Janne Ahonen:"Ich war nie ein Überflieger"

Lesezeit: 4 min

Weltmeister Janne Ahonen aus Finnland über die Gunst des langsamen Aufstiegs und die Kunst, im Skispringen alt zu werden.

Thomas Hahn

Janne Ahonen, 29, aus Lahti in Finnland gilt als einer der besten Skispringer der Geschichte. Seit seinem Debüt 1992 in Ruhpolding (Platz 56) ist er 312 Mal im Weltcup gestartet, stand 96 Mal auf dem Podium und siegte 32 Mal. Viermal hat er die Vierschanzentournee gewonnen, zweimal den Gesamtweltcup, zweimal war er Einzel-Weltmeister. Zur Zeit ist er Weltcup-Elfter und tritt am Samstag in Sapporo als Titelverteidiger auf der Großschanze an.

Janne Ahonen: "Ich war nie ein Überflieger." (Foto: Foto:)

SZ: Herr Ahonen, erinnert Sie der 17-jährige Österreicher Gregor Schlierenzauer, der diese Saison als Weltcup-Zweiter und Wunderkind auffällt, an den Anfang Ihrer eigenen Karriere?

Ahonen: Schon, wobei ich sogar ein Jahr jünger war bei meiner ersten Vierschanzentournee als er.

SZ: Wie ist das, mit 15 in den Weltcup zu kommen?

Ahonen: Man hofft, dass die Karriere weitergeht, aber man kann es nicht wissen. Man ist so jung. Aus einem Jungen wird ein Mann, das kann Probleme bringen. Ich bin fast 20 Zentimeter größer als in meiner ersten Weltcup-Saison, ich wiege 15 bis 20 Kilo mehr, schätze ich. Und auch die Proportionen ändern sich: Damals hatte ich sehr lange Beine und einen kurzen Oberkörper. Heute ist mein Oberkörper länger. Damals war meine Stärke mein geringes Gewicht verbunden mit meiner Technik. Kraft hatte ich so gut wie keine verglichen mit den anderen, und mit dem, was ich jetzt habe.

SZ: Wie passt man den Sprungstil an diese körperlichen Veränderungen an?

Ahonen: Da muss man sehr vorsichtig sein. Die Länge ist bei mir in ungefähr einem Jahr gekommen, aber das ging überraschend gut. Die Herausforderung ist, dass man die Technik, die man gelernt hat, nicht ändert. Man sollte sie behalten, auch wenn der Körper sich ändert.

SZ: Und wenn der Sport sich ändert?

Ahonen: Die Regeländerungen waren sogar die Voraussetzungen dafür, dass meine Karriere so lange dauern konnte. Als ich 15 war, waren die Anzüge sehr groß und die Ski sehr lang, da konnte so ein kleines Leichtgewicht wie ich mithalten. Als ich gewachsen bin und kräftiger wurde, haben verschiedene Reformen den Sport so verändert, dass die Athletik betont wurde. Das kam mir entgegen. Mein Körper hat sich im richtigen Rhythmus mit den Regeln verändert.

SZ: Je aufs Gewicht geachtet?

Ahonen: Ich musste schon darüber nachdenken, weil ich einer der schwersten, wenn nicht sogar der schwerste Skispringer bin. Heutzutage müssen viele Springer daran arbeiten, dass sie das Gewicht halten, damit sie nicht untergewichtig sind. Bei mir ist es so: Egal wie ich daran arbeite, ich würde nie unter das Limitgewicht kommen, das der Weltskiverband Fis anhand des Body-Mass-Index' vorschreibt.

SZ: Haben Sie früher abnehmen müssen oder nicht?

Ahonen: Eigentlich ja, aber ich bin nie ins Extreme gegangen. Als ich die kleinsten Kilo-Zahlen hatte, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich bei voller Kraft bin.

SZ: Was macht eine gute Technik aus?

Ahonen: Dazu gehört viel Intuition. Eine gute Sprungtechnik soll auf jeden einzelnen Springer maßgeschneidert sein, weil jeder Körper anders ist. Wenn ich zum Beispiel mit der Technik springen würde, mit der Jakub Janda vergangene Saison erfolgreich war, würde ich nach 60 Metern auf dem Bauch landen.

SZ: Hatten Sie in Ihrer Jugend Angst, dass es Ihnen so ergehen könnte wie Ihrem Landsmann Toni Nieminen, der mit 16 alles gewann und dann nichts mehr?

Ahonen: Schon. Ich habe im Weltcup ein Jahr nach Toni Nieminen angefangen und beobachten können, wie seine Erfolge immer weniger wurden.

SZ: Das war erschreckend?

Ahonen: Verwirrend. 1992 war er ein Idol, auch für mich, und ein Jahr später bin ich schon besser gesprungen.

SZ: Was sagen Sie zu Schlierenzauers Aufstieg? Er ist leicht, er trägt nach der BMI-Regel kürzere Ski, ist das ein Trend zurück zum Leichtgewicht?

Ahonen: Ich weiß nicht. Zur Zeit hat er einfach eine verdammt gute Technik. Ich glaube eigentlich nicht an einen Trend, Schlierenzauer ist der einzige im Weltcup, der so leicht wie eine Feder ist.

SZ: Sie hatten mal eine Krise, bei der sie immer schräg absprangen.

Ahonen: Das war die schlimmste Krise meiner Karriere. Aber ich hatte Glück, die Ursache war rein körperlich, ich hatte eine schräge Haltung in der Hüfte. Als die Hüfte und der Rücken korrigiert wurden, war die Technik wieder da.

SZ: Was braucht man, um eine solche Krise zu überwinden?

Ahonen: Geduld. Selbstvertrauen. Gut war, dass meine Karriere nicht so steil bergauf gegangen ist wie zum Beispiel die eines Martin Schmitt, der fast aus dem Nichts nach oben kam und vielleicht den Erwartungen nicht gewachsen war.

SZ: Naja, Sie waren 1997 zum ersten Mal Weltmeister. Mit 19.

Ahonen: Das war aber auch der einzige Wettbewerb in dem Jahr, in dem ich sehr gut gesprungen bin. Ich war nie ein Überflieger. Ausgenommen 2004/05, als ich viele Wettbewerbe gewonnen habe (zwölf Weltcups plus WM-Gold, d. Red.).

SZ: Sie waren ein Zufallsweltmeister? Wie Rok Benkovic aus Slowenien, der 2005 Gold von der Normalschanze gewann und seitdem nichts mehr?

Ahonen: Beispiele von Zufallschampions gibt's schon. Die haben einfach im richtigen Moment den besten Wettbewerb ihres Lebens.

SZ: Wer ist denn dann der beste Skispringer der Welt?

Ahonen: Vielleicht gibt's den gar nicht. Sagen wir mal so: Die Weltcup-Gesamtwertung spiegelt die aktuelle Situation am besten wider. Skispringen ist ein Sport, in dem alles möglich ist; das Wetter spielt eine große Rolle. Mein Vorschlag: Der Weltmeister sollte wie in der Formel1 derjenige sein, der am Ende der Saison die meisten Punkte hat. Einen Weltcup kann jeder Springer mal gewinnen. Aber schon drei schafft nicht jeder.

© SZ vom 23.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: