Ô Cólumnãò:Wie es nur einer kann

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Von Holger Gertz

Das Wunderbare an solchen Turnieren ist, dass sie fast vergessene Personen wieder lebendig machen. Zum Beispiel, wenn das portugiesische Fernsehen die großen Momente vergangener Europameisterschaften im Nachtprogramm versendet. Da war er wieder, im zweiten Kanal: ein kleiner, schnauzbärtiger Mann mit schwarzer Matte, das Trikot aus der Hose, die Stutzen ganz unten.

Optisch ein bisschen wie ein südländischer Burgsmüller. Aber als Fußballer? Sogar auf den verwaschenen Archivbildern im Nachtprogramm des portugiesischen Fernsehens konnte man erkennen, dass dieser winzige Mann spielen kann wie keiner. Oder wie es nur einer kann, der Chalana heißt.

Chalanas Turnier war die EM 1984 in Frankreich, er spielte mit Jaime Pacheco und einem der zahlreichen João Pintos, die der portugiesische Fußball hervorgebracht hat. Er spielte in engen grünen Achtzigerjahre-Hosen, seine Nummer war die 4, obwohl er Mittelfeldspieler war. Er spielte auch gegen Deutschland damals, 0:0, zur Zeit der Derwalls, Briegels, Försters, aber als kleiner Junge in Deutschland wollte man Chalana sein.

Wollte auch das Hemd aus der Hose hängen lassen dürfen, sich mitten im Spiel auf den Ball stellen, sich irgendwann so einen lustigen Schnauzbart wachsen lassen und insgesamt ganz anders sein als Försterbriegelderwall. Natürlich hatte Chalana auch etwas Furcht einflößendes in seiner haarigen Wildheit, seiner wilden Haarigkeit. Sein Vorgänger in dieser Beziehung war übrigens ein mexikanischer Mittelfeldmann namens Cuellar, der auch mal gegen Deutschland gespielt hat, WM 1978, 0:6.

Chalana hat die EM mit seinem Team nicht gewonnen - sie waren ja Portugiesen. Gewonnen haben die Franzosen mit Platini, der danach ein Weltstar wurde und inzwischen ein hohes Tier im Fußball ist, Inhaber eines Stammplatzes auf allen Ehrentribünen. Chalana aber, Fernando Albino Sousa Chalana, spielte in Bordeaux, war dauernd verletzt, hörte auf, wurde irgendwo Trainer, war Assistent bei Benfica und betreut jetzt ein Team in der zweiten Liga.

Wo genau, haben sie im Fernsehen zwar gesagt, aber das ist nicht wichtig. Sie haben auch Chalana gezeigt, wie er jetzt aussieht, 45 Jahre alt. Er ist grau geworden, aber hat noch seinen Schnurrbart und sein Kampfgewicht. Er sieht aus wie ein portugiesischer Oberkellner, der so gewandt servieren kann, als hätte er sieben Arme. Oder wie es nur einer kann, der Chalana heißt.

© Süddeutsche Zeitung vom 21.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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