Tortour de France:Die Bergwertung

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Würde man das kleine Saarland einmal glattbügeln, es wäre wahrscheinlich so groß wie Bayern und Nordrhein-Westfalen zusammen: Von Schengen bis Saarbrücken hügelt das gemächlich vor sich hin. Anfangs ist das schön, knarzender Sattel, das leise Nieseln auf dem Helm, sonst ist da nur der eigene Atem. Ab und zu ein kleines Dorf, Budingen, Weiler, Schwemlingen. Die Fenster haben schwere Lider, die Rollos sind halb hochgezogen, als dämmerten die Häuser noch durch den regnerischen Vormittag und träumten von der guten alten Zeit, als das Saarland noch nicht strukturschwache Region sondern Industriemotor war.

Willkommen in der Heimat! Auf den nächsten Kilometer wartet das hügelige Saarland. (Foto: N/A)

Die Strecke zieht nie wirklich streng an, aber wellt verschlagen auf und ab, Landschaftsarchitekten mag so etwas freuen, hier ein Wäldchen, dort ein Abhang, dann wieder leicht bergan und wieder runter, aber Hügeln und Radeln sind sich nicht Freund. Und so mutiert der Körper nach und nach zum Krisengebiet. Roland Barthes hat vielleicht ein wenig übertrieben, als er davon sprach, dass einige Fahrer auf den großen Bergetappen "hiroshimaartig" einbrechen, aber wie so ein mittleres Scharmützel an der nordkoreanischen Grenze fühlen sich die Oberschenkel nach fünf Stunden schon an.

Kein Mensch, nirgends!

Schwemlingen, Ballern, Hilbringen, kein Mensch nirgends, nur Niesel und Steigungen, so kann das Bataille unmöglich gemeint haben mit seiner Theorie der Verschwendung, das macht doch keinen Spaß mehr. Das Prickeln der Lungen wird immer stechender, der Himmel hängt so tief, dass man sich daran aufhängen könnte, und plötzlich ist zu spüren, dass in den Knien sehr viel Knorpelmasse unterwegs ist. Selbst auf gerader Strecke steigt der Körper immer wieder aus dem Sattel, während der Kopf damit anfängt, mit einigen ungeliebten Kollegen im fernen München ordentlich ein Hühnchen zu rupfen und dem Chef endlich mal das Kraut auszuschütten. Hühnchen, köstlich, Eintopf, das wär's jetzt.

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