Augsburg gegen Schalke 04:Wie eine verblichene Fotografie

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Er wolle nicht nur um Platz drei oder vier spielen, sagt Torjäger Huntelaar. Jetzt spielt er um Platz fünf oder sechs. (Foto: Christof Stache/AFP)

Streitpunkt Europa League: Für Schalke 04 wäre eine Teilnahme ein Rückschlag, für Augsburg dagegen ein Traum.

Von Kathrin Steinbichler, Augsburg

Horst Heldt ist ein Meister der neutralen Mimik, aber diese Stimmung beim FC Augsburg, die ging ihm sichtlich auf die Nerven. Wohin der Schalker Manager auch blickte, sah er in zufriedene Gesichter. "Wenn man mit Schalke auf Augenhöhe spielt und einen Punkt mitnehmen kann, dürfen wir auch zufrieden sein", sagte Augsburgs Mittelfeldspieler Tobias Werner. Horst Heldt aber wollte nicht hinübersehen zum Augsburger Frohsinn, der Blick auf die eigene Belegschaft erinnerte ihn nach dem 0:0 gegen die Schwaben immer nur daran, was Schalke derzeit mit Auftritten wie dem in Augsburg aufs Spiel setzt.

"Es wird immer schwerer, das ist klar", sagte Heldt zu den Champions-League-Ambitionen seines Klubs, der nach dem Unentschieden am Ostersonntag zwar weiterhin auf Platz fünf steht, in der Tabelle allerdings auch schon zehn Punkte Rückstand auf jenen dritten Platz aufweist, der die sichere Qualifikation verspricht. Immerhin acht Punkte sind es auch bereits auf Platz vier, der immerhin zur Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation berechtigen würde.

Der FCA verlängert die Verträge mit Trainer Weinzierl bis 2019 und Manager Reuter bis 2020

"Es bringt nichts, zu diesem Zeitpunkt zu rechnen", meinte Heldt, schließlich habe man noch sieben Spieltage. Doch gerade er als Manager kennt natürlich die Zahlen abseits der Tabelle, die er als Verantwortlicher für die sportlichen wie finanziellen Ziele nicht ignorieren kann: Sollte Schalke den Einzug in die Königsklasse verpassen, fehlt dem Klub nicht nur die Bühne, um Fans, Sponsoren und Profis etwas zu bieten; es fehlen auch die Millionen-Einnahmen, um die Entwicklung der Mannschaft weiter vorantreiben zu können.

23,72 Millionen Euro hat Schalke in der zurückliegenden Champions-League-Saison verdient, in dieser Saison mit dem Erreichen der Achtelfinal-Spiele waren es 34,44 Millionen Euro. Geld, mit dem Schalke auch die Vertragsverlängerung mit Stürmer Klaas-Jan Huntelaar im Dezember unter Dach und Fach bringen konnte. Da allerdings hieß es noch, der niederländische Torjäger habe seine gut dotierte Zusage bis 2017 nur deswegen gegeben, weil Manager Heldt ihm in Gesprächen zugesichert habe, dass der Kader für die kommende Saison namhaft verstärkt würde. "Ich will nicht nur um Platz drei und vier spielen", hatte Huntelaar damals öffentlich mitgeteilt. Jetzt, nach dem ernüchternd uninspirierten 0:0 in Augsburg, wollte der Niederländer wie seine Kollegen lieber nichts zum farblosen Spiel in Königsblau sagen.

Kein Wunder, hakt es seit dem Jahreswechsel bei Schalke doch vor allem an der Durchschlagskraft. Kein Bundesligist erzielte in der Rückrunde weniger Stürmer- tore als Schalke 04 - allein Offensivtalent Leroy Sané traf einmal, in Augsburg aber musste der 19-Jährige von der Bank aus zusehen. Huntelaar dagegen wartet nun seit zehn Ligaspielen auf ein Tor (918 Minuten), auch sein Offensivpartner Eric Maxim Choupo-Moting trägt mit einer Wartezeit von jetzt neun Ligapartien (810 Minuten) ohne Tor nichts zur Laune bei.

Die Erinnerung an den furiosen 4:3-Sieg im Achtelfinal-Rückspiel bei Real Madrid vor wenigen Wochen wirkt da bereits wie eine verblichene Fotografie: Den Biss und die Überzeugung, die Schalke in Madrid nach dem hohen Rückstand aus dem Hinspiel zeigte, kann die Mannschaft offenbar nicht in den Ligaalltag übertragen. "Wir müssen einfach anfangen zu gewinnen", antwortete Trainer Roberto Di Matteo auf die Frage, was sich für den Ligaschlussspurt ändern müsse. In dem rätselhaft simplen Satz steckt allerdings bereits der Widerspruch, den die Mannschaft aus Gelsenkirchen seit Wochen schon nicht zu lösen versteht: Die Wörter "einfach" und "gewinnen" schließen sich beim FC Schalke derzeit aus.

Beim FC Augsburg dagegen negieren sie die Bedeutung von "einfach" und "schwer". Zum Saisonbeginn war dem Klub aus dem schwäbischen Teil Bayerns ja erneut eine schwere Saison prophezeit worden, doch die Lust auf Fußball verblüfft weiterhin. Gegen Schalke fehlten Offensivkraft Halil Altintop (Rückenprobleme) und Innenverteidiger Jan-Ingwer Callsen-Bracker (Sprunggelenks-OP), auch Flügelspieler Abdul Rahman Baba (Zehenverletzung) kam erst für die letzte halbe Stunde ins Spiel. In der Offensive fehlte oft die Präzision, dennoch zeigte der FCA auch gegen ein weiteres Schwergewicht den linearen, engmaschigen Fußball, der ihn bis auf die internationalen Plätze gebracht hat. Und anders als noch in der Vorsaison will Augsburg dort auch bleiben.

"Das erste Ziel, der Klassenerhalt, ist ja geschafft", meinte Trainer Markus Weinzierl, "da kann man sich schon neue Ziele setzen." Der Traum von Europa hat sich beim FCA festgesetzt, die Ernsthaftigkeit des Unterfangens unterstrich der Klub bereits vor dem Anpfiff. Per eingespielter Videobotschaft gab Vorstand Klaus Hofmann die vorzeitigen Vertragsverlängerungen mit Trainer Weinzierl (bis 2019) und Manager Stefan Reuter bekannt (bis 2020), den Lärmpegel der jubelnden Fans im ausverkauften Stadion erreichte das Spiel später nicht mehr. Mit dieser vorweg genommenen Pointe hat der FC Augsburg die Spekulationen um sein Führungsduo beendet. "Wir haben beide eine hohe Jobzufriedenheit", erklärte Weinzierl. Der 40-Jährige hatte Angebote und bekannte, sich darüber durchaus Gedanken gemacht zu haben. Aber dann habe er erkannt, so Weinzierl, dass die Entwicklung des FCA in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren "sehr, sehr gut und keine Eintagsfliege" war. Er und Reuter wollten auf diesem Weg nun die nächsten Schritte gehen. Und außerdem: "Ich will einfach wissen, wo es hier noch hingehen kann", sagte Weinzierl.

Das war der Punkt, an dem er und Horst Heldt sich an diesem Tag einig waren.

© SZ vom 07.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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