Trainingsreisen:Marathon mit Austern und Rotwein

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"Marc Girardelli macht Sie fit für den Sommer", "Nordic Fitness mit Rosi Mittermeier" - immer mehr Reiseveranstalter werben mit ehemaligen Sportgrößen für Reisen, auf denen sich die Urlauber bewegen sollen.

Von Karin Bühler

Immer mehr Reiseveranstalter locken mit bekannten Sportler-Namen. Denn die Menschen sollen sich im Urlaub bewegen. Vor allem aber sollen sie sich erst mal zum Urlaubsort hinbequemen.

Außenminister Fischer und Trainer Steffny beim Joggen (Foto: Foto: AP)

Den New York City Marathon kann man in Begleitung von Olympia-Teilnehmer Herbert Steffny angehen. Gebucht wird eine Startnummer samt Hotelarrangement, Flug, Transfer und Reisebetreuung. Das Paket kostet bei vier Übernachtung etwa 1600 Euro. Bereits jetzt sind sämtliche Reiseveranstalter für das Event im November ausgebucht.

Das Geschäft mit den Trainingsreisen laufe gut, sagt Herbert Steffny, der 1986 EM-Dritter und zweimaliger Deutscher Meister im Marathon war, und der schon Joschka Fischer auf den langen Lauf zu sich selbst vorbereitet hat.

Steffny betreibt seit 16 Jahren im Schwarzwald eine Laufschule, die Seminare, Trainingsreisen und Marathon-Camps anbietet. "Parallel zum Lauf-Boom", sagt er, "geht die Entwicklung vom leistungsorientierten Laufen zum Spaß- und Genusslaufen".

Gourmets statt Verbissene

Beim Hamburg-Marathon ins Musical, nach dem New-York Marathon an den Broadway oder zur Stadtrundfahrt: Im Unterschied zu früher sind da nicht hauptsächlich verbissene Athleten unterwegs, sondern Leute, die das Sportliche mit dem Angenehmen verbinden möchten.

Der Gesundheits- und Erholungsaspekt steht im Vordergrund. In Bordeaux beim Medoc Marathon werden unterwegs sogar Rotwein und Austern serviert. "Dort sind nicht nur hochkonzentrierte Läufer unterwegs, sondern richtige Gourmets", sagt Steffny.

Dabei machen Sportreisen einen zwar wachsenden, aber recht kleinen Teil aller Reisen aus. Die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) in Kiel hat festgestellt, dass die Urlauber einerseits immer "mehr in eine Reise packen".

Andererseits liegt der Wunsch, im Urlaub Sport zu treiben, seit Jahren am unteren Ende der Motivhitparade. So erachteten 2004 nur neun Prozent der Deutschen leichte sportliche und spielerische Betätigung im Urlaub als besonders wichtig.

Weniger Surfer und Tennisspieler

Aktiv Sport zu treiben, hielten 2004 nur sechs Prozent der Befragten für wichtig, während "ausspannen", und "keinen Stress haben" am häufigsten genannt wurden.

Ewald Schilberz vom Reiseveranstalter Pro Training Tours in Alsbach schätzt, dass nur 15 Prozent seiner Kunden ambitionierte Läufer sind, während zwei Drittel zu den gesundheitsorientierten Hobbyläufern gehören.

Frauen bevorzugten die sanfteren Formen der Bewegung wie Walking und Nordic Walking. Schilberz, der Trainingsreisen für Radfahrer, Triathleten, Läufer und Nordic Walker anbietet, glaubt, dass Laufreisen vom Rückgang der Tennis- und Surfreisen profitieren.

"Wir widmen uns dem Thema Gesundheit und Fitness", sagt Herbert Steffny. Und da die meisten Sportvereine bisher die Chance verpasst hätten, die Lücke zwischen ambitionierten Wettkampfsportlern und Gesundheitsläufern zu schließen, "beraten wir sie in mehrtägigen Seminaren zu Bewegungs- und Ernährungslehre und darüber, wie man sanft mit Walking oder Jogging in den Sport einsteigt".

Doch nicht nur sanfte Joggingreisen, auch handfeste Extremsporttrips erfreuen sich des Zuwachses. Der Triathlon-Reiseveranstalter Kurt Denk begann vor zehn Jahren mit 35 Teilnehmern am "Ironman", im vergangenen Oktober brachte er 400 Athleten und Betreuer nach Hawaii.

Als Denk vor drei Jahren das erste Camp auf Mallorca ins Reiseprogramm nahm, kamen 70 Sportler mit. Voriges Jahr waren es bereits 300.

"Erstaunlich wenig Know-How"

Gleichzeitig organisieren sich immer weniger von gesundheitsbewussten Freizeitsportlern im Verein und holen sich deshalb bei Trainingsreisen und Experten fundierte Anregungen.

"Die haben oft erstaunlich wenig Know-how", sagt Steffny. "Wenn man heute von einem Sechser-Schnitt spricht, bei dem die Läufer früher sofort verstanden haben, dass das sechs Minuten pro Kilometer bedeutet, weiß das heute mindestens ein Drittel nicht mehr."

Die Betreuung bei Trainingscamps und Seminaren umfasst bei den meisten Anbietern mehrere Bereiche: Gymnastik, Rumpfstabilisierung, Aquajogging, Video-Laufstilanalyse, Tipps zum Schuhwerk, zur Ernährung und zur Trainingslehre.

In vielen Fällen subventionieren Krankenkassen die Seminarkosten. "Seminarwochen werden als Präventivmaßnahme bewertet", erläutert Schilberz. Einige seiner Kurse sind sogar von der Barmer zertifiziert.

Zuschuss von der Kasse

Manche Krankenkassen bezuschussen auch Steffnys Seminare, der gleich mit einem ganzen Team von Experten und ehemaligen Sportlern arbeitet.

Unter anderem mit dem früheren Weltklasseläufer und Sternekoch Charly Doll, der ernährungstheoretische Schulungen am Tisch gleich in die Praxis umsetzt: mit Lachsgerichten etwa, weil Eiweiß, Mineralien und positiv mehrfach ungesättigte Fettsäuren darin enthalten sind.

Oder er macht bei den Seminaren im Schwarzwald einen Exkurs in die kenianische Ernährung. In dem Land, aus dem die Wunderläufer kommen, wird viel Hirse gegessen.

"In der Hirse wimmelt es von Eisen und Magnesium", sagt Steffny, "in Ergänzung mit Milchprodukten ist das eine sehr gute Ernährung fürs Training. Bei seinen Seminaren gibt es am Abend nicht nur Wasser zu trinken, sondern auch Wein. "Wir sind keine Sektierer."

Nach einer Stunde wieder weg

Unter den Anbietern von Trainingsreisen gebe es welche, "die kündigen irgendeinen berühmten Namen an, der kommt dann mal eine Stunde, joggt mit den Leuten und ist wieder weg", kritisiert Steffny.

Schilberz betont, dass er niemanden mit seinen Kunden losschicke, der nur einen interessanten Namen hat. Es müsse schon einer sein, der sich mit den Trainingsgästen auseinander setzt, sie nicht überfordert und vor allem sich "nicht wie ein Sportgott über sie stellt".

Die Goldmedaille im Gepäck sei kein Garant für didaktisch und psychologisch wertvolle Betreuung. Große Namen seien vor allem bei stark leistungsorientierten Amateursportlern ausschlaggebend", meint Schilbertz.

Steffny glaubt: "Es gibt Leute, die sich eben nur von einem Dieter Baumann, Thomas Wessinghage oder Herbert Steffny etwas zu ihrem Training sagen lassen wollen. Die wollen Tipps von einem Alpha-Tier."

© SZ vom 31.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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