Aufstiege:Rückkehr der Zebras

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Neben Arminia Bielefeld wird auch der MSV Duisburg wieder Zweitligist, der im Spitzenspiel den Rivalen Holstein Kiel souverän besiegt.

Von Ulrich Hartmann, Duisburg

Vor zwei Jahren haben am Fußballstadion im Stadtteil Wedau noch Grablichter gebrannt. Am 29. Mai 2013 standen dort weinende Fans. Andere schleuderten Bierflaschen in die Glasfront der Arena. Ihrem MSV Duisburg war soeben die Zweitliga-Lizenz verweigert worden. Der Traditionsklub musste zwangsabsteigen in jene verhasste dritte Liga, in der Mannschaft und 31 000 Fans am Samstag nun jedoch einen der schönsten Tage der jüngeren Klubgeschichte erlebten. Wo vor zwei Jahren Grablichter brannten, feierte der MSV nach einem 3:1-Sieg gegen Holstein Kiel die Rückkehr in die zweite Liga. "Vor zwei Jahren waren wir tot - und jetzt sind wir wieder am Leben", sagte die Klublegende Bernard Dietz mit feuchten Augen.

Die Rückkehr Totgeglaubter ist gerade eine Mode-Erscheinung im Kino - und beim Fußball. Traditionsklubs, die den guten alten Zeiten mit finanziellem Hochrisiko und nagelneuen teuren Stadien beizukommen versucht hatten, stürzten hoch verschuldet in die Niederungen des Fußballs ab. Erst dort besannen sie sich wieder wirtschaftlicher und fußballerischer Tugenden. Bei Arminia Bielefeld, das am Samstag durch ein 2:2 gegen Jahn Regensburg nur ein Jahr nach dem Abstieg ebenfalls die Rückkehr in die zweite Liga sicherte, hätte der Bau einer irrational teuren Tribüne beinahe zur Insolvenz geführt. Geschäftsführer bei der Arminia war bis 2009 jener Roland Kentsch, der 2010 zum MSV Duisburg wechselte und dort 2013 nach Abgabe eines offenbar verheerenden und deswegen abgelehnten Lizenzantrags gefeuert wurde. Dieser Mann verbindet das Schicksal beider Klubs.

So wollen sie auch in der 2. Liga jubeln: Hajri und die Duisburger. (Foto: firo Sportphoto)

Beim MSV verzichteten Gläubiger vor einem Jahr auf vier Fünftel ihrer Ansprüche und erlaubten damit dem überschuldeten Klub und Trainer Gino Lettieri, mit Ambitionen ins zweite Drittliga-Jahr zu gehen. Der gebürtige Zürcher Lettieri, 48, führte 2002 den damals viertklassigen FC Augsburg in die drittklassige Regionalliga und war seither bei sieben Klubs in ganz Deutschland tätig, ehe ihn der MSV-Sportdirektor Ivica Grlic vorigen Sommer holte. "Ich bin nicht verstanden worden, als ich diesen Trainer hier präsentiert habe", sagte Grlic nun mit Genugtuung. Lettieri sei ein guter Trainer, gebe ständig Gas und passe dadurch perfekt ins Ruhrgebiet. Das muss wohl stimmen, denn Lettieri wusste nach dem Sieg gegen Kiel gleich, was der Aufstieg den gebeutelten Duisburger Fans bedeutet. "Ich freue mich, dass wir die Menschen hier ein bisschen glücklicher machen konnten", sagte Lettieri, während die Fans über das Spielfeld schlenderten und sich Erinnerungsstücke aus dem Fußballrasen brachen. "Der MSV ist wieder da", sangen die Anhänger aus der zwölftgrößten deutschen Stadt (488 000 Einwohner) am westlichen Rand des Ruhrgebiets. Dieser MSV war 1963 Gründungsmitglied der Bundesliga und auf Anhieb Meisterschaftszweiter hinter dem 1. FC Köln.

Die klamme Stadt ist größter Förderer ihres Werbeträgers MSV

In der Saison 2013/14, dem ersten Jahr in der dritten Liga, musste Trainer Karsten Baumann mit einem völlig neu zusammengewürfelten Kader improvisieren. Zum zweiten Jahr hin übernahm Lettieri, baute wiederum 14 neue Spieler ein und brachte dabei unter anderem die Torjäger Zlatko Janjic (17 Saisontore) und Kingsley Onuegbu (14) groß heraus. Ein stabiles 4-4-2-System, Leidenschaft und Kampfgeist prägen jene Mannschaft, die ihren Charakter gegen Kiel eindrucksvoll demonstrierte, als sie einen 0:1-Rückstand (10.) mit drei Toren binnen sieben Minuten (20., 21., 27.) in einen 3:1-Sieg drehte.

Aufstiegstrainer: Arminias Norbert Meier gönnt sich einen Schluck. (Foto: imago)

Sich nun am Vorbild der letztjährigen Aufsteiger Heidenheim, Leipzig und Darmstadt zu orientieren und sofort den Durchmarsch in die Zweitliga-Spitze zu wagen, würde dem MSV-Präsidenten Ingo Wald nicht schlecht gefallen, "aber das wäre vermessen, und außerdem werden wir hier nach den Ereignissen vor zwei Jahren die Bodenhaftung hoffentlich nie wieder verlieren". Weil zudem "ein Abbau weiterer Schulden in der dritten Liga nicht möglich" gewesen sei, müsse man "mit dem obersten Gebot einer weiteren Konsolidierung" in die zweite Liga gehen. "Und das wird auch noch mehrere Jahre dauern."

Zumal Duisburg kein Dorado für hochkapitalisierten Fußball ist. Die klamme Stadt ist größter Förderer ihres Werbeträgers MSV, auf den Trikots machte die Mannschaft in dieser Saison Werbung für den örtlichen Zoo. Im Tiergarten springen die Zebras als Wappentiere des Fußballklubs putzmunter durchs Gehege.

So lange liegen respektable Auftritte des MSV auch noch nicht zurück: 2005/06 und 2007/08 stand der Klub jeweils für eine Saison in der Bundesliga; 2011 verlor er als Zweitligist das Pokalfinale gegen Schalke. Nun träumt Duisburg nun wieder von jenem Ruhm, den der "Meidericher Spiel-Verein" einst genoss.

Dessen prominentester Spieler Dietz sieht den Aufstieg als Meilenstein an: "Jetzt", sagte er im Duktus eines strengen Stilberaters, "können wir uns wieder sehen lassen."

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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