0:0 in Bremen:Risikorechnung

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Für Zlatko Junuzovic (li., hier gegen Panagiotis Retsos) war es das letzte Heimspiel für Werder Bremen - und insgesamt auf beiden Seiten eines der schlechtesten Spiele der Saison. (Foto: Thomas Starke/Bongarts/Getty Images)

Leverkusen steht nur auf dem fünften Platz in der Liga und droht die Qualifikation zur Champions League zu verspielen - und wundert sich über die plötzliche Offensivschwäche.

Von Frank Hellmann, Bremen

Es ist bezeichnend für den Unterhaltungswert eines Fußballspiels, wenn der höchste Lärmpegel in einem Stadion beim Verkünden der Zwischenstände von einem fernen Schauplatz zustande kommt. Irgendwie war 41.000 Besuchern im Bremer Weserstadion recht bald klar, dass die Bundesligapartie des SV Werder gegen Bayer Leverkusen ihren eigentlichen Zweck verfehlen sollte - es fielen keine Tore. Die Heimelf besaß in einer zerfahrenen Begegnung erst gar keine Möglichkeiten, die Werkself vergab ihre wenigen recht kläglich.

Dass die Werder-Anhängerschaft dennoch recht guter Laune war, hing mit dem Schicksal zusammen, das den Hamburger SV im fernen Frankfurt ereilte: Die Gegentore des Erzrivalen waren noch gar nicht auf der Videowand eingeblendet, da steigerte sich schon die Lautstärke auf den Rängen, ehe mit der Einblendung ein Aufschrei über den Osterdeich hallte: In Bremen können es eben viele nicht erwarten, die ewigen Hamburger zumindest für eine Bundesliga-Saison loszuwerden.

Aber nicht nur der Gastgeber, der seinen vermutlich zu Red Bull Salzburg ziehenden Kapitän Zlatko Junuzovic nach sechseinhalb Jahren einen sehr würdevollen Abschied mit Ehrung vor Anpfiff und Auswechslung vor Abpfiff bescherte, begab sich an diesem vorletzten Spieltag in eine für Außenstehende recht eigenartige Stimmungslage. Auch die Gäste wussten die Geschehnisse nur schwerlich zu verorten. "Die Situation ist besser als zuvor", stellte Rudi Völler trotzig fest und grinste dabei so schelmisch, als wisse der in Ehren ergraute Sportchef schon, dass diese Nullnummer bestimmt in einer Woche noch in einem viel besseren Licht erscheint.

Zunächst hatte das noch anders ausgesehen: Symbolhaft, wie sich nach knapp einer Stunde Spielzeit Charles Aranguiz nach einem der unzähligen kruden Fehlpässe entgeistert an den Kopf griff, nachdem er den Ball unbedrängt ins Seitenaus gepasst hatte. Nach Schlusspfiff kauerte der kroatische Nationalspieler Tin Jedvaj wie ein Häuflein Elend auf dem Rasen, der deutsche Nationalspieler Julian Brandt starrte Löcher in die Luft. "Drei Punkte hatten wir nicht verdient. Das war nichts Halbes, nichts Ganzes", sagte Brandt. Aber: "Es hätte auch beschissener laufen können."

Die Lösung? "Gewinnen - und am besten 15 Tore schießen"

Da parallel Borussia Dortmund und 1899 Hoffenheim patzten, hat Leverkusen beim Kampf um die Champions-League-Ränge sogar einen Punkt gut gemacht. Und für Bayer steht das Heimspiel gegen Hannover 96 an, während sich Hoffenheim und Dortmund im direkten Duell begegnen. Brandt machte eine einfache Rechnung auf: "Gewinnen - und am besten 15 Tore schießen." Tatsächlich wäre Leverkusen mit einem solchen Schützenfest auf jeden Fall in der Königsklasse dabei.

Alle anderen Rechenmodelle sind mit hohem Risiko behaftet - in eigener Hand hat der Klub die Champions-League-Teilnahme speziell im Falle eines Hoffenheimer Sieges nicht mehr, was bei einer so hoch veranlagten Mannschaft, die vor wenigen Wochen Leipzig und Frankfurt jeweils mit 4:1 schlug, ein wenig verwunderlich wirkt.

Trainer Heiko Herrlich benötigte zur Erklärung der jüngsten Torflaute - kein Treffer in Dortmund (0:4), gegen Stuttgart (0:1) und nun in Bremen - daher das DFB-Pokalhalbfinale gegen den FC Bayern, um dem Stimmungswechsel auf den Grund zu kommen. Mit dem 2:6-Debakel vom 17. April sei aus seiner Sicht die "gewisse Euphorie" viel zu schnell in Ernüchterung umgeschlagen. Der Coach gab sich arg angestrengt, den aufkommenden Pessimismus zu vertreiben. "Es ist ja noch ein Spiel. Die Tabelle lügt am Ende nie. Wir müssen unser Heimspiel gewinnen - und dann schauen, was die anderen machen."

© SZ vom 06.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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