Balco-Affäre:Das Netz der Prominenten

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Modernen Dopingbetrügern ist es egal, welche Flagge bei der Siegerehrung weht. Ihre Welt regiert nur das Geld. Den jüngsten Beleg hierfür liefert ein Verhörprotokoll aus der amerikanischen Balco-Affäre vom 3. September 2003, das seine letzten Wahrheiten preisgibt.

Von Robert Hartmann

Heidelberg - Beim dreitägigen Symposium "Dopingprävention" in Heidelberg legte der renommierte Experte Professor Werner Franke erstmals eine Kopie vor, in der die Athleten-Namen nicht mehr geschwärzt sind.

Darin taucht die ukrainische Sprinterin Shanna Pintusewitsch-Block als Kundin der Balco Laboratories in Burlingame bei San Francisco auf. Die 32-Jährige lief Bestzeiten von 10,82 Sekunden und 22,24, sie war Weltmeisterin 1997 über 200 m und 2001 über 100 m - wobei sie hier die vierjährige Siegesserie des US-Idols Marion Jones beendete.

Beide waren Kundinnen des Balco-Labors, das vor über einem Jahr aufflog und seitdem eine Reihe von bekannten Namen preisgab. Neben Jones waren dies der Lebenspartner und Vater ihres Kindes, 100-m-Weltrekordler Tim Montgomery, die Harrison-Brüder Alvin und Calvin (400-m-Staffel-Olympiasieger in Sydney), Sprinterin Michelle Collins, bereits für acht Jahre gesperrt, die Doppelweltmeisterin 2001, Kelli White, Chryste Gaines sowie Mittelstrecklerin Regina Jacobs, 40.

Seit dem Wochenende steht auch 400-m-Hürdenläufer Eric Thomas, Bestzeit 47,96 Sekunden, am Pranger.

Aufschlussreich sind auch die von Balco-Chef Victor Conte gegenüber Jeff Novitzky, Spezialagent der kalifornischen Finanzbehörde, aufgelisteten Geschäftspartner.

Da wird neben dem Amerikaner Mark Block, Ehemann, Manager und Trainer von Pintusewitsch, auch der berüchtigte Charlie Francis als "Consultant" geführt, als Berater.

Francis war der Kopf hinter Kanadas gestrauchelten Sprinthelden Ben Johnson. Francis war vor knapp zwei Jahren kurz in der Öffentlichkeit aufgetaucht, als ihn das Paar Jones/Montgomery als Coach erwählte.

Nun klärt sich Vieles - das Duo, damals öffentlich unbescholten, gehörte ja dem gleichen Netzwerk an. Ebenso wie Trevor Graham, ihr vorheriger Trainer, der sich aber mit dem schnellsten Paar der Welt überwarf und das Ganze schließlich auffliegen ließ.

Springstein im Blickfeld

Graham hatte Contes Designer-Droge THG den Dopingfahndern der US-Agentur Usada in einer Spritze zugeschickt. Nach eingehender Analyse war klar, dass THG ein eigens fürs Doping geschaffenes Anabolikum war.

Agent Novitzky hatte lange Zeit täglich Contes Abfalleimer durchwühlt. Darin fand er einen Brief Grahams, dass er seine Athleten mit Steroiden versorgte, die ihm ein Andrew Tynes aus Mexiko lieferte. Das Medikament hieß Andriol.

Tynes ist Freund der Staffel-Olympiasiegerin Chandra Sturrup (Bahamas). Und auch einen anderen Namen rückt diese Substanz ins Blickfeld: Thomas Springstein, Coach der 400-m-Läuferin Grit Breuer.

Den bezichtigte im Sommer die Sprinterin Anne-Kathrin Elbe (17), in Magdeburg mehrere, zum Teil jugendliche Vereinsmitglieder zum Doping ermuntert zu haben. Bei einer Razzia in Springsteins Haus fand die Staatsanwaltschaft jenes Andriol, mit dem Dopingwirkstoff Testosteron-Undecanoat.

Unverzichtbar war Contes Angebot an die Athleten, ständig ihren Urin durch den Pharmariesen Quest Diagnostics testen zu lassen. Gegen Quest erstatte Franke Strafanzeige. Die Firma prüfte im Labor, wie lange ein Athlet positiv war.

Marion Jones hatte gar per Post bei Olympia in Sydney 2000, wo sie dreimal Gold gewann, ihren Urin untersuchen lassen.

Neben Franke befassten sich in Heidelberg 23 weitere Referenten aus Sport, Wirtschaft und Wissenschaft mit Ursachen, Praktiken und Wirkung des Dopings und suchten nach Lösungsstrategien.

Sie machten deutlich, dass Doping vor allem als gesellschaftliches Problem zu begreifen sei, und verabschiedeten dazu eine "Heidelberger Erklärung".

© SZ vom 17.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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