2:2 nach 0:2:Helden einer Halbzeit

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Kopf an Kopf: Robert Lewandowski (li.) und Mario Mandzukic (re.) zeigen, dass es für ein intensives Fußballspiel nicht immer einen Ball braucht. (Foto: Massimo Pinca/AP)

Juventus Turin erkennt an seiner Aufholjagd, dass der FC Bayern nur mit Mut und Dynamik zu bändigen ist.

Von Birgit Schönau, Turin

Von wegen Zebras, hier waren Löwen am Werk. Allerdings nur für eine gute halbe Stunde, weswegen das schwarz-weiße Maskottchen von Juventus voraussichtlich bis zum Rückspiel genauso wenig ausgetauscht wird wie die Trikot-Farben. "Be Heroes" hatten die Tifosi im Juventus-Stadium gefleht, seid Helden im Spiel David gegen Goliath, setzt die Steinschleuder an gegen jene bayerischen Giganten, die südlich der Alpen auch ohne lange Kerls im Aufgebot spätestens nach dem 7:1 beim AS Rom vor anderthalb Jahren als Schreckgespenst gelten.

Helden, leichter gesagt als getan.

Die Kiesel der Italiener wurden vom Team des Alchimisten Pep Guardiola zermalmt, als wenn es Sandkörner gewesen wären, von Minute zu Minute wirkte Juve ratloser, fragiler, schließlich geradezu Mitleid erregend zerrupft, verhöhnt sogar von den Parvenüs von Darmstadt 98, die nach dem 1:0 von Thomas Müller per Twitter verbreiteten: "Um diese Zeit haben wir schon gegen den FC Bayern geführt."

Nun ist deutscher Humor ähnlich weltberühmt wie italienischer Offensivfußball, aber peinlich war es schon, dass Arjen Robben kurz danach dem Monument Gigi Buffon ein Tor reingeben konnte, das man von ihm ungefähr schon hundert Mal gesehen hatte. Nur Andrea Barzagli hatte es noch nie zuvor gesehen.

"Es war ein Test, um zu sehen, ob wir mit einer der europäischen Spitzenmannschaften mithalten können, und wir waren dabei, rauschend durchzufallen", erklärte später Massimiliano Allegri gewohnt abgeklärt. In Wirklichkeit war neben dem italienischen Weltmeister Barzagli, dessen Abpraller Müller gnadenlos zum Torschuss genutzt hatte, auch der deutsche Weltmeister Sami Khedira bereits mit Pauken und Trompeten durchgefallen, in seinem Bemühen, das Tempo in einem Spiel zu drosseln, das die Bayern quasi allein bestritten. Doch Khedira wirkte allenfalls hölzern, wie festgenagelt auf seiner Position, kein Zentrum der Ruhe, sondern der Resignation. Es muss als Zeichen der Wertschätzung betrachtet werden, dass Allegri ihn erst in der 69. Minute im Tausch gegen Stefano Sturaro auswechselte, nachdem er für den verletzten Claudio Marchisio bereits den Brasilianer Hernanes gebracht hatte.

"Ihr Italiener redet immer von der körperlichen Verfassung", tönte Goliath Guardiola: "Mir ist das scheißegal." Auf Italienisch hörte sich das noch etwas vulgärer an, aber ernst gemeint war es wohl trotzdem nicht. Den Rhythmus der ersten 60 Minuten muss man erst mal mithalten können, als alte Dame.

Sein Improvisationstalent hatte Allegri oft gerettet, vor den Bayern verspürte der Juve-Coach offenbar zu großen Respekt, um ganz darauf zu vertrauen. "Wir hätten mehr Selbstbewusstsein zeigen sollen", sagte er später, eine kaum getarnte Selbstanklage. Hernanes, Sturaro und der kämpferische Kroate Mario Mandzukic brachten endlich die nötige Energie in ein Spiel, das Juventus schon abgeschrieben zu haben schien. Und die beiden Tore von Paulo Dybala und Sturaro retteten nicht nur die Heimbilanz und die Unversehrtheit zumindest des Talismans Khedira, in dessen Gegenwart Juve bislang noch nie verloren hat. Das Unentschieden verspricht auch eine winzige Chance für das Rückspiel. "Wir können es schaffen", glaubt Dybala; der sonst so coole Allegri stellte nächtens noch den Hashtag "Ich glaube daran" ins Netz.

In München wollen die Helden einer Halbzeit also frei nach David Bowie Helden für eine Nacht sein. Drei Wochen sind es bis dahin, die Allegri nutzen wird, um sein Team mutiger, vor allem aber dynamischer zu machen. Dass die in Italien durchaus erfolgreiche Passiv-Strategie des Lauerns und Zermürbens gegen die Bayern nicht anschlägt, hätte man in Turin eigentlich wissen können. So bleibt wenig mehr als die Ehrenrettung.

© SZ vom 25.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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