1860:Der Patient und die Eule

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Rollentausch: Der erkrankte Benno Möhlmann saß auf seinem Stuhl, Assistent Sven Kmetsch übernahm die Anweisungen. (Foto: imago/Lackovic)

Benno Möhlmanns Debüt bei 1860 München misslingt, danach äußert der Trainer einen Wunsch: "Ich brauche noch Zeit, um mir die Spieler anzuschauen, die wir haben."

Von Markus Schäflein, München

Bereits die alten Griechen erwarteten nichts Gutes, wenn irgendwo eine Eule auftauchte, und das schlechte Image behielt sie über die Jahrhunderte. Im Drama Macbeth etwa begleitet sie den Tod des rechtmäßigen Königs: "Still, horch! / Die Eule war's, die schrie, der traur'ge Wächter / Die grässlich gute Nacht wünscht." Dass sich eine Eule auf dem Rasen der Fröttmaninger Arena herumtrieb vor Benno Möhlmanns Debüt als Trainer des TSV 1860 München, konnte also nur Unheil bedeuten. Die Löwen verloren 0:1 gegen den Karlsruher SC, und zu allem Überfluss hatte sich Möhlmann auch noch eine schwere Grippe zugezogen.

Der 61-Jährige ist lange genug Fußballtrainer, um zu wissen, dass man sich in diesem Job an manchen Tagen besser nicht krankmelden sollte. Der Dienstag nach der Enttäuschung war eindeutig so ein Tag, und so schleppte er sich sichtlich angeschlagen in den Pressecontainer des Tabellenvorletzten der zweiten Liga. "Nach Niederlagen ist es besser, wenn ich selber komme statt den Co-Trainer vorzuschicken", sagte Möhlmann mit heiserer Stimme.

Seinem Assistenten Sven Kmetsch hatte Benno Möhlmann ja schon während der Partie die Bühne überlassen; Kmetsch dirigierte, lamentierte und feuerte an, während Möhlmann scheinbar teilnahmslos auf seinem Stuhl saß. Er sei "normalerweise" nicht der Typ, der sitzt, erklärte Möhlmann, aber die ungewohnte Perspektive änderte nichts daran, wie der Trainer seine Mannschaft sah. Er habe von seinen zum größten Teil sehr jungen Spielern "im Spiel etwas andere Eindrücke als im Training" gewonnen, sagte er; schlechtere also. Das deckte sich mit den Aussagen seines Vorgängers Torsten Fröhling. So wie sich auch die Taktik und die Formation kaum änderten - und die Probleme auch nicht. Spielbestimmend waren die Löwen, Torgefahr entwickelten sie kaum.

Pfiffe und Buhrufe hallten nach dem Schlusspfiff durch die Arena - das hatte es unter Fröhling nicht gegeben. Die Ernüchterung, dass sich nach dem Trainerwechsel zumindest kurzfristig gar nichts geändert hatte, war allgegenwärtig. Die Elf habe "nicht zu hundert Prozent das gemacht, was wir spielen wollten", sagte Möhlmann, sie habe "nicht die Bereitschaft gehabt, den schnellen, mutigen Pass zu spielen".

Zu allem Überfluss leistete sich Sertan Yegenoglu, ein Innenverteidiger aus der Regionalliga-U21, bei seinem insgesamt ordentlichen Profidebüt einen Fehlpass, der prompt zum Gegentor durch Erwin Hoffer führte (33.); viel mehr Chancen hatten die Karlsruher im ganzen Spiel nicht. Der andere Debütant, der ebenfalls 20-jährige Sechser Emanuel Taffertshofer, spielte "einfach und klar", wie Möhlmann feststellte, "aber auf Dauer muss man auf der Position auch mal nach vorne kucken und nach vorne spielen." Drei Innenverteidiger und ein defensiver Mittelfeldmann fehlten Möhlmann - das reicht angesichts des kleinen Kaders bei Sechzig schon aus, um einen Trainer zum Jugendstil zu verdammen.

Nach elf Spielen ist 1860 noch immer ohne Sieg und hat nur sechs Punkte auf dem Konto. "Im Sommer waren wir noch positiv gestimmt, dass wir eine ordentliche Mannschaft haben, die den nächsten Schritt gehen kann", sagte Torwart Vitus Eicher. "Dass wir jetzt so da stehen, ist beschissen. Jetzt kann man natürlich alles hinterfragen." Insbesondere die Kaderplanung - und das wird Möhlmann ganz sicher tun. Während der loyale Fröhling den Sparkurs mittrug und als Jugendkonzept vermittelte, dürfte Möhlmann schon bald genaue Vorstellungen davon haben, was 1860 zu einer Zweitliga-Mannschaft fehlt.

"Acht Siege und fünf oder sechs Unentschieden dürften reichen."

Ganz kurzfristig will der Trainer keine Zugänge: "Ich brauche noch Zeit, um mir die Spieler anzuschauen, die wir haben. Und es kommen jetzt drei Spiele in sehr kurzer Zeit." Am Freitag geht es nach Fürth, dann am Dienstag im Pokal nach Mainz, dann an Allerheiligen gegen den Letzten Duisburg. Zudem könnten derzeit ja nur vereinslose Profis verpflichtet werden. Dass Möhlmann spätestens im Winter neues Personal fordern wird, ist aber wahrscheinlich. Und seiner Expertise werden die Verantwortlichen wohl eher folgen als jener von Torsten Fröhling.

Bis dahin gehe es darum, "zumindest Anschluss an den Mittelfeldbereich zu erreichen", sagt Möhlmann. Zehn Siege müsste Sechzig für den Klassenverbleib aus 23 Spielen holen, rechnen die Fans. Möhlmann bewies seine Kenntnis der Drei-Punkte-Regel und entgegnete: "Acht Siege und fünf oder sechs Unentschieden dürften auch reichen." Wer würde einem alten Fahrensmann da widersprechen. Möhlmann nimmt man sogar ab, wenn er sagt: "Ich glaube nicht, dass wir bis Weihnachten sieglos bleiben." Aber erst einmal muss Möhlmann wieder gesund werden - um dann 1860 zu kurieren. Geschäftsführer Noor Basha sagte bei Sky: "Dieser Verein ist wie ein Patient. Er liegt am Boden und braucht Hilfe."

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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