1:1 in Köln:Zollers schöner Lupfer

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Der 1. FC Köln wirkt gegen den Favoriten aus Wolfsburg lange überlegen, muss am Ende aber froh sein, wenigstens ein 1:1 retten zu können - weil der VfL in der Nachspielzeit eine Großchance vergibt.

Von Milan Pavlovic, Köln

Wer ist der wahre Angstgegner des 1. FC Köln: München? Mönchengladbach? Leverkusen? Gegen all diese Klubs hat der allererste Bundesliga-Meister eine negative Bilanz - aber gegen keinen Klub ist das Missverhältnis so verheerend wie gegen den VfL Wolfsburg. Im Schnitt reichte es gegen die Niedersachsen nur zu 0,25 Punkten pro Partie, auch in den zehn Heimspielen waren es bis Samstag nur 0,33. Bloß drei von 20 Bundesliga-Duellen haben die Kölner gewonnen. Auch diesmal reichte es nicht für die Kölner, und selbst wenn die Wolfsburger beim 1:1 nur gegen Ende ein bisschen Angst verbreiteten, wahrten sie ihre Serie: Im Müngersdorfer Stadion haben sie zuletzt im April 2006 verloren.

FC-Trainer Peter Stöger hatte sein Team eingeschworen, gegen die offensiv einschüchternd gut besetzten Wolfsburger (Kevin De Bruyne in pinken Tretern, Bas Dost, Max Kruse, Ivan Perisic, Aaron Hunt) offensiv zu verteidigen. Die Kölner starteten wacher, aggressiver. Wolfsburg hingegen wirkte abwartend, geradezu schläfrig, als wollte der Werksklub alles mal schön auf sich zukommen lassen - wie eine Spitzenmannschaft, die nicht einsieht, warum sie schon Betriebstemperatur aufnehmen soll.

Torhüter Benaglio überwindet Kölns Simon Zoller formvollendet mit einem Lupfer: Die Wolfsburger Rodriguez (l.) und Naldo kommen zu spät. (Foto: imago)

"Das können wir besser", findet Wolfsburgs Daniel Caligiuri

Auch in der 31. Minute genossen etliche Wolfsburger den herrlichen Spätsommersamstag, als Timo Horn vom FC-Tor abschlug. Nach einer Kopfballverlängerung von Kölns imposantem Mittelstürmer Anthony Modeste tauchte Wolfsburgs Torwart Koen Casteels nahe der Strafraumgrenze auf, ohne Entschlusskraft auszustrahlen. Das wusste der Kölner Simon Zoller zu nutzen, indem er den Ball mit der Fußspitze über den perplexen Keeper lupfte, sich im anschließenden Positionskampf mit VfL-Innenverteidiger Naldo behauptete und den Ball mit dem Kopf über die Linie drückte. Es war die erste klare Torchance und das verdiente 1:0.

Wer nun mehr von Wolfsburg erwartete, wurde negativ überrascht. Gegen die gut geordneten Rheinländer fand der Vorjahreszweite keine Lücken. Und wenn die Gäste in die schmerzlichen Zonen vorstießen, fehlte die Präzision, auch und gerade bei Kevin De Bruyne. "Uninspiriert", nannte Trainer Dieter Hecking den Auftritt seines Teams. "Wenn wir so spielen, werden wir immer Probleme haben", sagte Sportdirektor Klaus Allofs. "Das können wir besser, wir müssen dringend an uns arbeiten", fand Rechtsaußen Daniel Caligiuri.

Die Kölner wirkten weiterhin gefährlicher, sie versäumten es aber, ihre Konter konsequenter auszuspielen - vor allem Zoller erarbeitete sich Freiräume, die er allerdings nicht nutzte. Besonders bitter aus Kölner Sicht: wie der emsige Angreifer 70 Sekunden nach Wiederanpfiff die Großchance zum 2:0 ausließ. Zoller lief von halbrechts allein auf das Gäste-Tor zu, signalisierte dem neben ihm laufenden Bittencourt, er möge sich fernhalten, doch dann verging zu viel Zeit, der Winkel wurde zu spitz, und Casteels durfte sich im Duell eins gegen eins auszeichnen. Der FC war weiter auf den Knockout aus. In der 60. Minute gab es zwei Großchancen durch Anthony Modeste, einmal verpasste er knapp, einmal reagierte Casteels prächtig und fischte einen harten Schuss aus dem Winkel.

Großchancen für die Gäste in der Nachspielzeit

Das war das späte Weckzeichen für den VfL. "Du kannst eine Mannschaft wie Wolfsburg nicht 90 Minuten lang komplett abmelden", sagte FC-Trainer Stöger. Wie aus dem Nichts fiel deshalb das 1:1 (83.). FC-Verteidiger Jonas Hector konnte einen Schuss von Caligiuri nicht verhindern, Horn ließ den nicht übermäßig harten Ball zur Seite abprallen, dort tauchte der eingewechselte Nicklas Bendtner auf, der den Ball über die Linie bugsierte.

Nun nahm die Partie doch noch extrem an Fahrt auf, beide Teams wollten mehr. Der Kölner Lehmann trat als letzter Mann über den Ball, doch De Bruyne scheiterte bei seinem Alleingang zunächst an Horn und dann am zurückgeeilten Lehmann (90.+2). Und Sekunden vor dem Schlusspfiff lenkte Horn einen Kopfball aus nächster Nähe von Dost über die Latte (90.+4). "Am liebsten hätte ich nur die Nachspielzeit gespielt", sagte Klaus Allofs mit gequältem Lächeln. Wegen der Chancen der letzten zehn Minuten sei es doch "ein gerechtes Unentschieden" geworden, resümierte Hecking. Und Köln, das alle Chancen hatte, diese Partie zu gewinnen und die schwarze Serie gegen Wolfsburg zu beenden, musste froh sein, nicht verloren zu haben.

© SZ vom 23.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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