Abfahrt in Gröden:Fragen weglächeln und gewinnen

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Aksel Lund Svindal verpasste die vergangene Weltcup-Saison verletzungsbedingt - zwei Monate nach seiner Rückkehr dominiert der 32-Jährige schon wieder. Bei Mayers Sturz hilft der Airbag.

Von Johannes Knuth, Gröden

Die Saslong in Gröden ist nicht gerade eine furchteinflößende Abfahrt, auf den ersten Blick. Sie führt keine Hänge im Programm, die plötzlich ins Nichts kippen (vgl. Beaver Creek), sie ist weder exzessiv lang (Wengen) noch exzessiv vereist (Kitzbühel) oder mit Mythen und Geschichten aufgeblasen (Kitzbühel!). Auch der Glamour-Faktor (Kitzbühel!!) ist eher bescheiden. Gröden, so hat es den Anschein, bietet eine recht handelsübliche Weltcup-Piste. Aber manchmal liegt das Schwierige ja im Unscheinbaren.

Die Saslong führt unterhalb des Langkofel entlang, sie schlängelt sich in diesem Jahr wie eine weiße Schlange durch das ansonsten völlig von Schnee und Kälte verschonte Grödnertal. Der mächtige Langkofel wirft Schatten auf die rund drei Kilometer lange Piste. Diese Schatten verursachen eine Thermik, Winde blasen in den oberen, welligen Teil hinein, mal von vorne, mal von hinten, nie berechenbar. Die Saslong ist zudem gespickt mit fiesen Wellen und Kuppen, die markantesten sind die sogenannten Kamelbuckel, die die Fahrer aus ihrer Abfahrtshocke heben. Auf der Saslong kann man wenig Zeit gewinnen, dafür viel Zeit verlieren, und wer warum wie viele Zehntelsekunden verschenkt, ist nicht immer ganz leicht zu entschlüsseln.

"Fix ist hier nur eines", sagt der kampferprobte Hannes Reichelt aus Österreich: "Der Svindal fährt mir von oben bis unten davon."

"Das Geheimnis ist, dass es kein Geheimnis gibt"

Aksel Lund Svindal erlebt in diesen Tagen das, was das Sportjournalistendeutsch einen "Lauf" nennt. Am Freitag gewann der Norweger den Super-G vor seinen Teamkollegen Kjetil Jansrud und Alexander Aamodt Kilde. Am Samstag knüpfte Svindal an den Sieg vom Vortag einen Erfolg in der Abfahrt, diesmal vor Guillermo Fayed aus Frankreich (0,43 Sekunden zurück) und Jansrud (0,46). Dieses Double schaffte in Gröden davor noch niemand. Es war zudem Svindals 30. Sieg im Weltcup. Er war Ende Oktober nach einem mehrmonatigen Zwangs-Sabbatical in Folge eines Achillessehnenrisses in den Weltcup zurückgekehrt, die hohen Erwartungen, die man an ihn herantrug, lächelte er stets weg. Aber mittlerweile fährt der 32-Jährige schon wieder so gut, dass die Konkurrenz leise verzweifelt. "Das Geheimnis ist, dass es kein Geheimnis gibt", sagte Svindal in Gröden, "wir fahren einfach viel und gut Ski und haben Spaß dabei. Das muss man einfach genießen."

Svindal versprüht eine stille, angenehme Größe in diesen Tagen. Seine Knochen sind älter geworden, sein Appetit auf Erfolg dafür offenbar größer. Er ist sich seiner Erfahrung und seiner Rolle als Favorit bewusst, aber er sonnt sich nicht in ihr. Und man darf es ihm wohl als Absicht auslegen, dass er gerade häufig im Plural redet. Die Norweger Jansrud und Svindal thronen nicht nur an der Spitze des Weltcups; am Samstag nahm Svindal vorübergehend auch die Führung in der Gesamtwertung von Marcel Hirscher in Besitz. Sie ziehen in ihrem Schatten auch die anderen Norweger hoch, einen 23 Jahre alten Alex Kilde zum Beispiel, der am Freitag zum ersten Mal auf einem Weltcup-Podium hospitierte. Die Norweger vererben ihr Wissen bewusst an die nächste Generation, Svindal lernte einst von Lasse Kjus und Kjetil André Aamodt, Kilde und Henrik Kristoffersen lernen nun von Svindal, undsoweiter. "Wir fahren im Sommer sehr viel Ski, sehr viel zusammen", bestätigte Svindal, "wenn ich mir Alex anschaue, dann vielleicht zu viel..."

Neuer Airbag verhindert bei Mayers Sturz wohl Schlimmeres

Außer Jansrud gibt es derzeit aber niemanden, der Svindal beständig ärgern kann. Die Österreicher sind in ihrer Lieblingsdisziplin fürs Erste in die Außenseiterrolle gedrängt. Am Samstag verletzte sich auch noch Matthias Mayer; der Olympiasieger von 2014 krachte nach den Kamelbuckeln auf die Piste - und sorgte unfreiwillig für eine Premiere. Der neue Airbag, der sich noch in der Luft in Mayers Rennanzug aufblies, verhinderte vermutlich Schlimmeres. Mayer brach sich dennoch den sechsten siebten Brustwirbel, er wurde am Sonntagabend operiert und wird den Rest der Saison verpassen.

Svindal sah sich derweil schon wieder mit Fragen nach dem Gesamtweltcup konfrontiert. Am Sonntag startet er beim Riesenslalom im benachbarten Alta Badia, "ich stelle mich an die Startlinie, dann sehen wir weiter", sagte er und lächelte die Frage weg. So entspannt wie vor der Saison.

© SZ vom 20.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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