1:1 beim Fed Cup in Minsk:Trotz "Puls 200" ganz cool

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Antonia Lottner beim Return in ihrer Fedcup-Partie gegen die Weißrussin Aliaksandra Sasnovich in Minsk. (Foto: Maxim Malinovsky/AFP)

Antonia Lottner überrascht mit ihrem Sieg in Weißrussland und eröffnet dem deutschen Team die Chance auf den Einzug ins Halbfinale.

Von Max Ferstl, Minsk/München

Antonia Lottner schüttelte fleißig Hände. Erst drückte sie die Hand von Alexandra Sasnowitsch, ihrer Gegnerin, dann reichte sie dem weißrussischen Fed-Cup-Kapitän die Hand, zum Schluss reckte sie sich hoch zum Schiedsrichter. Das gehört sich so im Tennis, der Handshake ist ein Akt der Höflichkeit und des gegenseitigen Respekts. Jens Gerlach, der neue Fed-Cup-Kapitän, gilt als freundlicher Mensch. Trotzdem fand er vor der Erstrundenpartie in Minsk, dass man es mit der Höflichkeit und dem Respekt gegenüber dem großen Favoriten Weißrussland nicht übertreiben dürfe. "Wir sind nicht nur zum Händeschütteln hier", hatte er gesagt. Antonia Lottner jedenfalls schüttelte zwar fleißig Hände, aber sie hatte zuvor auch Tennis gespielt - und wie.

Die 21-Jährige, aktuell auf Position 149 der Weltrangliste, besiegte die Favoritin Sasnowitsch, die in der Rangliste über 100 Plätze vor ihr steht: 7:5, 6:4. Weil zuvor Tatjana Maria ihr Einzel gegen Aryna Sabalenka in drei Sätzen verloren hatte (6:4, 1:6, 2:6), steht es nach dem ersten Tag überraschend 1:1. Das deutsche Fed-Cup-Team war ohne die Spitzenspielerinnen Angelique Kerber und Julia Görges zur ersten Runde, dem Viertelfinale, nach Weißrussland gereist. Die Vorzeichen waren also denkbar ungünstig. Doch plötzlich scheint das ungleiche Duell offen zu sein. Am Sonntag (ab 11 Uhr) werden zwei weitere Einzel und, falls nötig, ein entscheidendes Doppel gespielt (auf deutscher Seite vermutlich mit dem Duo Friedsam/Grönefeld). "Jetzt ist alles möglich", sagte Kapitän Gerlach beim Streaming-Dienst DAZN: "Wir wollten am ersten Tag einen Punkt holen." Dass ausgerechnet Lottner bei ihrem Fed-Cup-Debüt diesen Punkt holte - damit war nicht zwingend zu rechnen gewesen.

Eher hatte man auf Tatjana Maria gehofft, der deutschen Nummer eins an diesem Wochenende. Sie verfügt mit ihren 30 Jahren über die größere Erfahrung und die bessere Weltranglisten-Position. Außerdem hat sie die Fähigkeit, die Gegnerin mit ihrer unangenehmen Spielweise zu entnerven. Sie agiert viel mit unterschnittenen Bällen, rückt auch mal direkt nach dem Aufschlag der Gegnerin ans Netz vor. Gerlach hatte gehofft, Maria könnte die veranlagte, aber junge Aryna Sabalenka überrumpeln. "Da ist viel drin", hatte er vermutet. Doch zu mehr als dem Gewinn des ersten Satzes reichte es nicht. Nachdem Sabalenka ihre Anfangsnervosität abgeschüttelt hatte, drückte sie Maria mit harten Grundschlägen hinter die Grundlinie und schlug Winner mit über 150 Stundenkilometern.

Lottner ist hypernervös, lässt sich aber nichts anmerken

Lottner hatte also durchaus Druck auf ihren Schultern, als sie den Platz betrat. Sie spürte ihn auch, das gab sie nach der Partie offen zu: "Mein Puls war bei 200 oder so." Doch man sah es ihr nicht an. Lottner spielte konzentriert, zielstrebig und ruhig. Selbst als sie im ersten Durchgang ihren Aufschlag abgab und die Gegnerin bei 5:4 kurz vor dem Satzgewinn stand. Oder als sie sich später der Ziellinie nährte. Nie wartete sie auf die Fehler der Gegnerin, stets nahm sie ihr Schicksal in die eigene Hand. Das Match beendete Lottner mit zwei direkten Gewinnschlägen hintereinander.

Es folgte das formelle Händeschütteln mit dem Gegner und eher informelle Umarmungen mit dem Team, mit Kapitän Gerlach und mit Barbara Rittner. Der früheren Fed-Cup-Chefin war Lottner einst bei den Deutschen Meisterschaften der U12 aufgefallen. Zum einen, weil die heute 1,85 Meter große Lottner schon damals die anderen überragte. Zum anderen, weil sie die Bälle nicht nur hart von der Grundlinie schlagen kann, sondern auch ans Netz vorrückt. "Sie bringt alles mit, was man braucht", sagte Rittner einmal.

Mit 16 gehörte Lottner zu den besten Nachwuchsspielerinnen der Welt. Doch bei den Schritten ins Erwachsenen-Tennis geriet sie ins Stolpern. Die schnellen Erfolge blieben aus, Verletzungen kamen hinzu. In der Weltrangliste ging es nur mühsam nach oben. Für die Partie in Minsk hätte Lottner normalerweise kaum zur ersten Wahl gezählt. Doch alle potentiellen Kandidatinnen sagten vorher ab: Kerber und Görges brauchen eine Pause. Sabine Lisicki und Andrea Petkovic sind mit sich selbst beschäftigt. Und Carina Witthöft leidet an einer Ohrentzündung. Also blieben nur Tatjana Maria und eben Lottner, die sich anschließend "großartig" fühlte und ihre Sache dem Vernehmen nach blendend machte. Gerlach fand: "Sie hat ein großartiges Match gespielt."

© SZ vom 11.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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