so lange in der NBA gespielt hat, fordert er keine Extravaganzen. Früher sei er noch anders gewesen, fügt er mit einem Lächeln hinzu: "Als Basketballer war ich ein richtiger Berserker, der ständig den Korb attackieren wollte."

Er war halt jung und wild, als er direkt nach der Highschool in Miami unterschrieb. Das ist ungewöhnlich, weil die meisten Basketballer vor ihrem ersten Profivertrag in der Regel noch ein College besuchen. Der Anfang war deshalb nicht einfach, seine anarchische Angriffslust nicht unbedingt gefragt. "Ich habe dann aber bald gemerkt, dass ich schneller vorankomme, wenn ich gut werfen kann."

Das gefällt auch seinem Trainer Trinchieri, von dem Wright wiederum begeistert ist: "Er ist ein brillanter Kopf mit außergewöhnlichen Ideen und wird eines Tages eine Mannschaft in der NBA trainieren." Zuvor aber will Wright noch Titel mit Bamberg gewinnen und die Stadt erkunden. Gemeinsam mit seinem Kumpel aus Los Angeles, Bryce Taylor.

© SZ vom 08.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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