Wellness:Christkind, verdufte

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Warum Weihnachten das Fest der Gerüche ist

Weihnachten stinkt. Manchmal jedenfalls. Nicht nur im übertragenen Sinn. Es piesackt die Nase: Der Lodenmantel, der vom Christkindlmarkt eine Fahne aus Bratwurstfett und Glühfusel in die warme Stube heimbringt. Oder die Gans, die im Rohr verkokelt. Und erst recht, wenn der Adventskranz samt Kerzenwachs, Tannenstreu, Kiefernzäpflein und Plastikschleifen rußend und die Schleimhäute beißend zu einem elenden Haufen verbrennt - dann heißt es lüften. Denn "Räuchern schadet der Gesundheit", wie Öko-Test herausgefunden hat.

Weihnachten - eine "dufte" Zeit. (Foto: Foto: DDP)

Glücksdroge Zimtstern

Die perfideren weihnachtlichen Geruchs-Attacken geschehen hinterrücks - und duften wohl vertraut. Sobald die ersten Dekosterne und Plastiktannen aufgestellt sind, benebeln Kaufhäuser die Kunden aus unscheinbaren olfaktorischen Säulen mit Zimt-, Orangenund Muskataroma. "Duftmailings" mit mikroverkapseltem Vanille-Odeur im Kuvert verfolgen dasselbe unheilige Ziel: beim gestressten Empfänger das Wohlbefinden und damit die Kaufbereitschaft zu steigern. Der Trick klappt. Nur warum?

Wissenschaftler berichten da gerne von Riechzellen (Axone), die über Nerven die Hippocampusformation, den vegetativen Kern des Hypothalamus und das Limbische System im Hirn reizen, wo Sinneseindrücke mit Gefühlen und Erinnerungen verknüpft werden. Anders gesagt: Wenn es weihnachtlich duftet, beschleichen einen heimelige Gedanken an bunte Pakete, frohe Lieder und ebensolche Verwandten unterm Christbaum (Knatsch und Krawattenpräsente memoriert man seltsamerweise nicht). Aber: Man fühlt sich auch wohl an Weihnachten gerade wegen der typischen Düfte: Ätherische Öle von Gewürzen wie Anis, Ingwer, Piment und Nelken stimulieren nicht nur die Verdauung, sondern kurbeln auch - besonders in Verbindung mit zuckrigem Backwerk - die Ausschüttung von Serotonin an. Einer Glücksdroge, die einem gerade in der dunklen Jahreszeit fehlt, was ein Grund für das gesteigerte Verlangen nach Zimtsternen, Vanillekipferln und Anisplätzchen im Winter sein dürfte.

Wie genau das funktioniert, haben die Forscher nicht geklärt. Aber es ist ein alter Hut. Die Steinzeitmenschen nutzten Mohn und Kümmel, die Kelten aßen Honigkuchen in den Rauhnächten zum Schutz vor Dämonen. Im 13. Jahrhundert übernahmen Mönche und Nonnen den Kult ins christliche Brauchtum, indem sie gepfefferte Lebkuchen und "panis mellitus" (süßes Brot) buken. Erst im 18. Jahrhundert wurde Kakao als süßes Naschwerk verbacken.

Bis ins Altertum aber roch es winters vor allem nach Rauch. Auch das wegen der Kelten, die zur Wintersonnwende ihre Hütten ausräucherten, um die bösen Geister zu vertreiben. Die Nachfolger übernahmen den Brauch, ebenso wie die katholische Kirche: In der Christmette schwenkt der Pfarrer ein Gefäß mit Weihrauch wegen der berauschenden, früher als Medizin eingesetzten Wirkung; und zur Erinnerung an die kostbaren Räuchersubstanzen, die die Heiligen Drei Könige dem Jesus-Kind schenkten. Insofern ist Rauch der wahre Weihnachtsduft - auch wenn er dem einen oder anderen stinkt.

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