Abstiegsduell in Frankfurt:Die Hoffnung geht an Krücken

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Ein Bild, das alles sagt: Hoffenheims Torschütze Mark Uth, Frankfurts Torwart Lukas Hradecky. (Foto: Voelker Eibner/imago)

Nach dem 0:2 gegen Hoffenheim verbreitet sich beim Tabellenvorletzten Frankfurt düstere Stimmung. Wütende Fans veranstalten mal wieder ein Kurvengericht - und ob Torjäger Meier noch helfen kann, ist ungewiss.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Der Boss gibt vor dem Anpfiff das Motto vor, und das bedeutet in diesem Fall nichts Gutes. In den Stadien dieser Republik ertönt vor Fußballspielen ja eine vielfältige musikalische Mischung - Bruce Springsteen gehört eher selten dazu. Aber als sich Eintracht Frankfurt auf das Abstiegsduell gegen die TSG Hoffenheim vorbereitet, kommt aus den Lautsprechern mal wieder "Glory Days", diese Hymne des US-Sängers auf die guten alten Tage. Ja, die Eintracht hat unwahrscheinlich viele "Glory Days" erlebt: mit Körbel, Bein, Hölzenbein - und natürlich 1959, als Frankfurt tatsächlich Meister wurde. Vor ein paar Jahren gab es noch Auftritte im Europapokal. Aber es ist halt eine Krux: Wer von "Glory Days" redet, der durchlebt aktuell meist Tage, die alles andere als glorreich sind. Und die Eintracht könnten diese Tage zum fünften Mal in der Vereinshistorie geradewegs in die zweite Liga führen.

Noch sind fünf Partien zu absolvieren. Aber als zwei Stunden nach dem Ertönen des Springsteen-Liedes das Spiel nach Toren von Nadiem Amiri (62.) und Mark Uth (90.) 0:2 endet, greift rund um den Tabellensiebzehnten eine sehr niedergeschlagene Stimmung um sich. Ein Teil des harten Fanblocks zwingt die Spieler via Pfeifkonzert zu einem jener Kurvengerichte, die im Fußball derzeit so um sich greifen und gegen die von den Klubs kaum etwas unternommen wird: Ein paar Fans klettern über den Zaun, schreien die Spieler an, Schlimmeres passiert nicht. Mittelfeldmann Stefan Aigner blafft gegenüber Journalisten auf Fragen zur Gesamtsituation immerhin kreativ zurück: "Was soll ich machen? Soll ich schon in den Urlaub fahren?"

Ganz in der Nähe steht der zum Saisonende scheidende Vorstandschef Heribert Bruchhagen, der im vergangenen Jahrzehnt auch schon zwei Abstiege miterlebt hat: "Das ist eine schwere Stunde", sagt er, "die Situation ist sehr prekär. Wir können alle die Tabelle lesen und wissen, wie schwer es ist." Trainer Niko Kovac verbreitet noch den optimistischsten Eindruck, aber müsste er pro Phrase und klassischer Durchhalteparole die plauderrundenüblichen drei Euro zahlen, wäre genügend Geld für eine Karte fürs nächste Springsteen-Konzert zusammengekommen.

Sie wirken bei der Eintracht gerade alle ziemlich ratlos. Die Verantwortlichen des Klubs haben viel von dem getan, was abstiegsbedrohte Mannschaften üblicherweise tun. Sie holten im Winter fast ein halbes Dutzend neuer Spieler, sie ersetzten vor einem knappen Monat Trainer Armin Veh durch Kovac - aber die tabellarische Lage verschlimmerte sich seitdem nur.

Vom Auftreten her zeigt sich die Mannschaft zwar verbessert, auch gegen Hoffenheim dominierte sie zunächst und hatte sowohl mehr als auch bessere Torchancen als der Gegner. Aber sie schoss wieder kein Tor, und damit kommt der Klub um zwei ernüchternde Statistiken nicht herum: nur ein Sieg in den vergangenen elf, nur zwei Tore in den vergangenen acht Spielen.

So stabil zeigt der Trend bei keinem anderen Konkurrenten in Richtung Keller. Und weil sie bei der Eintracht nicht nur die Tabelle, sondern auch das Restprogramm lesen können, das in den nächsten Wochen Leverkusen, die Derbys gegen Darmstadt und Mainz sowie Dortmund vorsieht, gilt derzeit bestenfalls folgendes Szenario als zulässig: ein großes Abstiegsfinale gegen Bremen am 34. Spieltag um Platz 16. Wer Trainer Kovac zuhört, kann leicht auf den Gedanken kommen, als empfände der Kroate bereits die Teilnahme an den Relegationsspielen als etwas Erfüllendes.

Ein Abstieg der Eintracht wäre kein untypisches Beispiel dafür, wie mancher Verantwortliche einem Traditionsverein schaden kann, weil er sich viel zu schnell auf dem Weg zurück in die "Glory Days" wähnt. Am Anfang der Saison begannen Teile der Vereinsführung, die nicht zufällig Heribert Bruchhagen heißen, tatsächlich vom Europapokal zu träumen. Wer sich den Kader anschaute, konnte schon damals Zweifel bekommen, und mit nahezu jedem Spieltag bestätigte sich das. Aber wer mal von Europa träumt, der findet sich nur schwer damit ab, dass es nur um den Klassenverbleib geht.

Zwar rühmen jetzt alle den Willen, den die Mannschaft gezeigt habe. Aber ansonsten bleibt der Eintracht kaum noch etwas, das Hoffnung macht - und es ist bezeichnend, woraus dieses Wenige konkret besteht. Es ist zum einen das Räsonieren darüber, dass "das Spielglück" irgendwann wieder zurückkommt - und zum anderen ein 1,96 Meter großer Herr namens Alex Meier. Diesen Meier feiern sie in Frankfurt fast seit 1959 als Fußballgott, er hat seitdem in zig wichtigen Momenten die notwendigen Treffer erzielt. In der vergangenen Saison schwang er sich sogar zum Torschützenkönig der Bundesliga auf.

Aber Alex Meier geht nach einer Knie-Operation immer noch an Krücken. Es ist ungewiss, ob er seiner Mannschaft in dieser Saison noch einmal helfen kann.

© SZ vom 11.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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