Verändertes Reiseverhalten:Ja, wir wollen

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Günstiger Dollar, positiver Obama-Effekt und neues Image: Die Veranstalter melden verstärktes Interesse an den USA, aber auch an Reisen in den Nahen Osten.

Martina Gauder und Hans Gasser

Die guten Nachrichten zuerst - das ist das Prinzip der Reiseveranstalter, wenn sie im Herbst Bilanz ziehen über das vergangene Urlaubsjahr und ihre neuen Kataloge präsentieren.

Erfüllen sich die Hoffnungen der Veranstalter, werden im kommenden Jahr noch mehr deutsche Urlauber New Yorks Broadway besuchen. (Foto: Foto: AFP)

Nur auf Nachfrage erfährt man dann etwa bei Studiosus, dass China-Reisen sich mit minus 54 Prozent 2008 viel schlechter als erwartet verkaufen ließen.

Oder dass die neapolitanische Müllkrise zu einer Delle bei den Italienbuchungen geführt hat.

Ganz zu schweigen von der Wirtschaftskrise, über deren künftige Auswirkungen auf den Reisemarkt kaum ein Veranstalter sprechen will, mit Ausnahme von Thomas Cook/Neckermann, wo man erklärt hat, weniger Hotels und Flugzeugsitze verbindlich reserviert zu haben für die kommende Saison.

Positives Denken ist wie immer in der Branche Pflicht, und so trifft es sich gut, dass man bei recht gegensätzlichen Zielen mit guten Zahlen und noch größeren Hoffnungen aufwarten kann: bei den USA auf der einen Seite, andererseits bei Ländern im Nahen Osten und Nordafrika.

Nachhobedarf bei Reisenden

Reisen nach Syrien und Iran, nach Jordanien, Israel, Ägypten und Marokko haben sich 2008 sehr gut verkauft. Und wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, soll es im kommenden Jahr noch besser laufen, obwohl Reisen 2009 generell teurer werden - FTI spricht von fünf Prozent Preissteigerung, bei Thomas Cook und Neckermann sind es drei bis vier Prozent, bei den anderen Veranstaltern verhält es sich ähnlich.

Studiosus verzeichnete allein in Syrien und Jordanien einen Zuwachs von fast 200 Prozent, nach Iran verdoppelte sich die Kundschaft, nach Israel wollten sogar viermal so viele Reisende. Es bestehe in diesen Ländern wohl ein großer Nachholbedarf, heißt es bei Studiosus. Und auch beim Konkurrenten Dr. Tigges/Gebeco spricht Geschäftsführer Ury Steinweg von einem "enormen Zuwachs".

Nach einigen Jahren der Unsicherheit und der Kriege wollten die Leute wieder in diese klassischen Studienreiseländer. Die weiterhin bestehenden Spannungen mit dem Iran halten seine Kundschaft nicht ab, sagt Steinweg: "Die sagen: 'Wir wollen selbst sehen, wie die Menschen dort leben und uns nicht auf das Bild in den Medien verlassen'."

Zusätzliche Orient-Reisen für 2009 wurden nicht nur bei Studienreiseveranstaltern aufgelegt, sondern auch bei FTI: Zum Trendziel des Sommers 2009 wurde Tunesien erklärt, das Hotelangebot wurde um das Vierfache ausgebaut. Auch Ägypten boomt bei Badereisen wie lange nicht mehr.

"Neugierig auf das junge Amerika"

Entscheidend ist das Bild in den Medien jedoch für die USA. Vom Wahlsieg Obamas hoffen fast alle Reiseveranstalter zu profitieren. Am euphorischsten ist Tilo Krause-Dünow vom Nordamerika-Spezialisten Canusa: "Der Sieg des Demokraten ist für den Tourismus wertvoller als jede millionenschwere Werbekampagne."

In der Tat lag der Zuwachs bei den USA-Reisen 2008 bei bis zu 30 Prozent. Während die meisten Veranstalter dies dem billigen Dollarkurs zuschreiben, sieht Krause-Dünow den nur als zusätzlichen Effekt. Schließlich habe sich die günstige amerikanische Währung nicht im selben Umfang auf andere Länder, die ebenfalls in Dollar abgerechnet werden, ausgewirkt. Dadurch sei das Plus an USA-Buchungen ganz klar auf den erwarteten Machtwechsel und den damit verbundenen Imagegewinn zurückzuführen. Nun, da ein neuer politischer Wind wehen soll, gehe man 2009 von zweistelligen Zuwachsraten aus. Gebeco-Mann Steinweg ist überzeugt: "Die Leute sind neugierig auf das junge, neue Amerika."

© SZ vom 13.11.2008/lpr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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