2:2 im rheinischen Derby:Einmal Hölle und zurück

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Erst seit Anfang März im Amt - jetzt schon wieder weg? Leverkusen-Trainer Tayfun Korkut. (Foto: Marius Becker/dpa)

Leverkusen ist überlegen, gewinnt aber nicht und verkündet offenbar eine Entscheidung ohne Absprache.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Bayer Leverkusen hat den Klassenverbleib am vorletzten Spieltag der Saison auseigener Kraft gesichert. Aber nicht, ohne von den 39 Höllenkammern der Shaolin mindestens 30 kennengelernt zu haben. Gegen den 1. FC Köln zeigte der Werksklub die beste Leistung der Saison, musste aber dennoch froh sein, nach einem 0:2-Rückstand noch ein 2:2 (0:1) erkämpft, nein: erspielt zu haben. 27:7 Torschüsse, 11:3 Großchancen und ein halbes Dutzend Glanzparaden von Kölns Keeper Timo Horn: Alles sprach für Leverkusen - nur das Endresultat nicht.

Es war ein kurioses Fußball-Spiel mit einem altbekannten Hauptdarsteller. Stefan Kießling, seit 2006 ein unermüdlicher Rackerer im gegnerischen Strafraum, seit eineinhalb Jahren wegen eines chronischen Hüftschadens oft außer Gefecht gesetzt, biss sich in die Partie wie an seinen besten Tagen. Er ließ sich auch von etlichen Frustrationen nicht kleinkriegen und belohnte sich im siebten verheißungsvollen Versuch mit dem Tor, das die Wende brachte.

Doch der Reihe nach. Anders als vergangene Woche in Ingolstadt waren die Werkskicker schon zu Beginn nicht bloß körperlich präsent. Sie entwickelten direkt Druck. Nach Flanke des umsichtigen Teenagers Kai Havertz kam Kießling zum ersten Kopfball, aber Horn parierte (8. Minute). Nur zwei Minuten später gelangte Kießling zweimal aus kürzester Entfernung zum Abschluss, doch beide Male reagierte Kölns Torwart blitzschnell. Vom Feuerwerk, das der FC am vergangenen Wochenende gegen Werder Bremen abgebrannt hatte, war zunächst nur bei den von ihren Pyros benebelten Kölner Anhängern etwas zu sehen.

Kölns erste beiden Angriffe führen zu zwei Toren

Fußball ist allerdings oft ein gemeiner Sport, und so stand es nach dem ersten zu Ende gespielten Gästeangriff 0:1. Verteidiger Dominique Heintz setzte eine flache Flanke in den Rücken der Bayer-Abwehr. Dort legte Simon Zoller kurz ab auf Milos Jojic. Dessen Schuss wäre eine leichte Beute für Bernd Leno gewesen, doch der Keeper sprang ins Leere, weil Verteidiger Tin Jedvaj den Ball unhaltbar in die andere Ecke des eigenen Tores abfälschte (14.).

Wie vor zwei Wochen beim schmerzhaften 1:4 gegen Schalke 04 gerieten die Leverkusener also nach ordentlichem Beginn früh in Rückstand. Aber auch wenn das Team merklich gezeichnet war, mit vielen kleinen Fehlern ohne Not, brach es diesmal nicht in sich zusammen. Das hatte auch damit zu tun, dass die Kölner es ein bisschen sehr gemächlich angehen ließen und in der Abwehr erstaunliche Lücken offenbarten. Die Chancen erspielten sich weiter nur die Gastgeber. "Dass wir mit 1:0 in die Pause gehen konnten, grenzt an ein Wunder", gab Kölns Torwart Horn nachher etwas verlegen zu.

Nach der Pause schien sich die Geschichte zu wiederholen. Bayer hatte die ersten Gelegenheiten - der FC erzielte mit der ersten Offensivszene das nächste Tor: Der 20-jährige Rechtsverteidiger Lukas Klünter schnappte sich an der Mittellinie den Ball, stürmte bis in den Strafraum und profitierte davon, dass Bernd Leno den nicht wahnsinnig überzeugenden Schuss unter seinem Körper durchrutschen ließ (50.). Kurz danach kam Köln zu seiner dritten Chance, doch - oh Wunder - sie blieb ungenutzt (Leno wehrte Bittencourts Nachschuss an den Pfosten ab). Das war das Signal für die unerwartete Wende. "Es hat mir imponiert, wie die Mannschaft die Situation angenommen hat", sagte Interimstrainer Tayfun Korkut. Der 1.FC Köln, bei dem nach der Auswechslung von Bittencourt die Ordnung völlig verloren ging, wirkte nicht wie eine Mannschaft, die cool genug für den internationalen Wettbewerb ist.

Der Bayer-Geschäftsführer verplaudert sich

Und dann kam der eine große Moment in Korkuts Leverkusener Zeit: Statt Nationalspieler Bellarabi zu bringen, setzte er in der 68. Minute auf Joel Pohjanpalo. Und keine drei Minuten später war es dann der Finne, der nach einer weiteren feinen Flanke von Havertz per Kopf zum 2:2 traf (71.).

Das hätte das Happy End für Bayer 04 sein können. Aber der Klub verkauft sich in dieser Saison auch jenseits des Rasens auf denkwürdige Art. Offenbar ohne Absprache mit anderen Klub-Verantwortlichen plauderte Bayer-Geschäftsführer Michael Schade über die Zukunft des Trainers: "Es wird am Ende der Saison natürlich eine Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Trainer geben." Korkut selbst wollte diese stillose Auslassung nicht bewerten. "Ich kann mir ja den Vertrag nicht selbst aufsetzen und unterschreiben", sagte er abgeklärt. Fünf Minuten nach Schade trat dann Sportdirektor Rudi Völler vor die Mikrofone, verschwitzt und sichtlich gezeichnet von dem Nachmittag und der Saison, und zeigte sich merklich erstaunt von der Offenheit seines Kollegen, die nachher sogar eine Presse-Mitteilung des Klubs erforderlich machte. Völler suchte nach Worten, ehe er sagte: "Die letzten Tage und Wochen waren sehr schwierig. Ich habe mich direkt nach dem Spiel in der Kabine bei Tayfun bedankt." Michael Schades Aktion war ein Dank der anderen Art.

In dieser Saison sorgen die Leverkusener zur Not selbst dafür, die restlichen Höllenkammern zu ertragen.

© SZ vom 14.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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