Anti-Doping-Gesetz:Angst um die Tasche

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Robert Harting hat Angst, der Sport mosert: Die Besitzstrafbarkeit steht im Fokus der Anti-Doping-Debatte im Bundestag.

Von Johannes Aumüller, Berlin

Über den Kühlschrank von Robert Harting sind keine Details bekannt geworden. Immerhin aber über seine Sporttasche. Sie ist einen Meter lang, hat Seitentaschen und steht bei Wettkämpfen meist unbeaufsichtigt herum. Noch selten dürften in einer Anhörung des Sportausschusses im Bundestag so oft die Wörter Tasche und Kühlschrank gefallen sein wie am Mittwoch, als es dort eine öffentliche Anhörung zum Anti-Doping-Gesetz gab. Aber immerhin illustrierten beide Gegenstände anschaulich die Frage: Was passiert, falls künftig die sogenannte uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit gilt und bei einem Athleten in Tasche oder Kühlschrank auch nur eine verbotene Pille gefunden wird?

Uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit - das ist eine sperrige Konstruktion. Aber sie dürfte in der Debatte um das Gesetz, das dopenden Sportlern mit bis zu drei Jahren Gefängnis droht, das zentrale Thema werden. Denn in der Anhörung gab es zwar viel Kritik durch die Experten, und aus den Kreisen der Koalition ist zu hören, dass etwa bezüglich Datenschutz oder Stellung der Nationalen-Anti-Doping-Agentur (Nada) noch einmal neue Formulierungen zu erwarten sind. Aber die Besitzstrafbarkeit ist neben dem Selbst-Doping eines der wichtigsten Elemente des Gesetzes.

Manche Athleten und der DOSB sind dagegen

Manche Athleten wie der Diskuswurf-Olympiasieger Harting, 30, haben damit ein Problem. "Ich bin heute hier, weil ich Angst habe", sagt er. Davor, dass er künftig verfolgt werde, sollte ihm zum Beispiel ein Konkurrent eine Substanz unterjubeln. Bald darauf wirkt Harting im Sportausschuss aber, als sei ihm ein Kühlschrank auf den Fuß gefallen. Da erläutern ihm die Juristen, dass er eher weniger Angst vor den Folgen eines Komplottes haben müsse, weil das Strafrecht Zweifel viel stärker berücksichtige als das Sportrecht, das den Besitz kleinster Dopingmengen im Wettkampfumfeld schon heute untersagt.

Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) kämpft gegen die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit. Jahrelang hatte er ein Anti-Doping-Gesetz verhindert. Das geht nun nicht mehr, zu geschlossen steht die Politik. Also ist die DOSB-Haltung: Wir sind auch für das Anti-Doping-Gesetz, nur sind wir gegen Selbst-Doping und die Besitzstrafbarkeit, also die größten Brocken. Das ist ungefähr so, wie wenn ein Tourist sagt: Ich finde Nordamerika toll. Außer Kanada und den USA.

Entsprechend verläuft auch der Auftritt von DOSB-Vorstandschef Michael Vesper. Als er sein Statement beginnt, merkt er selbstbewusst an: "Solche Bedenken sind dem Sport erlaubt und sie sind auch ernst zu nehmen." Als er ausführt, das Gesetz sei nur Symbolik, kontert der Marburger Kriminologe Dieter Rössner, es sei weit mehr als. Und als Vesper erklärt, dass gemäß der aktuellen sportrechtlichen Lage doch quasi eine uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit gelte, hält ihm selbst der getreue CDU-Abgeordnete Eberhard Gienger, früher Turner und Vize-Präsident des DOSB, irritiert entgegen: "Und wo ist dann das Problem?"

Ja, wo ist das Problem? Vesper befürchtet ein Auseinanderdriften zwischen Sport- und Strafrecht. Dass es also in dem einen Strang eine Sperre gibt und in dem anderen einen Freispruch, das sei der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln. Aber Dieter Maihold, Richter am Bundesgerichtshof, verweist darauf, dass unterschiedliche Urteile in Zivil- und Strafrecht in vielen Bereichen normal seien, etwa im Verkehrsrecht: "Damit wird unsere Gesellschaft sonst fertig, das wird sie auch hier."

Vesper hat dennoch einigen Grund, zufrieden zu sein. Der DOSB steht mit seinen Zweifeln an der uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit nicht mehr alleine. Nicht nur die Athleten lehnen sie ab, auch Experten wie Rössner, wenn auch aus rechtssystematischen Gründen. Und dazu äußern in der Union manche wieder Zweifel.

Für viele Dopingbekämpfer ist die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit elementar. Zwar steht im Nada-Code, dass Sportler im Wettkampfumfeld keine verbotenen Mittel oder Methoden besitzen dürfen. Aber solange der Athlet seine Epo-Spritze nicht gerade live in die Fernsehkameras hält, kann ihm nichts passieren. Es gibt halt niemanden im Sport, der befugt ist, Sporttasche oder Kühlschrank zu kontrollieren. Das könnten nur staatliche Ermittler. Strafrechtlich wiederum ist bisher nur der Besitz "nicht geringer Mengen" relevant. Das klingt gut, entlarvt sich aber bei einem Blick auf die Liste mit den konkreten Definitionen als schwierig. Da heißt es zum Beispiel, dass der Besitz von bis zu 24 000 Einheiten des Blutdopingklassikers Epo nicht strafbar sei - umgewandelt in die gängigen Mirko-Dosierungen entspricht das also vier bis fünf Dutzend Ladungen Epo.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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