Allstar-Spiel der Bundesliga:Der Arzt wirft die Siebenmeter

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Bei ihrem ersten Auftritt nach der EM werden die Europameister in Nürnberg groß gefeiert - die Handballer wollen die Euphorie nutzen, die sich durch den Titelgewinn ergeben hat.

Von Joachim Mölter, Nürnberg

Dreimal tutete ein Schiffshorn, es kündigte etwas Großes an, was da gleich aus dem künstlichen Nebel auftauchen würde. Es folgten Trommelwirbel und Paukenschläge, und dann kamen sie tatsächlich durch einen aufblasbaren Plastikbogen - die neuen Handball-Europameister. Vorneweg ging Kapitän Carsten Lichtlein mit der goldenen Schale, ihm hinterher die Mannschaft, begleitet wurden sie vom ohrenbetäubenden Klatschpappen-Applaus der 7622 stehenden Zuschauer in der ausverkauften Nürnberger Arena und dem Neunzigerjahre-Hit "Bad boys" der jamaikanischen Reggaeband Inner Circle.

Als "Bad boys" hatte die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) ja firmiert bei der Europameisterschaft in Polen, bei der sie vor einer Woche in Krakau den Goldschatz erbeutet hatte, nach dem 24:17 im Finale gegen Spanien. Am Freitagabend spielten die Europameister zum ersten Mal wieder zusammen nach ihrem Triumph - und vermutlich auch zum letzten Mal. Der Rechtsaußen und nervenstarke Siebenmeterschütze Tobias Reichmann fehlte schon, er war bereits wieder bei seinem Verein KS Vive Kielce in Polen. Und künftig werden wohl einige der vielen Verletzten ins Team zurückdrängen, die beim Turnier in Polen gefehlt hatten.

Allerlei Kunststückchen - und keine Verteidigung

Diejenigen, die in Polen mitgeholfen hatten, dem DHB den zweiten EM-Titel nach 2004 zu bescheren, durften aber noch einmal schaulaufen beim traditionellen Allstar-Spiel der Handball-Bundesliga (HBL) gegen eine Auswahl internationaler Spitzenkräfte der Liga. Beim Duell zwischen In- und Ausländern geht es für gewöhnlich ums Prestige, diesmal ging es nur um Spaß, keiner wollte dem anderen weh tun, auf beiden Seiten unterhielten die Akteure ihr begeistertes Publikum mit allerlei Kunststückchen: Verteidigt wurde gar nicht, dafür wurden beim Gegenstoß Pirouetten gedreht, ehe der Ball aufs Tor geworfen wurde; es gab doppelte Kempa-Tricks, jede Menge Effetwürfe, mitunter auch spektakuläre Paraden der Keeper.

Der deutsche Torhüter Andreas Wolff, der bei der EM so überragend gehalten hatte, durfte sogar einmal einen Freiwurf ausführen - und erfuhr dabei am eigenen Leib, wie man sich fühlt, wenn der Ball abgewehrt wird. Selbst der deutsche Teamarzt Kurt Steuer durfte eingreifen, als Torhüter im Wolff-Kostüm sowie als Siebenmeterschütze - mit so vielen Versuchen, bis er den Ball endlich am Torwart Jannick Green, dem Dänen vom SC Magdeburg, vorbeigebracht hatte.

Das Ergebnis war jedenfalls Nebensache (36:36), für die DHB-Auswahlspieler war es in erster Linie ein lockeres Auslaufen nach all den Feiern, die der EM-Erfolg nach sich gezogen hatte: eine durchgemachte Nacht in Krakau, eine Willkommensfeier mit 10.000 Fans am Montag in Berlin, Einladungen ins öffentliche wie ins private Fernsehen, Einträge in alle möglichen goldenen Bücher aller möglichen Heimatstädte. Man fragte sich, wo der Rückraumspieler Steffen Fäth in all dem Trubel Zeit gefunden hatte, zum Friseur zu gehen.

Erst zum Ball des Sports, dann ins Sportstudio

Nach dem Abpfiff aber hatten die Spieler noch immer keine richtige Ruhe: Von Nürnberg aus fuhr die Mannschaft am Samstag weiter nach Wiesbaden, zum Ball des Sports; gemeinsam mit Frauen, Freundinnen, Lebensgefährtinnen brachten sie dort die nächste Feierstunde hinter sich. Am späteren Abend ging es dann noch ins "Aktuelle Sportstudio" des ZDF, auf der gegenüberliegenden Rheinseite, in Mainz. Nach dem letzten gemeinsamen Wochenende hat die meisten dann am kommenden Dienstag der Alltag wieder - die Bundesliga-Rückrunde beginnt. Nur für Nationaltorhüter Andreas Wolff gehen die öffentlichen Auftritte ein wenig weiter: Der 24-Jährige zieht am Mittwoch im Anschluss an das Spiel des Rekordsiegers Bayern München beim Zweitligisten VfL Bochum in der ARD die Lose für das Halbfinale des DFB-Pokals. "Handball und Handballer sind nicht immer in aller Munde", sagte Uwe Schwenker, der Präsident der Handball-Bundesliga (HBL): "Die Situation müssen wir ausnutzen."

Schon beim Vorspiel des Allstar-Games zwischen der B-Nationalmannschaft und dem Zweitligisten HC Erlangen (30:30) waren die Tribünen fast voll besetzt - hätte ja sein können, dass man da einen künftigen Nationalspieler zu sehen bekommt: Im vorigen Jahr waren bei der gleichen Gelegenheit Fabian Wiede, 21, und Jannik Kohlbacher, 20, beim Nachwuchsteam des DHB dabei gewesen - zwei Akteure, die nun als Europameister mit dem A-Team zurückgekommen waren.

Das Interesse an den Handball-Helden war so groß in der Bundesliga-Diaspora Nürnberg, dass bei einer angekündigten Autogrammstunde zwei Stunden vor Spielbeginn die Türen des Restaurants geschlossen werden und etliche junge Fans enttäuscht draußen bleiben mussten, weil der Andrang so stark war - obwohl da nur die Akteure der internationalen Auswahl ihre Namen auf alles schrieben, was ihnen entgegengehalten wurde.

© SZ vom 07.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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