Usbekistan:Islamische Architektur ohne islamisches Leben

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Wer von den Namen Samarkand und Buchara fasziniert an die Seidenstraße reist, erwartet in Usbekistan noch immer etwas von der Atmosphäre aus 1001 Nacht. Vergeblich.

Wie es schon Marco Polo bei seiner Rückkehr von dieser zentralasiatischen Karawanenroute mit der Wahrheit nicht zu genau nahm, so scheinen auch viele moderne Erzählungen den "Zauber des Orients" zu übertreiben.

Oase in der Wüste: die Stadtmauer von Chiwa (Foto: Foto: Knigge / dpa/gms)

Die Ernüchterung beginnt bereits nach der Ankunft in der sowjetisch geprägten Hauptstadt Taschkent, die 1966 fast ganz durch ein Erdbeben zerstört wurde. Wenige alte Bauten sind erhalten. Auf den breiten, mit Platanen bestandenen Boulevards sucht man vergeblich nach Menschen in den traditionellen Trachten der vielen Nomadenvölker.

Erst auf dem Basar im 300 Kilometer entfernten Samarkand entfaltet sich die Vielfarbigkeit, wie sie aus Fotobänden bekannt ist. Die Frauenkleider sind ein Cocktail von leuchtendem Rot, Blau oder Grün und oft aus Synthetik hergestellt - ein Widersinn in einem Land, das zu den größten Baumwoll- und Seidenproduzenten der Welt gehört.

Religiöses Leben ausgelöscht

Wenige ältere Männer tragen noch die traditionellen weißen Bärte und bestickten Kopfkappen. Verschleierte Frauen fehlen völlig: Mehr als 70 Jahre Kommunismus haben das religiöse Leben so gut wie ausgelöscht.

Vom Basar der 2700 Jahre alten Stadt Samarkand steigt der Rauch der Schaschlik-Grills zur größten Moschee Zentralasiens auf. Der Gewaltherrscher Timur ließ sie für seine Lieblingsfrau Bibi Chanum um das Jahr 1400 errichten. Wie fast alle Gebäude aus dieser Periode in Usbekistan wirkt sie wie neu. Schon zu Sowjetzeiten begann in den siebziger Jahren ein großes Restaurierungsprogramm.

Timur hatte sein Großreich von den Dardanellen bis Delhi in wenigen Jahren erobert, und in der gleichen Eile ließ er seine Prachtbauten aus dem Steppenboden stampfen. Oft fehlte es seinen Architekten aber an den nötigen Statikkenntnissen und auch an geeigneten Baumaterialien.

Schon zu Timurs Lebenszeit begannen Minarette und Kuppeln einzustürzen, Erdbeben zerstörten später den Rest. Aus den Ruinen wurden die Bauten jetzt rekonstruiert. Aber kaum vollendet, platzen an vielen Stellen Kacheln und Glasur wieder ab.

Islamische Architektur ohne islamisches Leben

Während etwa in Marokko die alten Monumente in einem Gewirr von Souks und Basaren eingebettet sind, zu jeder Tageszeit umwogt von geschäftigen Menschenmassen, liegen die grandiosen Bauwerke von Samarkand und Buchara isoliert in großen, teilweise baumbestandenen Flächen - es ist islamische Architektur ohne islamisches Leben. Die Bevölkerung wurde in benachbarte Stadtteile umgesiedelt.

Ganz besonders ist dies in der Oasenstadt Chiwa im Norden des Landes der Fall. Haben sich die Touristen verlaufen, so sind die Straßen und Plätze ausgestorben, kein Muezzin ruft von den Minaretten.

In der jüngsten Vergangenheit hat es auch in Usbekistan Attentate islamischer Extremisten gegeben. Das autoritär regierende Regime des Ex-Kommunisten Islam Karimow bekämpft zwar religiösen Radikalismus, es hat das Land aber nicht in Belagerungszustand versetzt.

Deutsche Staatsbürger brauchen ein Visum, das beantragt werden kann bei der Konsularabteilung der Botschaft der Republik Usbekistan, Perleberger Straße 62, 10559 Berlin (Tel.: 030/39 40 98 24, Fax: 030/39 40 98 21).

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