Ticket-Verkauf im Test:Schlecht beraten bei der Bahn

Lesezeit: 3 min

Wer sich auf die Berater der Deutschen Bahn verlässt, reist oft zu teuer: Nicht einmal auf Nachfrage erfährt man den günstigsten Preis - und soll das Dreifache zahlen.

Für die April-Ausgabe der Zeitschrift test hatten drei geschulte Experten der Stiftung Warentest den Verkauf von Bahntickets an Schaltern, Telefon, Automaten und im Internet geprüft.

Viele Wege führen zu vielen verschiedenen Angeboten der Bahn - allerdings nicht unbedingt zum billigsten Tarif. (Foto: Foto: AP)

In den meisten Fällen forderten die Bahn-Mitarbeiter zuerst einen Preis, der nicht der günstigste war. Oft nannten sie die billigste Variante nicht einmal auf weitere Nachfrage.

Im ersten Testfall sollte ein Fahrschein zwischen zwei Städten in verschiedenen Bundesländern gebucht werden. Spontan und ohne Bahncard. Nur sieben von 25 Beratern wiesen auf die Möglichkeit hin, statt Schnellzügen den Regionalverkehr zu nutzen und entsprechende Ländertickets zu kaufen.

Zwischen Potsdam und Bad Sulza kostet diese Variante 52 Euro, die von zehn Verkäufern auch auf Nachfrage nicht genannt wurde. Stattdessen verlangten sie 164 Euro für die Fahrt mit Fern- und Regiozügen.

Fünf Minuten Wartezeit für zehn Euro

Im zweiten Fall wollten die Tester von Berlin nach Paderborn, mit Umsteigen in Hannover. Zwischen Berlin und Hannover kann man einen IC statt eines ICEs nutzen. Dieser kostet zehn Euro mehr und ist nur fünf Minuten eher in Hannover.

Diese Zeit kann man sich dann am Bahnhof vertreiben, da bei beiden Varianten die Reise mit derselben S-Bahn fortgesetzt wird.

Nur drei der 25 Bahn-Mitarbeiter wiesen von sich aus auf die günstigere Variante hin. 13 boten sie auf Nachfrage an, neun gar nicht.

Knifflig wird es, wenn man mit der Bahn in einen Fahrradurlaub fahren und an einem Ort aus der Bahn aussteigen, jedoch an einem anderen wieder einsteigen will. Die optimale Lösung besteht darin, Bahncard 25 und Sparpreise zu kombinieren.

Diese Sparpreise sind kontingentiert, müssen frühzeitig gebucht werden und das Buchungssystem der Bahn geht prinzipiell davon aus, dass der Endbahnhof der Hinfahrt und der Startbahnhof der Rückfahrt identisch sind.

Nur fünf von 25 Bahnmitarbeitern wiesen sogleich auf die Bahncard hin und lösten auch das Problem der unterschiedlichen Bahnhöfe, indem sie beispielsweise fiktiv eine der Bahnstrecken verlängerten.

Die Preisdifferenzen sind gewaltig. So beträgt der "Normalpreis" für die Gabelstrecke Stuttgart - Husum (Hinweg) und Bad Schwartau - Stuttgart (Rückweg) für eine dreiköpfige Familie 624 Euro. Zum Sparpreis 50 in Verbindung mit Bahncard 50 kosten die Tickets 170 Euro, wobei die Bahncards dazu gerechnet werden müssen.

Auf www.bahn.de fanden die test-Mitarbeiter zwar gute Tipps zu dieser Verbindung, buchen konnten sie die optimalen Tickets aber nicht.

Im vierten Test-Szenario boten die meisten Verkäufer für die Reise von Kassel nach Köln teure ICE-Strecken an, nur sieben wiesen von sich aus auf die billigste und gleichzeitig kürzeste Regionalstrecke hin.

Dabei sind auch hier die Unterschiede gewaltig. Wenn man mit dem ICE über Frankfurt am Main fährt, zahlt man 90 Euro, über Hannover 82 Euro. Der Regionalexpress über Gießen schlägt mit nur 37 Euro zu Buche.

Für Gratisangebote kassiert

Für Schweiz-Reisen hat die Bahn gute Angebote. Das Problem: Angestellte und Buchungssystem wissen nichts davon.

Für die Fahrt in die Schweiz und zurück gibt es Preise mit 25 oder 50 Prozent Rabatt. Kinder unter 16 Jahren dürfen sogar kostenlos mitfahren. Und die Deutsche Bahn hat verschiedene "Swiss-Pässe" für das eidgenössische Streckennetz im Angebot - eigentlich.

Doch wer online bucht, zahlt wieder drauf: Über www.bahn.de sind die Swiss-Pässe nicht verfügbar und auch für Kinder muss hier ein Ticket gekauft werden. Für die wollten aber auch 13 der 25 Bahn-Verkäufer am Schalter abkassieren.

Im Beispielfall der Stiftung Warentest wollen ein Erwachsener und ein 15-Jähriger, die beide eine Bahncard 25 besitzen, von Berlin nach Genf fahren und von dort Tagesausflüge nach Bern und Zermatt machen.

Der günstigste Preis dafür beträgt ingesamt 277 Euro, die Bahn verlangte bis zu 498 Euro.

Tipps für den Tarifdschungel

Stiftung Warentest rät Bahnkunden, den Preisangaben der Bahn zu misstrauen und sich nicht auf die ersten Angebote zu velassen. Wer günstig reisen will, sollte gezielt fragen, ob es auch billigere Reisemöglichkeiten gibt.

Außerdem solle man selbst recherchieren. So fänden sich auf www.bahn.de unter "Preise und Angebote" Spartipps, die über die normale Auskunft nicht verfügbar sind. Auch die Broschüre "Die Mobilitätsangebote der Bahn" sei sehr hilfreich.

Wichtig sei es auch, das Streckennetz zu kennen, um Bahn-Mitarbeiter auf kürzere Wege hinweisen zu können. Wer online Tickets bucht, soll die Voreinstellungen ändern und auch mal die Option "ohne ICE" wählen.

Insgesamt erhält die Bahn in dem Test ein "ausreichend", genauer eine 3,7. Dieselbe Note hatte sie bereits im letzten Test vor zwei Jahren erreicht.

In test heißt es zu dem bescheidenen Ergebnis, dass die Gründe "ein kompliziertes, teilweise wenig kundenfreundliches Preissystem, unzureichende Technik, eine Verkaufsstrategie, die im Zweifel oft lieber abkassiert als fair zu informieren" seien.

Dazu komme ein Management, dass die Missstände seit Jahren nicht beseitigt und sich lieber dem Börsengang widmet.

Und der Bahnfahrer zahlt weiter drauf.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: