Abschied von der Strecke?:Rennfahrer auf Abwegen

Lesezeit: 3 min

Nur wenigen ehemaligen Formel-1-Weltmeistern ist der Abschied von der Rennstrecke wirklich geglückt.

René Hofmann

Jody Scheckter ist natürlich die beste Geschichte. Aber dazu später. Scheckter war Formel-1-Pilot, Ferrari-Fahrer, Weltmeister. 1979 war das. Jody Scheckter war der letzte Ferrari-Weltmeister vor Michael Schumacher.

So schnell wird er sich die Werbekappe nicht nehmen lassen: Michael Schumacher (Foto: Foto: AP)

Was das bedeute, Campione del Mondo zu sein mit der Scuderia, habe er erst nach einiger Zeit begriffen, hat Scheckter einmal zugegeben: Als er seine Kleider plötzlich schon nach zwei Tagen aus der Wäscherei bekam, statt wie vorher erst nach vieren.

Ein Jahr nach dem WM-Titel wurde Scheckter mit zwei Punkten Neunzehnter des Fahrerklassements, woraufhin er zurücktrat. Anschließend glückte ihm, was wenige Formel-1-Weltmeister hinbekommen: Er verschwand für viele Jahre aus der Öffentlichkeit.

An diesem Sonntag wird Michael Schumacher sein letztes Formel-1-Rennen bestreiten. Was das heißt, Campione mit der Scuderia zu sein, hat er schnell gelernt: Als er im Jahr 2000 den ersten Titel mit dem Team holte, rührte ein Bäcker am Firmensitz in Maranello rote Farbe in den Brotteig.

Bald neu: Autoersatzteile anpreisen

Was Schumacher in Zukunft tun wird, ist offen. Ganz bewusst hat er die Entscheidung auf die Zeit nach der Saison vertagt; er wollte sich aufs Finale konzentrieren. "Ich bin dann", hat er über die kommenden Monate gesagt, "erst mal arbeitslos."

Im Fernsehen und auf Plakatwänden wird er zu sehen bleiben, für Uhren, Benzin und Mineralwasser wird er weiter werben, Auto-Ersatzteile anzupreisen, kommt neu hinzu. Unesco-Sonderbotschafter und Ferrari-Repräsentant - inzwischen ist er selbst zu einer gefragten Marke geworden.

Wahrscheinlich gibt es rund um die Rennstrecken nur noch eine bekanntere Marke: Niki Lauda. Kein anderer Formel-1-Mime trieb den Personenkult ähnlich weit.

Lauda trat einmal lautstark ab ("Ich will nicht mehr länger im Kreis fahren"), kam dann mit einem Knall zurück, sprang dem Tod von der Schippe, empfing die Letzte Ölung, regte sich darüber auf, dass der Pfarrer bei der Gelegenheit kein einziges, ermutigendes Wort gefunden hatte, stieg wieder in den Rennwagen und jagte fröhlich weiter.

Auf der roten Kappe, die seine Brandwunden verdeckt, hat er später wie selbstverständlich einen Platz für Werbung verkauft. Erst an einen italienischen Lebensmittelkonzern, dann an einen deutschen Heizkessel-Hersteller.

Die Idee, dass das vielleicht ein wenig makaber wirken könnte, kam Lauda nie. Die Fluglinie, die er gründete, hieß selbstverständlich "Lauda Air", und als die von der österreichischen Staatsfluglinie geschluckt wurde, dauerte es nicht lange, bis neue Flugzeuge mit einer noch persönlicheren Aufforderung auftauchten: "Fly Niki!"

Von Lauda stammt der wohl schönste Satz, der je über das Berühmtsein gesagt wurde. "Ich habe sogar gelernt, Männern am Pissoir die Hand zu geben. Das macht man halt" Lauda ist nicht wie Scheckter: Abtauchen ist nicht sein Fall. Gleich für zwei TV-Sender gibt er den Formel-1-Experten: fürs deutsche RTL und für den österreichischen ORF. Immer auf Sendung sein - das ist sein Fall.

Was bleibt, ist immer noch der Tourenwagen

Wie schwer es ist, sich aus dem Rampenlicht zu verabschieden, zeigt das Beispiel Mika Häkkinnen. Nach drei Jahren Pause kehrte er zu den Tourenwagen zurück. Der Wettstreit, der Rhythmus der Rennen, die Herausforderung - das hatte ihm gefehlt.

Doch die Rückkehr klappt nicht immer. Erst ein DTM-Rennen hat der zweimalige Formel-1-Weltmeister gewonnen. Zuletzt in Barcelona ereilte ihn die Höchststrafe: Unterwegs im schnelleren Auto, kam er in einem Mittelfeld-Duell nicht vorbei an einem anderen ehemaligen Formel-1-Piloten, dem Franzosen Jean Alesi.

Als dem von der Box aus befohlen wurde, Häkkinen vorbeizulassen, trat er sofort auf die Bremse, was fast zur Kollision geführt hätte. Einen anderen auf Befehl überholen lassen zu müssen - das ist peinlich für ehemalige Formel-1-Größen. Womit man dem Geheimnis von Jody Scheckter näher kommt.

Rennstrecke oder Bio-Schweine

Alain Prost versuchte sich als Teamchef. Und ging pleite. Seine Lust auf Geschwindigkeit stillt er bei Eisrennen. Jackie Stewart stellte sich da geschickter an. Das Team, das er mit seinem Sohn gründete, verkaufte er an Ford.

Nelson Piquet und Keke Rosberg wurden Rennfahrerväter. Beide mühen sich gerade nach Kräften, die Karrieren ihrer Söhne Nelsinho und Nico anzuschieben. Jacques Villeneuve singt. Seine erste Single erschien im Sommer. Ihr Titel: "Accepterais-tu?" - "Lässt du dir das gefallen?"

Eddie Jordan, der es als Teamchef beinahe einmal zum Titel geschafft hat, tritt im britischen Fernsehen auf. Er zeigt auf Abwegen geratenen Jugendlichen, wie man Autos restauriert und nicht nur klaut. Vom durchtriebenen Teamboss zum guten Geist - ein erstaunlicher Wandel ist das, womit man schließlich auch bei Jody Scheckter ist.

Irgendwann spürte doch wieder jemand den Südafrikaner auf. In Laverstoke Park in Hampshire. Dort züchtete Scheckter Bio-Schweine. Die besten allerdings - wie es sich gehört für einen ehemaligen Weltmeister.

© SZ vom 20.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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