Unterwegs mit dem Jaguar S-Type 2.7 D:Der späte Erfolg britischer Erziehung

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Wenn man ihn beim Anfahren triezt, dann knurrt er. Das mag er nicht so, denn er ist ein Gleiter, kein Raser.

Von Jörg Reichle

Gut, vielleicht war es nicht die ganz große Liebe auf den ersten Blick, als Jaguar im Herbst 1998 den S-Type vorstellte, aber tief drinnen regten sich doch schöne Erinnerungen an die größten Zeiten einer großen Marke. Denn natürlich spekulierte das Design der neuen Limousine ganz ungeniert mit Anklängen an den legendären Mark II aus den Sechzigern, an dessen muskulöse, kraftvoll-gedrungene Form, den eng beisammen stehenden Scheinwerfern, der gebogenen Schulterlinie und dem rund auslaufenden, leicht eingezogenen Heck. Nicht von ungefähr gilt der Mark II bis heute als die Verkörperung der Limousine schlechthin.

Selbstbewusst auf dem Markt der Limousinen: Wer Leder will und die Automatik in Serie, muss für die Executive-Ausstattung mindestens 45 700 Euro hinlegen. (Foto: Foto: Jaguar)

Doch wie das so ist mit den Leidenschaften von einst, die neu entfachte Liebe erforderte Nachsicht. So erbarmte die Lenkung des S-Type durch die Präzision einer Wünschelrute, die Bremsen hielten sich eher dezent im Hintergrund und die Motorenpalette war insgesamt nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit.

Auch der Innenraum sah nicht nach besonderem Luxus aus. Jaguar hörte aber auf die Kritiker und besserte nach: 2001 kam unter anderem ein Sechsstufen-Automat von ZF und drei neue Motoren, im Januar dieses Jahres wurden Außen- und Innendesign überarbeitet. Und siehe da, sozusagen still und leise hat sich der S-Type zu dem individualistischen und technisch hochwertigen Auto entwickelt, das man von einer Marke wie Jaguar auch erwarten darf. Form und Funktion stehen endlich im richtigen Verhältnis, ein Hingucker war der S-Type ja ohnehin schon.

Vollends zur Reife gelangt ist die mittlere Jaguar-Baureihe aber erst mit seinem aktuellsten Antrieb, einem 2,7-Liter-Diesel mit sechs Zylindern, zwei Turboladern, 207 PS und einem Drehmoment von 435 Nm. Ein großer Selbstzünder hatte den Briten bislang gefehlt - angesichts eines Dieselanteils in diesem Premiumsegment von mittlerweile etwa 60 Prozent ein riskantes Defizit. Doch was lange währt, wurde wenigstens gut. Die Gemeinschaftsentwicklung von Ford und dem französischen PSA-Konzern passt zu dem noblen, Understatement-betonten S-Type wie die Barbour-Jacke zum Tweed-Sakko und ein alter Whisky in die Kehle des Landlords.

Der V6 jedenfalls verfügt über beste britische Erziehung, er läuft flüsterleise und verbirgt damit seinen Charakter bis zur Selbstverleugnung - es sei denn, man triezt ihn beim Anfahren. Das mag er nicht so, er knurrt dann ein bisschen, aber der S-Type ist ja ein Gleiter, kein Raser. Er läuft mit dem Diesel geschmeidig, dreht leichtfüßig hoch (80 Prozent des Drehmoments sind schon bei 1500 Umdrehungen verfügbar), hängt fein am Gas und genehmigt sich nur selten einen über den Durst: Wir waren über weite Strecken mit zwischen 8,2 und knapp zehn Liter Kraftstoff unterwegs.

Wenn man dem Diesel-Jag etwas vorwerfen will, dann ist es eine spürbare Anfahrschwäche, die allerdings nur beim Schaltgetriebe zu merken ist - und die Tatsache, dass er mit der an sich bestens arbeitenden Automatik bloß die Schadstoff-Norm Euro 3 schafft. Ein Rußfilter ist erst für 2005 angekündigt.

Dennoch tritt der S-Type Diesel recht selbstbewusst gegen die Premium-Konkurrenz aus Deutschland an - nicht zuletzt preislich. Er ist etwas teurer als ein Mercedes E 270 CDI, etwas billiger als ein BMW 530i und das zeugt durchaus von Mut, zumal der Jaguar nicht mit besonders reichhaltiger Ausstattung punkten kann, wenn man einmal von der serienmäßigen Klimaanlage, dem Tempomat und den umlegbaren Rücksitzlehnen absieht. Wer Leder will und die Automatik in Serie, muss für die Executive-Ausstattung mindestens 45 700 Euro hinlegen. In jedem Fall bekommt er aber eine angenehm zu fahrende, ausgesprochen individuelle Reiselimousine - und eine neu entfachte, alte Liebe.

Jaguar S-Type 2.7 D V6; 152 kW (207 PS); max. Drehmoment: 435 Nm bei 1900 Umdrehungen; 0-100 km/h: 8,6 s; Vmax: 227 km/h; Verbrauch: 9,2 l Diesel/100 km; EU4 (mit Schaltgetriebe EU3); Grundpreis: 39 900 Euro.

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.196, Mittwoch, den 25. August 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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