0:0 in Leverkusen:Plötzlich mausgrau

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Mehrmals wurden aus den Pässen des Leverkuseners Kevin Volland (vorne) Torchancen, doch erfolgreich war davon keine. (Foto: Marius Becker/dpa)

Bayer Leverkusen war bis Februar die spektakulärste Mannschaft der Bundesliga - lang scheint es her zu sein. Das 0:0 gegen den FC Augsburg bestätigt einen alarmierenden Abwärtstrend.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Am Ende bekam das Gefecht noch einen Hauch von Mittelalter. Stefan Kießling wurde spät bei Leverkusen eingewechselt, bei jedem seiner Schritte glaubt man inzwischen eine knarzende Rüstung zu hören, die der 34-Jährige nach 401 Liga-Spielen zu tragen scheint. Er gehört längst nicht mehr zu den schnellen Spielern der Liga. Aber er soll ja auch nicht laufen. Wie immer flog der Stürmer hingebungsvoll allen Bällen hinterher, streckte sich, nervte die Gegenspieler, klammerte sie, zwang sogar Augsburgs Torwart Marwin Hitz zu einer riskanten Faustabwehr und einer theatralischen Einlage. Aber auch dem bewährten Ritter Kießling war es nicht vergönnt, eine würdige Pointe zu setzen: Er konnte nicht verhindern, dass der Nachmittag ebenso frustrierend endete, wie er für Leverkusen verlaufen war. Das 0:0 gegen den FC Augsburg konnte die Schmach vom 0:2 in Köln am vergangenen Spieltag nicht tilgen, die Nullnummer lässt den Werksklub aus den Champions-League-Rängen purzeln, und alarmierender noch: Die Formkurve bei Bayer 04 zeigt - im Gegensatz zu Konkurrenten wie Leipzig oder Hoffenheim - nicht nach oben.

Heiko Herrlich fasste den Rückschlag bündig zusammen: "Das fühlt sich eher wie eine Niederlage an." Und Mittelfeldspieler Julian Brandt resümierte: "Ärgerlich. Da muss man schon ein bisschen schlucken."

Winterwunderkind Bailey unterlaufen groteske Fehler

Gerade gegen unbequeme Mannschaften wie Augsburg ist es wichtig, genau zu agieren, damit die kleinen Dinge funktionieren, die das Spiel beschleunigen und einen dicht gestaffelten Gegner aushebeln. Aber der Leverkusener Aufbau, der den Werksklub über weite Strecken der Saison zum Verein mit den attraktivsten Partien der Liga werden ließ, geriet regelmäßig ins Stocken - und die beiden Spieler mit den meisten Freiheiten agierten gelinde gesagt unglücklich: Julian Brandt, oft eng verfolgt von Martin Hinteregger, konnte sich kaum in Szene setzen. Und auf links unterliefen Leon Bailey, Bayers 20-jährigem Winterwunderknaben, zum Teil groteske fußwerkliche Fehler: Flanken in die Ehrenloge, Schüsse in die dritte Etage, schlampige Abspiele, Ballverluste sowie Dribblings, bei denen er sich selbst Knoten in die Beine drehte.

Kein Wunder also, dass der Jamaikaner an der einzigen echten Torchance vor der Pause nicht beteiligt war: Nach einem ausnahmsweise flotten und genauen Bayer-Angriff über die linke Seite klärte Hinteregger unzureichend in die Mitte, doch Aránguiz' Schuss von der Strafraumkante landete in der 15. Minute knapp neben dem Augsburger Tor.

Nach der Pause wurde das Spiel ein paar Minuten lang offener, da auch die Gäste erkennen ließen, dass sie mit offensiven Spielern angetreten waren. Die einzige klare Gelegenheit bot sich freilich Defensivmann Hinteregger (50.). Dann aber erschraken die weit aufgerückten Gäste, weil sie Kevin Volland einen Alleingang über den halben Platz gestatteten - sie konnten von Glück sagen, dass der Stürmer am Ende des Weges so müde war, dass der omnipräsente Hinteregger den Leverkusener im Strafraum entscheidend stören konnte (57.).

Brandts Treffer wird zu Recht annulliert

Und was war mit Brandt und Bailey? Sie übernahmen nach diesem Intermezzo wieder die Hauptrollen, wenn auch ohne Fortune. In der 64. Minute ließ Brandt am Strafraum einen Gegner ins Leere rutschen, dann schloss er hart und flach ins entfernte Eck ab. Doch auch wenn der Jubel laut war, fiel sofort ins Auge, dass Bailey beim Schuss sehr nah vor dem Tor gestanden hatte. Und noch während man sich fragte, ob er - leicht im Abseits stehend - den Torwart behindert hatte, lieferte die Zeitlupe das entscheidende Detail, das zur Annullierung des vermeintlichen Tors durch Schiedsrichter Willenborg führte: Bailey hatte den Ball tatsächlich minimal mit der Hacke berührt.

Danach folgte Kießlings Auftritt, aber nichts Zählbares - so wie zuletzt immer häufiger bei Bayer 04: In den ersten 20 Saisonspielen hatte Leverkusen immer getroffen, in den vergangenen acht Partien hingegen blieb das Team fünfmal ohne eigenes Tor. Diese Torflaute hat viel mit Bailey und Brandt zu tun und könnte den Klub die hochgesteckten Ziele kosten.

Und Augsburg? Verlor noch vor der Pause Kapitän Daniel Baier. "Er hat einen Ball ins Gesicht bekommen und konnte nicht mehr gut sehen", sagte Manuel Baum. Es sei "nichts Schlimmes". Augsburg hat zwar aus den vergangenen sieben Liga-Spielen nur fünf Punkte geholt, die Elf erfreute am Samstag ihren Trainer trotzdem: "Es macht mich stolz, wie die Jungs in die Zweikämpfe gegangen sind", sagte Baum. "Das war eine Top-Leistung." Wenigstens einer war war an diesem Nachmittag also richtig begeistert.

© SZ vom 01.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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