Achtelfinale:Kopf gegen die Tür

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French-Open-Sieger Rafael Nadal verliert 13:15 im fünften Satz. Auch Alexander Zverev, Deutschlands Nummer eins, hadert mit seiner Niederlage.

Von Matthias Schmid, London

Der Arbeitstag von Rafael Nadal hatte schon mit einem Missgeschick begonnen. Auf dem Weg zu Court Eins lief er in den Katakomben des zweitgrößten Platzes in Wimbledon ein, zwei Schritte hinter seinem Gegner Gilles Muller. Zappelig wie immer, der Spanier ist ja bekannt dafür, dass er keine zwei Minuten still sitzen kann. Immer ist er in Bewegung, immer hüpft und zupft er. Doch diesmal übersah er den Türrahmen, durch den er gerade ging, also schlug er sich seinen Kopf an dem Holz an, als er beidbeinig absprang. Richtig weh tat es nicht, aber der überraschende Aufschlag hatte dann auch Muller aufgeschreckt, er drehte sich um und lachte. Auch Nadal lachte.

"Keine Lust mehr zu lernen" - Zverev wollte jetzt "mal gewinnen"

Eine kleine Beule wird der zehnmalige French-Open-Sieger bestimmt davontragen, die überraschende Niederlage im Achtelfinale von Wimbledon wird ihn wohl noch länger quälen. Nadal, 31, verlor gegen den drei Jahre älteren Muller mit 3:6, 4:6, 6:3, 6:4, 13:15 (!). Es war ein hinreißend verrücktes Match am sogenannten "Manic Monday", für den immer alle Achtelfinalpartien der Frauen und Männer angesetzt werden. Vier Stunden und 48 Minuten musste Muller warten, bis die letzte Vorhand von Nadal ins Aus geflogen war. Erst seinen fünften Matchball konnte er verwandeln. "Ich kann noch gar nicht realisieren, was mir gerade gelungen ist", bekannte der Luxemburger: "Es ist aber ein großartiges Gefühl." Am Mittwoch wird er im zweiten Major-Viertelfinale seiner Karriere Marin Cilic gegenüberstehen. Muller spielt in einem Alter, an dem andere Profis ans Aufhören denken, sein bestes Tennis. Vor Wimbledon hatte er das Vorbereitungsturnier in 's-Hertogenbosch gewonnen, Gras kommt seinem unerschrockenen Spiel entgegen, am liebsten rennt er nach dem Aufschlag nach vorne ans Netz. Auch Nadal trieb er mit seinem Serve-and-Volleyspiel zunächst in die Resignation, ehe der Spanier aufholte - und am Ende doch noch das Nachsehen hatte.

Alexander Zverev begegnete seiner Fünfsatzniederlage ähnlich finster wie Nadal. Der Hamburger kam verspätet in den großen Konferenzraum. Er schaute drein, als habe er gerade einen Liter Lebertran trinken müssen. "Frustrierend" sei das alles, gab der 20-Jährige zu. Er hatte zuvor seine Achtelfinalpartie gegen denn Vorjahresfinalisten Milos Raonic verloren und ein Viertelfinalduell gegen Roger Federer verpasst. 6:4, 5:7, 6:4, 5:7 und 1:6 lautete das nackte Resultat. Nach drei Stunden und 23 Minuten. Es war eine Partie der vergebenen Möglichkeiten. Nur drei von 17 Breakbällen hatte Zverev verwandeln können. Auch im zweiten Satz lag er mit einem Break vorne. "Ich habe so viele Chancen gehabt, das Spiel zu gewinnen", haderte Zverev. Er wollte deshalb auch nicht mehr hören, dass er ja noch so jung sei und gerade erst das erste Achtelfinale hinter sich habe. "Irgendwann habe ich keine Lust mehr zu lernen", fügte er hinzu: "Ich will endlich solche Spiele gewinnen."

Dass er alles dazu mitbringt, hat auch die Partie gegen Raonic gezeigt; der Kanadier ist ein Spieler mit imposanten Aufschlägen, er spielte sie nicht nur wuchtig mit mehr als 220 Stundenkilometern ins Feld, sondern vermag sie auch noch gut zu platzieren. Trotzdem gelang es Zverev, sie gut zu lesen. Er hatte im ersten Satz die Aufschlagspiele seines Gegners fast so einfach gewonnen wie seine eigenen. Aber freuen konnte er sich darüber nicht. Die Saison sei noch nicht beendet, fügte er hinzu, er habe noch große Ziele, etwa sich für das Masters der besten Acht der Tour zu qualifizieren. Das musste er in diesem Moment betonen, weil man den Eindruck bekommen konnte, dass er keine Lust mehr habe auf die nächsten Turniere.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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