Zelt statt Overwater-Bungalow:2. Erkenne, wer die Kakerlake killt

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Plötzlich knallt es mitten in der Nacht. Ein Aufprall, ein Poltern. Der Boden vibriert. Kanonen krachen. Captain Cook greift an! Nein, die verschreckt herausgekramte Taschenlampe beleuchtet: Es war nur eine Kokosnuss, eine kopfgroße Baumbombe, aus Masthöhe gefallen, neben dem Zelt detoniert.

Von Birgit Lutz-Temsch und Jochen Temsch

Schon wieder etwas gelernt: Schatten ist gut, Abstand von den bewedelten Granatwerfern noch besser. Ansonsten geht nichts übers Zelten: zwei Stangen, eine Schnur, vier Heringe, schon steht die tragbare Südsee-Villa wo man sie braucht - sauber, luftig, Lagunenblick garantiert. Näher am Strand kann man nicht wohnen. Und man bekommt, was man bezahlt: ein Fleckchen Sand für umgerechnet 10 bis 20 Euro die Nacht.

Der Steg am Sunset Beach Motel, 100 Meter vom Zelt entfernt. (Foto: Foto: bilu)

Außerdem ist der Sonnenuntergang gleich nochmal so schön, wenn man weiß, wie die gewöhnlichen Luxus-Touristen hausen: Freie Sicht auf den Horizont hat in den teuren Resorts meist nur, wer einen Überwasser-Bungalow auf Stelzen mietet.

Wer dagegen etwas knausriger ist und nur 300 Euro pro Nacht für eine Hütte am Strand bezahlen will, kann grausam bestraft werden: Statt Sunset ist nur der graue Klimaanlagen-Kasten an der Rückwand des Overwater-Bungalows zu sehen. Dort wohnt dann wahrscheinlich auch nur ein Millionär: ein chilenischer Rinderzüchter, ein deutscher Bankenvorstand oder ein russischer Bauunternehmer vielleicht.

Interessanter sind die Nachbarn auf dem Campingplatz. Da sind die Zwei aus Los Angeles, die extra gekündigt haben, um auf Bora Bora zu heiraten und anschließend ausgiebig Honeymoon zu feiern. Die Australier, die gerade aus Tibet kommen und zu den Osterinseln weiter wollen. Zwei abgebrannte Holländer, die derart von Moskitos verstochen sind, dass sie sich Mullbinden um die Füße wickeln mussten.

Die Aussteigerin aus Paris mit ihren zwei kleinen Töchtern, die ein Jahr lang vergeblich versucht hat, in Polynesien einen Job zu finden. Die in so schäbigen Apartments gewohnt hat, dass sie sich jetzt vor nichts mehr ekelt. Die im Notfall von allen anderen gerufen wird, damit sie eine daumengroße Kakerlake mit ihrer Badelatsche erschlägt oder einen giftigen Tausendfüßler mit zwei Küchenmessern zerstückelt.

Zu erzählen gibt es dann immer viel, wenn am Abend die Bierdosen Marke "Hinano" mit dem Südsee-Mädchen-Logo kreisen. Außer den Campern gibt es dann nur noch den Himmel, bespannt mit unzähligen Sternen, an denen man sich den Kopf zu stoßen droht, so tief scheinen sie am Himmel zu hängen. Die letzten Geräusche aus den Zelten frisst die Brandung. Am Rande des Schlafes fällt eine Nuss.

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