Zugfahren in Niedersachsen:Flotte Sprüche aus dem Lautsprecher

Lesezeit: 2 min

Fahrgäste im niedersächsischen Regionalzugverkehr werden künftig mit Comedy-Ansagen bei Laune gehalten. Die Maßnahme hat einen ernsten Hintergrund.

"Mein Gefühl sagt mir, dass wir dort halten werden", raunt "Akte-X"-Agent Scully durch den Metronom-Lautsprecher, als der Zug in Alfeld im Kreis Hildesheim einfährt. "Die Wahrheit ist irgendwo da draußen", vermutet Scully. In Cadenberge (Kreis Stade) stöhnt Udo Lindenberg: "Cadenberge - auch ne schöne Adresse, haben leider kein Atlantik Hotel hier".

Fahrgäste von Metronom-Zügen in Niedersachsen werden künftig mit Comedy erheitert. (Foto: Foto: dpa)

Neuerdings hält die Metronom Eisenbahngesellschaft ihre Fahrgäste in Niedersachsen mit Comedy-Ansagen bei Laune. Der Sprecher parodiert sämtliche Prominente von Dieter Bohlen bis Peter Maffay. Allerdings nur in sogenannten kritischen Zügen an Wochenenden oder nach Fußballspielen. Den Pendlern möchte man damit nicht auf die Nerven gehen.

"Wir setzen auf den Überraschungseffekt", sagt Metronom-Sprecherin Tatjana Festerling. "Es ist ein Trumpf, den wir aus dem Ärmel ziehen, wenn die Stimmung in Zügen aufgeheizt ist, eine Möglichkeit, die Fahrgäste abzulenken." Keinesfalls wolle sich das Unternehmen zur lustigsten Eisenbahngesellschaft Deutschlands mausern. Die bisherigen "Käpt'n Blaubär-Ansagen" hätten aber eine hohe deeskalierende Wirkung gehabt.

Der Hintergrund der Spaß-Aktion ist ernst: Vandalismus und Alkoholexzesse in den Zügen bereiten der Eisenbahngesellschaft zunehmend Probleme. Besonders an den Wochenenden, wenn Fußballfans zu Spielen nach Bremen und Hamburg fahren. "Wir haben mittlerweile fast eine Million jährlich an Instandsetzungskosten", sagt die Sprecherin.

"Der Metronom bedient hochbelastete Verbindungen. Nur zu, wenn sie Kreativität an den Tag legen", findet Birger Wolter vom Regionalverband Pro Bahn für Hamburg und Umgebung. "Es sind schwierige Beförderungssituationen durch die Sportfans." Jede Maßnahme, die zum Wohlbefinden der Fahrgäste beisteuere, sei akzeptiert, meint der Sprecher des Fahrgastverbandes. Am Hamburger Hauptbahnhof habe man ja auch mit klassischer Musik Erfolg.

Alle Durchsagen mit regionalem Bezug

Fast 60 Bahnhöfe fährt der Metronom auf der Strecke zwischen Hamburg und Bremen, Cuxhaven, Uelzen sowie auf der Strecke Uelzen, Hannover, Göttingen an. Mit aufwendiger Recherche, Kreativität und viel Herzblut seien Sketche, Filmszenen und Prominente ausgewählt worden. "Die Ansagen enthalten alle einen regionalen Bezug zu Sehenswürdigkeiten, einem Stadtmotto oder der Landschaft", betont Festerling.

Engagiert hat die Gesellschaft für die witzigen Durchsagen den Synchronsprecher und Schauspieler Robert Missler, der seine Stimme unter anderem "Wilson", dem Freund von Dr. House in der gleichnamigen TV-Serie lieh. Missler lässt so manchen Bahnfahrer schmunzeln, wenn er vor Buxtehude als Professor Grzimek die "lieben Tierfreunde" darüber aufklärt, dass, wenn Hase und Igel zusammenkommen, tatsächlich Hagel entsteht.

Lokführer sitzt am Drücker

Für jeden ist etwas dabei: Loriots Sketch, in dem er "einfach nur sitzen will", obwohl ihm seine Gattin einen Theaterbesuch in Northeim empfiehlt, sowie der "Nobbi" Blüm, der in Freden "nur mal sagen will, dass seine Rente absolut sicher ist".

Verlassen auf eine der Comedy-Ansagen können sich die täglich rund 75 000 Metronom-Reisenden nicht. Ob und wann ein Band eingeschaltet wird und ein Prominenter den nächsten Halt ansagt, liegt im Ermessen des Lokführers. Manchmal bekommt er vom Zugbegleiter allerdings einen Tipp, dass die Stimmung in einem Abteil zu kippen droht und etwas Ablenkung nötig ist.

© Karin Ridegh-Hamburg, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: