Wellness:Denn jedem Shimmy wohnt ein Zauber inne

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Warum der Bauchtanz ganzheitliches Wohlgefühl verströmt - für Tänzerinnen und Betrachter

Susanne Hermanski

"Am langsam verlöschenden Feuer Eine lachende Tänzerin in Schleiern von Licht, Ihr Tanz verwandelt das Dunkel in Gold."

(Foto: Foto: Tanz-Zentrum München)

Es ist nicht irgendeine Tänzerin, die Abu Abd Allah Ben Abi-IKhisal in so elegant gesetzten Worten preist. Es ist eine Bauchtänzerin, die der Nacht ihr Glimmen entlockt, die den Blick des Betrachters erhellt und die schließlich aus sich selbst heraus strahlt. Was den orientalischen Tanz unter so vielen anderen Ertüchtigungen des Leibes hervorhebt, die in Magazinen wie diesem gefeiert werden: Sie bewegt, die sich bewegen, und deren Betrachter.

Es gibt kaum ein anderes Bild, an dem die Augen und die Phantasien der westlichen Besucher in der östlichen Welt so dauerhaft und intensiv haften blieben, wie an den Tänzerinnen des Orients. "Stunden vergehen und es fällt schwer sich loszureißen", schrieb der französische Romancier Charles Gobineau, der im 19. Jahrhundert wie so viele andere Schriftsteller und Maler in die arabischen Länder reiste - auf der Suche nach Inspiration. "So unmittelbar wirken die Bewegungen der Tänzerinnen auf die Sinne", fuhr er fort. "Keine Abwechslung oder Sprünge, nur selten eine Variation durch irgendeine plötzliche Bewegung. Doch das rhythmische Rollen lullt die Seele in eine köstliche Trägheit, fast in hypnotische Betäubung."

Der britische Ägypten-Reisende G.W. Curtis beschreibt die Tänze, die er sah, 1852 als "merkwürdige und wunderbare Gymnastik" - was das Spannungsfeld zwischen ersten Trainingseinheiten im VHS-Kurs und dem Auftritt einer der großen Bauchtanzdiven in einem Club zu Kairo bis heute gut erfassen dürfte.

Doch das eigentliche Geheimnis des Bauchtanzes kann nur eine Tänzerin selbst ergründen. Was es bedeutet, wenn man nahezu jeden Teil, ja, jeden Muskel seines Körpers isoliert bewegen kann. Wenn die Hüfte schwingt, während der Oberkörper ganz und gar ruhig bleibt. Selbst wenn bei manchen Tänzen die Tänzerin kaum die 30 Quadratzentimeter Raum ausschöpft, auf denen ihre Füße stehen: Ihr Körper birst indessen schier vor Bewegung - die kreist, rollt und wogt um ihre Mitte, um ihren Nabel und breitet sich aus bis in die Haar- und Fingerspitzen. Ein rhythmisches Vibrieren, zuweilen auf Hüften, Po oder Busen beschränkt, überzieht den Körper mal mit zartem Zittern, mal mit heftigem Beben. Die Orientalen nennen das den "Shimmy".

"Ich denke da an einen bestimmten Auftritt in einer Show, in der ich so ein Trommelsolo getanzt habe", sagt Ludmilla Schuhbauer. "Das Publikum hat gekocht und ich hatte das Gefühl, ich würde mich in meine Atome auflösen: meine Finger, meine Haut, selbst meine Zähne." Sie ist Mitte 40 und eine der Bauchtanzlegenden Mitteleuropas. Nach einem Jahrhundert, in dem vor allem verruchte Diven wie Mata Hari, Augen rollende Stummfilmstars á la Theda Bara und sonstige wenig authentische Saloméen den Schleiertanz in die Music-Halls und Filmtheater trugen - den Bauchtanz aber auch beeinflussten und gewissermaßen weiterentwickelten -, ist in den "Seventies" eine neue Zeit angebrochen: Frauen wie Ludmilla Schuhbauer, die in Ägypten, der Türkei - und von den ersten orientbewegten Amerikanerinnen - gelernt hatten, brachten den Bauchtanz für weite Kreise begeisterter Anhängerinnen nach Europa. Gemeinsam mit Monika Kaiblinger hat sie vor zwanzig Jahren das erste Bauchtanzstudio Süddeutschlands eröffnet und im Laufe der Zeit Dutzende neuer Tanzlehrerinnen ausgebildet.

Die Schlange vom Nil

"Orientalischer Tanz ist perfekte Körpertechnik, umgesetzt in getanzte Bilder, Emotionen, Expressivität. Ein Spiel mit den Facetten weiblicher Ausdruckskraft", sagt Monika Kaiblinger. Ludmilla Schuhbauer gibt Beispiele für das "harmonische Spiel zwischen Musik und Körper": "Wenn die schweren Trommeln schlagen, ist das wie eine Riesen-Welle, die selbstbewusst auf jemanden zurollt. Die Tänzerin wird dann zur trägen Löwin.

Doch im nächsten Moment, wenn die ätherischen Töne der Geige erklingen, kann sie sich schon wieder wie eine Elfe fühlen". - Und wie die Schlange vom Nil höchstpersönlich, wenn die Flöte sie aus ihrem Versteck lockt und wie ein Kolibri, wenn das Kanoon (ein Saiteninstrument und Vorgänger der Harfe), mit seinem leichten, heiseren Vibrieren ihr immer neue Wellen von "Shimmys" über den Körper jagt.

Bauchtanz ist eine tiefe Art der Konzentration auf sich selbst. Das ist seine wahre Qualität und sehr viel weniger der dabei an die Oberfläche tretende Showeffekt. Das ist der Grund, warum sich Frauen jeden Alters und jeder Figur dafür begeistern können. Sein meditatives Element und eine gewisse "Massage von innen", die der Körper durch den ständigen Wechsel von Anspannung und Entspannung, Loslassen und Festhalten erlebt, machen Bauchtanz aus verschiedensten medizinischen und psychologischen Aspekten interessant. Viele Orthopäden, Frauenärzte und Psychotherapeuten raten ihren Patientinnen unter anderem zum Bauchtanz: Verspannungen lösen sich, das "geerdete" Stehen strafft die Beine, Krampfadern und Durchblutungsstörungen werden vorgebeugt. Durch die großen Armbewegungen wird nicht nur Schultermuskulatur gekräftigt. Sie können selbst helfen, den Busen zu liften. Ganz ohne Messerchen. Angeborene Fehlhaltungen wie Hohl-, Rund- oder Flachrücken können durch gezielte Übungen ausgeglichen werden - sogar mit einer Gehbehinderung ist Bauchtanz möglich. Alles, was sich im Bauch befindet, wird sanft mitbewegt, das sorgt für eine bessere Durchblutung von Unterleib und Organen - und eine vermutete Wonne bei den Babys, deren Mütter während der Schwangerschaft tanzen.

"Vor allem aber sehe ich, wie glücklich die Frauen beim Tanzen sind. Wir haben eine Schülerin, die unter depressiven Angstzuständen leidet und bereits Psychopharmaka, Selbsterfahrungsgruppen und verschiedene Therapien hinter sich hat. Sie beteuert, dass erst seit sie den Bauchtanz für sich entdeckt hat, die Phasen zwischen den Schüben größer geworden sind." Freilich ist orientalischer Tanz kein Allheilmittel, aber bei Osteoporose, Zuckerkrankheit und Rückenerkrankungen ist seine lindernde Wirkung empirisch erwiesen. Und er ist Balsam bei allen gestörten Gefühlen zum eigenen Körper und der eigenen Weiblichkeit wie bei Magersucht oder schlichten Minderwertigkeitskomplexen. Der Glanz, den man bei Auftritten durch die schillernde Pracht der Kostüme auf der Haut trägt - sie reflektieren das Licht wie die Blicke der Zuschauer -, stützt die Psyche zudem. Dann wirkt er doppelt, der Zauber der Tanzes, der Dunkelheit in Gold verwandelt.

Zentrum für Orientalischen Tanz Schillerstraße 24 80336 München Tel.: 089-593450 www.tanz-zentrum.de

Tanzstudio Halensee Beata und Horacio Cifuentes Joachim-Friedrich-Str. 37 10711 Berlin (Charlottenburg- Wilmersdorf ) Tel.: 030-8935566 www.oriental-fantasy.com

Ishtars Bauchtanzstudio Breite Straße 159 50667 Köln Tel.: 0221-25760 www.ishtar-bauchtanz.de

Samara Eduard-Pfeiffer-Straße 111b 70192 Stuttgart Tel.: 0711-8894888

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