SZ-Serie IV:Souvenirs, Souvenirs: Arschpfeifenrössl

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Eine Reise geht so schnell zu Ende. Und die Erinnerungen verblassen auch immer sofort. Also bringen wir jetzt öfter mal was mit.

Eva-Elisabeth Fischer

Es handelt sich hierbei natürlich um Kunsthandwerk und nicht um ein Werk der Natur. Das ist unter anderem daran zu erkennen, dass seine Mechanik genau andersherum funktioniert als beim lebenden Vorbild.

(Foto: Fischer)

Ein echtes Pferd bringt Winde und die damit verbundenen Töne durch Gasdruck von innen hervor. Sein hölzernes Pendant hingegen gibt seinen schrillen Pfiff nur von sich, wenn ein Luftstoß von außen in sein Hinterteil fährt.

Weshalb es folgerichtig Arschpfeifenrössl heißt. Seinen derben Namen hat es, weil es aus einer Region stammt, die nicht gerade für sprachlichen Feinsinn bekannt ist: Berchtesgaden.

Das Arschpfeifenrössl ist überall da zu finden, wo Volkskunst daheim ist. Im Heimatmuseum, in Hotelvitrinen, die meist für einschlägige Geschäfte werben. Es ist eines der Spielzeuge, die heutzutage wohl eher das Entzücken von Erwachsenen denn von Kindern hervorrufen.

Denn die Sächelchen sind fragil, obgleich sie doch Grobschnitzereien genannt werden.

Das Holzhandwerk hat Tradition im Berchtesgadener Land, reicht zurück bis ins 16. Jahrhundert. Aus dieser Zeit datiert die Handwerksordnung für Drechsler, Schindel- und Löffelmacher, Pfeifen-, Schachtel- und Schaffelmacher.

Die Händler, die mit Kraxen auf dem Rücken ihre Ware in den verstreuten Bergdörfern und Höfen feilboten, hatten aber wohl hauptsächlich Gebrauchsgegenstände im Gepäck.

Die Blüte des Holzhandwerks erreichte ihren Höhepunkt im Jahre 1805 mit 641 selbstständig arbeitenden Holzhandwerkern. Es ist kaum vorstellbar, dass bereits im 17. Jahrhundert das Berchtesgadener Spielzeug zum beliebtesten Exportartikel zählte.

Nur hundert Jahre später gelangte es, in Massenproduktion hergestellt, bis nach Übersee und nach ganz Europa sowieso. Nur wenige Jahre später allerdings begann der Niedergang.

Die Spielsachen sahen damals so aus wie heute, die bemalten Spanschachteln, die Filigrandöschen, die Flöten, die Vögel, die Kühe, die Pferde, all die Tiere, mit denen man eine Arche Noah bestücken kann.

Im Jahr 1911 begann man, Christbaumschmuck aus Holz zu fertigen, Glöckchen, Ratschn, Pfeifenvögel. Und natürlich das lustig bockende Arschpfeifenrössl en miniature, bunt bemalt wie alles andere, herzallerliebst und geliebt wie eh und je.

© SZ vom 12.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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