ATP-Turnier in Stuttgart:Tiriac schwärmt

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Anderer Termin, derselbe Grassamen wie in Wimbledon: Stuttgarts Schritt zu einem Rasen-Tennisturnier geht auf.

Von Gerald Kleffmann, Stuttgart/München

Wenn es um die Erfolgsgeschichte seines Turnieres geht, das vor nicht langer Zeit schon schleichend auf dem Weg war, eine Misserfolgsgeschichte zu werden, kennt Edwin Weindorfer eine pointierte Erklärung. "Gras hat's möglich gemacht", sagt der Österreicher mit der schönen Gel-Frisur, der mit seiner Agentur nicht nur Profis wie Tommy Haas betreut, sondern eben auch die ATP-Veranstaltung im TC Weissenhof seit Jahren verantwortet. Mit der Umstellung des Bodenbelags von Sand auf Rasen gelang "der entscheidende Impuls", wie Weindorfer sagt, "um die Wertigkeit zu steigern". Pech hatte das Turnier nur mit dem Finale. Das Duell von Philipp Kohlschreiber und Österreichs Top-Ten-Neuling Dominic Thiem wurde am Sonntag nach einigen Pausen wegen Regens beim Stand von 6:6, 3:2 (Tie-Break)

für den Deutschen abgebrochen; am Montag (10.30 Uhr) folgt die Fortsetzung. Die wichtigste Zahl lautete 58 000 - so viele Zuschauer erschienen die Woche über fast wie Jünger auf dem Killesberg oberhalb Stuttgarts: Rekord. "Dass Roger hier gespielt hat, war etwas ganz Spezielles", resümierte Weindorfer am Sonntag. Er ärgerte sich daher auch nicht zu sehr über das Halbfinal-Aus des 17-maligen Grand-Slam-Champions, dessen Zusage vor einem halben Jahr zu einem Ansturm auf die Tickets und hohem Medieninteresse geführt hatte; allein die neue Turnier-App nutzten 1,5 Millionen Tennisfans weltweit. Federer war Thiem trotz zweier Matchbälle im zweiten Satz mit 6:3, 6:7 (7), 4:6 unterlegen, "jedes Spiel bringt mich näher an meine Bestleistung heran. Nur durch Matches erfahre ich, wie viel noch fehlt", sagte Federer, der 2016 oft schmerzgeplagt war und zuletzt auch die French Open wegen Rückenproblemen verpasst hatte. Stuttgart war froh, ihn immerhin bis zum Samstag präsentieren zu können.

Roger Federer arbeitet sich langsam an seine alte Form heran. Nach dem Aus in Stuttgart sagt er: "Nur durch Matches erfahre ich, wie viel noch fehlt." (Foto: Marijan Muratdpa)

"Die Profis denken in Swings", weiß Chef-Stratege Weindorfer, "für sie gibt es den Sandplatz-Swing, den Gras-Swing, den US-Swing und so weiter." Weil die Rasenturnier-Serie die kürzeste ist mit gerade drei Wochen, ehe Wimbledon ansteht, ist Stuttgart seit vergangenem Jahr eine weitere Option für die Profis, sich nach der Sandplatzsaison auf den neuen Belag einzustimmen und für das bedeutsamste Tennisevent in Form zu spielen. Dass Weindorfer mit Wimbledon kooperiert und etwa den gleichen Rasensamen wie im All England Lawn Tennis and Croquet Club verwendet, ist noch so ein Pluspunkt, der den ausgebufftesten Turnierveranstalter von allen, den Rumänen Ion Tiriac, in Stuttgart zu einem Lob verleitete: "Der Wechsel des Belags wurde intelligent gemacht." Obwohl Stuttgart als 250er Event zur kleinsten ATP-Kategorie zählt, mache es das beste aus seinem Los - "es wird nie ein Roland Garros oder eine andere große Veranstaltung werden", sagte Tiriac bei einem Interview im SWR-Fernsehen, "aber es macht etwas kleines Großes mit viel Qualität".

So muss Stuttgart nicht nur mit Antrittsprämien locken, sondern bietet nun einen authentischen sportlichen Nutzen; selbst Spieler, die ausscheiden, trainieren noch weiter auf der Anlage. 2015 nahm Rafael Nadal teil, der 14-malige Grand-Slam-Sieger triumphierte prompt. Federer hatte damals im TV einen ersten Eindruck von den akkurat getrimmten Rasenplätzen gewonnen und dachte sofort: "Das muss ich ausnutzen, dass es dieses Turnier gibt." Dass der Titelsponsor des Mercedes-Cup einer von Federers Unterstützern ist, hat geholfen. Weindorfer weiß, dass gerade 250er Events nur große Namen holen können, "wenn man Synergien schafft".

Einen zweiten Coup versucht Weindorfer nicht öffentlich auszukosten, aber natürlich weiß auch er, dass die inoffizielle "Road to Wimbledon" aus deutscher Turniersicht nicht mehr in Halle beginnt, wo Federer lebenslang zugesagt hat und eine Straße nach dem Schweizer benannt ist. "Ich habe mit Ralf Weber ein gutes Verhältnis", versichert Weindorfer, er habe den Turnierdirektor-Kollegen in Westfalen im vergangenen Herbst daher vorab informiert, dass auch er Federer zumindest für zwei Jahre verpflichten konnte. "Wir profitieren voneinander, wenn wir Aufmerksamkeiten schaffen", findet Weindorfer. Jetzt hat er als erster die Schlagzeilen; bemerkenswert ist etwa, dass zwölf Profis, die in Stuttgart im Hauptfeld standen, auch in Halle, nun ein 500er Turnier, in der ersten Runde sind. Die Wiederbelebung seines Turniers, das mit dem alten Termin im Juli (nach Wimbledon) zusätzlich an Attraktivität verloren hatte, stimuliert Weindorfer, schon an den nächsten Namen zu denken. "Ich gehe davon aus, dass Djokovic in den nächsten fünf Jahre hier mal spielen wird", meinte er, grenzte aber ein: Stars bekommt er nur einzeln und nicht alle auf einmal.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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