Speisen auf Reisen II:Cuisine kurios

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Klapperschlange fritiert, Echse gegart oder darf's ein bisschen vom Kamelhöcker sein? Was Küchen und Gastgeber in ihren Urlaubsländern zu bieten haben - und wie Sie darauf reagieren sollten.

Berit Uhlmann

Karibik

Havannas Bars gehören zu den schönsten der Welt und natürlich gibt es dort Rum rund um die Uhr. (Foto: Foto: dpa)

"Iguana delicatissima" ist keine gastronomische Erfindung, sondern die veritable zoologische Bezeichnung des grünen Inselleguans, der einzig auf einigen Antilleninseln vorkommt, und dessen Name bereits auf seine Bestimmung schließen lässt: Die grüne Echse landet im Schmelztigel der karibischen Küche.

Darin trifft sie auf Schildkröten, deren Steaks man auf den Bahamas brutzelt, Stockfischbällchen mit Pflaumen, die auf Jamaikanischen Frühstückstellern liegen, geschmorte Gürteltiere auf Trinidad und die Montain Chicken auf Dominica, die jedoch keine einzige Hühnerfaser enthalten, sondern Schenkel von Riesenfröschen.

Die Insulaner essen im vielbesungenen "sunshine" eher wenig; die Hauptmahlzeit gibt es am Abend. Dafür ist es durchaus nicht ungewöhnlich, schon vormittags zum Rum zu greifen, schließlich ist die Karibik die Heimat des Zuckerrohrschnaps und seiner Mixgetränke wie Daiquiri, Mojito, Pina Colada oder Cuba Libre. Wer diese nicht gewöhnt ist, dem sei mit auf den Weg gegeben, dass das Wort "Rum" vom englischen Slangausdruck "rumbullion" abstammen soll, was Aufruhr- vermutlich der in Kopf und Magen - bedeutet.

Orient

Kamele sind nicht nur Lasttiere, sondern liefern Milch und Fleisch. (Foto: Foto: Reuters)

Die Gastfreundschaft im Orient ist legendär. Sobald ein Mann die Schwelle eines orientalischen Hauses überschreitet, ist er der König - und darf damit auch über das folgende Essen bestimmen. Was er mit lobenden Blicken oder Worten bedenkt, wird ihm zugedacht - das kann auch das komplette Geschirr sein. Wenn er sich satt zurücklehnt, gilt das Mahl als beendet, unabhängig davon, ob andere am Tisch noch hungrig sind.

Dafür wird der Gast mit den besten Stücken der Küche versorgt. Als Ehrbezeugung gilt Kamelfleisch. Die Wüstentiere lassen sich komplett verspeisen. Es wird berichtet, dass sie bei Beduinen-Hochzeiten im Ganzen am Spieß gedreht werden. Als Delikatesse gelten das Innere von Hufen und Höcker.

Gegessen wird in Teilen dieser Region traditionell ohne Besteck. Dabei sind nur Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand zulässig, was Ungeübten nicht immer perfekt gelingt, und umso unangenehmer wird, da alle Augen auf den Gast gerichtet sind.

Und dies kann nun noch eine zweite Bedeutung haben: Mancher Gast wird selbst von seinem Teller aus angeblickt, denn in Teilen des Nahen Ostens sind Lammaugen eine Spezialität, die man besonders geschätzten Gästen serviert.

Portugal

Die portugiesische Küche steht vielleicht nicht in dem Ruf, eine der besten der Welt zu sein. Doch glauben Sie bloß nicht, Essen sei keine große Sache in Portugal. Zweimal am Tag wird warm gegessen - meist das volle Programm von Vorspeise bis Dessert.

Zum Vegetarier haben die meisten Portugiesen wenig Talent; Fleisch oder Fisch wird nicht zu knapp aufgetischt. Im Norden landen gerne tripas (Innereien) auf den Tellern, und zwar so gerne, dass Südportugiesen ihre Landsleute rund um Porto manchmal abfällig "tripeiros" nennen.

Auch für Blut haben die Nordportugiesen viel übrig. In der Papas de Sarrabulho zum Beispiel werden verschiedene Fleischsorten und jede Menge Schweine- und Hühnerblut zu einer dicken Suppe gerührt.

Russland

Vor einigen Jahren erfanden zwei Moskauer den prostenden Wodkadeckel. Der Flaschenverschluss sprach jedesmal, wenn er abgeschraubt wurde einen neuen Trinkspruch aus; je öfter das passierte, umso weniger klar artikulierte er sich. Viele Russen konnten dem nichts abgewinnen, aber für Ausländer könnte der Deckel lehrreich sein, konzentriert er in seinem Inneren doch das meiste, was man über das gemeinsame Wodkatrinken wissen muss.

1. Es wird vor jedem Wodka ein Trinkspruch vorgetragen. Dabei ist das hierzulande bekannte "Na sdarowje!" nur einer von vielen und noch nicht einmal der gebräuchlichste. Russen können auf etliches trinken vom Weltfrieden bis zum Wodka an sich. Dabei sind Trinksprüche gerne lang, fantasievoll und humoristisch bis sentimental. Für Ausländer birgt dies ein Problem, denn wie jeder Teilnehmer einer Feier kommen auch sie an die Reihe, einen Toast auszusprechen. Ein einfaches "Sa was!" ("Auf Euch!") tut es zwar, wer aber wirklich mithalten will, dem empfehlen Russen, sich vorzubereiten und zum Beispiel eine Spruchsammlung in einer russischen Buchhandlung zu erwerben.

2. Es wird viel getrunken. Und zumindest von männlichen Gästen wird erwartet, dass sie mittrinken. Daher sollten Sie ihren Magen vorbereiten. Empfohlen wird unter anderem, vor der Party Brot, Kartoffeln, einen Löffel Olivenöl oder zwei rohe Eier zu essen. Nach jedem Wodka sollte man Wasser, aber auf keinen Fall andere alkoholische Getränke trinken und immer wieder essen.

In der Regel werden bei russischen Feiern solche Speisen gereicht, die beim Neutralisieren des Alkohols helfen sollen - vor allen Dingen saure und salzige Gerichte. Allerdings kann nichts von alledem garantieren, dass Sie mit klarem Kopf aus einer russischen Gesellschaft wieder herauskommen.

Spanien

In Spanien ist Essen und Trinken weit mehr als Nahrungsaufnahme. Vor allem in den Städten ist es - um es mit Hans Martin Enzensberger zu sagen - fast schon Arbeitsalltag: "Die berühmte movida besteht aus einem endlosen Pilgerzug von einem Lokal zum andern. Bei der Auswahl der Bars, Restaurants und der Nachtlokale waltet unerbittliche Strenge; gerade dort, wo um keinen Preis ein Tisch zu haben ist, gilt es sich niederzulassen. Hier werden die Posten vergeben, die Intrigen gesponnen, die Putsche geplant, die Märkte aufgeteilt und die Allianzen geschmiedet."

Und damit wird Essen auch von ungeschriebenen Gesetzen diktiert. Wer gedankenverloren im Meeting oder Unterricht einen Snack vor sich hinkaut, begeht einen kleinen Affront, denn man isst gemeinsam und teilt. Wer sich aber kontaktfreudig zu Fremden an den Tisch setzt, begeht den nächsten Faux Pas. Denn man speist nur mit denen, von denen man eingeladen wird.

Oft erst gegen Morgengrauen bringt der Kellner die Rechnung für den gesamten Tisch. Sie wird geteilt oder aber einer zahlt den gesamten Betrag. Dies hat nichts mit weinseeliger Großzügigkeit zu tun, vielmehr weiß jeder genau, wann er an der Reihe ist zu zahlen. Wer nicht regelmäßig seinen Anteil übernimmt, dürfte bald nicht mehr eingeladen werden.

Döner Kebab wird in der Türkei etwas anders serviert als in Deutschland. (Foto: Foto: dpa)

Türkei

Dem Türkei-Touristen kann es passieren, dass er von einem wildfremden Menschen eingeladen wird. In aller Regel sind diese Einladungen aufrichtig gemeint, Türken freuen sich, Gäste in ihrem Haus zu begrüßen, doch noch mehr freuen sie sich, wenn sie ihre Überzeugungskraft spielen lassen können. Somit darf man sich gerne ein wenig zieren, ehe man sich überreden lässt.

Auch beim Essen kommt ein wenig Zurückhaltung gut an. Wer seinen Teller bis zum letzten Krümel leert, könnte als gierig gelten. Man lässt daher einen kleinen Rest auf dem Teller zurück.

Wer in der Türkei schlicht einen Döner bestellt, könnte ratlos angeschaut werden. Denn "döner" ist nur ein Adjektiv und heißt "drehend". Kebab ist dagegen das Grillfleisch, das auf verschiedene Weise zubereitet werden kann. Döner Kebab wird in der Türkei übrigens häufiger als komplettes Tellergericht gegessen denn als Imbiss im Brot. Die in Deutschland so beliebte Kombination mit Salat und Mayonnaise-Sauce ist in der traditionellen türkischen Küche sogar unbekannt.

Beim Rattlesnake Round Up werden Schlangen nicht nur gefangen, sondern verspeist. (Foto: Foto: AP)

USA

Texas: "Was mache ich mit einer toten Klapperschlange?" - "In Mehl wenden und fritieren!" So steht es in den FAQs eines der größten texanischen Veranstalters von Rattlesnake Round Ups, jenen Volksfesten, in denen sich alles um die Schlangen dreht.

In der Tat findet man die Häppchen von Klapperschlange gar nicht so selten auf den Papptellern von Barbecues und Volksfesten im amerikanischen Westen. Sie muten deftig und männlich an, ähnlich wie die beliebten Rocky Mountain- oder Prärieaustern, hinter denen sich Bullenhoden verbergen, die besonders viel Testosteron enthalten sollen.

Lust auf noch mehr kuriose Länderküche? Hier geht's zum ersten Teil von Cuisine kurios

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